11Os1/17g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Emmanuel O***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Oktober 2016, GZ 172 Hv 24/16y 187, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Emmanuel O***** des Verbrechens des Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/1), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (A/2), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (A/3), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (A/4), der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (B/1) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (B/2) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung –
A) vorschriftswidrig Suchtgift
1) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge als Bestimmungstäter eingeführt, indem er im Zeitraum von Mitte November 2015 bis zum 29. Februar 2016 in drei Angriffen den Import von insgesamt 1.719 Gramm Kokain (mindestens 425 Gramm Cocain Base) direkt oder über Mittelsmänner von den Niederlanden nach Österreich veranlasste;
2) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er im Zeitraum von Juni 2015 bis zum 28. Februar 2016 insgesamt mindestens 1.000 Gramm Kokain (mindestens 275 Gramm Cocain Base) an die abgesondert verfolgten Bartholomew N***** (rund 20 Kugeln Kokain) und Eudy R***** (mindestens 100 Gramm Kokain) sowie an weitere Abnehmer im Zuge vielfacher Verkäufe gewinnbringend veräußerte, wobei sein Vorsatz sowohl bei den Importen als auch bei den Verkäufen auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt sowie die Überschreitung des Fünfundzwanzigfachen bzw des Fünfzehnfachen der Grenzmenge mitumfasste.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Das Erstgericht leitete die zu den Schuldsprüchen A/1 und A/2 getroffenen Feststellungen aus dem Ergebnis der Überwachung des Inhalts von Gesprächen, die vom Mobiltelefon des Angeklagten geführt wurden, den Angaben des für glaubwürdig befundenen Zeugen und ermittelnden Beamten S***** , der Aussage des abgesondert verurteilten Eudy R***** und der Einbeziehung weiterer im Urteil genau dargelegter Erwägungen (bspw die Verwendung von Codeworten, die Preise der Suchtgifte, den Besitz von 719 Gramm Kokain bei der Festnahme des Angeklagten, Höhe der Entlohnung des Kuriers) ab (US 7–11).
Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) unzureichende Begründung der Feststellungen behauptet, sich dabei aber nicht an der Gesamtheit der – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit mängelfreien – Entscheidungsgründe orientiert, sondern diese jeweils isoliert betrachtet, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS Justiz RS0119370).
Der Einwand, trotz durchgeführter Observationen seien lediglich zwei Abnehmer ausgeforscht worden, lässt keinen Bezug zum geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (Z 5) erkennen.
Der Vorwurf, der Angeklagte habe sich zu den Gesprächsinhalten mangels Vorhalts nicht äußern und damit nicht verteidigen können, ist mit Blick auf das Protokoll über die Hauptverhandlung geradezu unverständlich (ON 183 S 3 f, ON 186 S 3 f).
Indem die Mängelrüge aus isoliert hervorgehobenen Verfahrensergebnissen andere Schlüsse als die Tatrichter zieht und eigene Erwägungen anstellt, bekämpft sie die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Mit der Bezugnahme auf eine (im Rechtsmittel falsch referierte) Passage der Aussage des erhebenden Polizeibeamten, wonach er davon ausgehe, dass sich der Angeklagte mit dem Kurier in W***** getroffen habe, nicht aber, ob er in Begleitung gewesen sei (ON 186 S 8), sowie auf zwei am 23. November 2015 und 9. Dezember 2015 geführte Gespräche, die keine Hinweise auf Suchtgiftmengen enthielten, zeigt die Rüge ebenso wenig prozessordnungsgemäß einen Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) auf wie mit ihrem Hinweis auf ein Telefonat und Angaben des Angeklagten zu den von ihm anfänglich bezogenen Liefermengen, die im Urteil ohnehin Berücksichtigung fanden (US 9).
Der weitere Vorwurf unzureichender Begründung der Feststellung zur Übernahme einer Mindestmenge von jeweils 500 Gramm Kokain am 23. November 2015 sowie am 9. Dezember 2015 (Z 5 vierter Fall), übergeht erneut die Gründe der Tatrichter in ihrer Gesamtheit (US 7–11). Einer meritorischen Erwiderung ist ein solches Vorbringen nicht zugänglich (RIS Justiz RS0119370).
Mit der Bezugnahme auf § 8 StPO und eine nicht die Auffassung des Gerichts, sondern die Aussage des Zeugen S***** referierende Passage des Urteils, wonach der Angeklagte tief in Suchtgifthandel verstrickt sei (US 8), wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet.
Aus dem zweiten und dritten Anwendungsfall der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO kann nur die rechtsfehlerhafte Bewertung von Strafzumessungstatsachen bekämpft werden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 680; RIS Justiz RS0099869). Dies verkennt die Beschwerde mit der den Urteilssachverhalt nicht korrekt wiedergebenden Behauptung, die Feststellung, wonach der Angeklagte seine vielfältigen Kontakte in verschiedene Länder in Afrika aber auch in Europa nutzte (US 4) und schließlich einen Weg fand, Kokain aus den Niederlanden nach Österreich importieren zu lassen (US 4), sei unzureichend begründet (RIS Justiz RS0119370).
Die mit Blick auf die Wertung der „Unbescholtenheit“ als mildernd unverständliche Kritik der Sanktionsrüge an der Nichtberücksichtigung des ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten erschöpft sich in einem Berufungsvorbringen (RIS Justiz RS0099911,
RS0116960 ).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285e StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.