JudikaturOGH

8Ob122/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Maximilian Gutschreiter, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Dr. S*****, vertreten durch Dr. Karl Wilfinger, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen 122.600 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2016, GZ 3 R 129/16i 77, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Verfahrensmängel erster Instanz können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963). Ob ein in der Berufung behaupteter Verfahrensmangel vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist vom Revisionsgericht nicht mehr zu prüfen (10 ObS 132/15g uva). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS Justiz RS0042963 [T58]).

2. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und den darauf beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellungen im Urteil besteht, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist, also nicht bloß in der Gewinnung von Feststellungen aufgrund von Schlussfolgerungen liegt (RIS Justiz RS0043421 [T2; T4]). Die Vorinstanzen haben in Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten beweiswürdigend begründet, warum nicht festgestellt werden kann, dass die psychischen Probleme der Klägerin nicht ausschließlich auf ihre Zahnprobleme zurückzuführen sind. Eine Aktenwidrigkeit ist daher nicht erkennbar.

3. Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wofür der aktuell anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft maßgeblich ist (RIS Justiz RS0021335 [T2]). Ein Verstoß gegen die Regeln medizinischer Kunst liegt vor, wenn die vom Arzt gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt. Ein Arzt handelt fehlerhaft, wenn er das in Kreisen gewissenhafter und aufmerksamer Ärzte und Fachärzte vorausgesetzte Verhalten unterlässt (RIS Justiz RS0026368 [T2]). Wird eine notwendige Aufklärung nicht oder nicht ausreichend erteilt, liegt auch darin eine fehlerhafte Behandlung. Die Belehrung hat umso ausführlicher und eindringlicher zu sein, je klarer für den Arzt die schädlichen Folgen des Unterbleibens sind und je weniger dringlich die weitere Behandlung aus der Sicht eines vernünftigen und einsichtigen Patienten erscheinen muss (RIS Justiz RS0026313).

Die Rechtsfrage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufzuklären hat, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung in die Behandlung einzuwilligen, überschauen kann, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten und daher im Allgemeinen nicht revisibel (RIS Justiz RS0026763 [T1, T2, T5]), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, wovon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist:

Nach den Feststellungen hat der Beklagte die Klägerin darüber aufgeklärt, dass bei der von ihr ausdrücklich gewünschten Behandlungsmethode (Bissabdruck mit der Zahnprothese nur in Betäubung) Zähne abbrechen können. Genau dieses Risiko hat sich in der Folge verwirklicht. Welche weitere Aufklärung zu erfolgen gehabt hätte, lässt auch die Revision offen.

Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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