11Os120/16f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen K***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Juni 2016, GZ 16 Hv 30/16h 20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde K***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in A*****
I./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an der am 7. Mai 1983 geborenen S***** vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem er sie
1./ im Frühjahr 1995 an der nackten Scheide berührte, daran rieb und in diese mit zumindest einem Finger eindrang, ihre Hand zu seinem nackten erigierten Penis führte und diesen streichelte;
2./ zwischen Frühjahr und Sommer 1995 (aber jedenfalls nach dem zu II/1 geschilderten Vorfall) in zumindest zwei Angriffen an der nackten Scheide berührte, mit zumindest einem Finger in ihre Scheide eindrang, sie an der nackten Scheide leckte und ihre Hand zu seinem nackten und erigierten Penis führte;
II./ mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen, indem er S*****
1./ drei Wochen nach dem zu Punkt I./1 geschilderten Vorfall an der nackten Scheide berührte, mit zumindest einem Finger in diese eindrang, daran leckte und mit der Erklärung, „er müsse probieren, ob er schon reinpasse“ (US 4), mit seinem nackten und erigierten Penis ihre Scheide berührte;
2./ Ende Sommer 1995 zunächst von hinten an ihre Scheide betastete, nach Hinunterziehen der Hosen mit zumindest einem Finger in ihre Scheide eindrang, sie leicht nach vorne beugte und sodann mit seinem Penis von hinten in ihre Scheide eindrang und Vor und Rückwärtsbewegungen ausführte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5, 5a und „11a“ des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag des Verteidigers auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, „dass ein Geschlechtsverkehr, wie von der Zeugin J***** geschildert, anatomisch nicht möglich ist, insbesondere, wenn, wie die Zeugin ausführt, die Unterhose und die Reithose auf der Strecke zwischen Knie und Fußknöchel heruntergezogen worden ist“ (ON 19 S 9), vom Schöffengericht zu Recht abgewiesen. Ein Sachverständigengutachten ist nur dann einzuholen, wenn Umstände vorgebracht werden, deren richtige Auswertung von Fachkenntnissen abhängt, die nicht jedes Mitglied des Gerichts besitzt (RIS Justiz RS0097283). Das trifft auf die im Beweisbegehren thematisierte Frage nicht zu.
Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer
Antragsfundierung sind auf Grund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).
Indem die Mängelrüge die tatrichterliche Überzeugung der
Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin J***** kritisiert und eigene Erwägungen anstellt, zeigt sie den behaupteten Begründungsmangel nicht auf (RIS Justiz RS0106588) , sondern bekämpft die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die
Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RIS Justiz RS0119422). Solche zeigt der Beschwerdeführer aber weder mit seinem Hinweis auf seine leugnende Verantwortung (US 5) noch mit dem auf die Angaben der Zeugen N***** und M***** auf (US 6).
Der Verweis der Tatsachenrüge (Z 5a) auf das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) missachtet den wesensmäßig verschiedenen Anfechtungsrahmen (vgl dazu RIS Justiz RS0116733).
Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin J***** kann aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht releviert werden (RIS Justiz RS0099419).
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf das tadellose Vorleben des Angeklagten, dessen den Tatvorwurf bestreitende Einlassung und die Aussagen der Zeugen N***** und Magnuson verweist (vgl dazu US 6), weckt sie beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0099674).
Dass die Strafbarkeit der Taten zufolge Verjährung erloschen sei, wird von der Rechtsrüge (nominell „Z 11a“, der Sache nach Z 9 lit b) ohne Ableitung aus dem Gesetz (§ 206 Abs 1 StGB iVm §§ 57 Abs 3 iVm 58 Abs 1 Z 3 StGB und die Übergangsbestimmungen des Art V
Abs 3 BGBl I 1998/153 und des Art XIV
Abs 2 BGBl I 2009/40) bloß behauptet ( RIS Justiz RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Anzumerken ist, dass der zu I) durch Unterstellung der beischlafsähnlichen geschlechtlichen Handlungen unter die Bestimmung des § 207 Abs 1 StGB idgF (statt unter § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60) unterlaufene, ungerügt gebliebene Subsumtionsfehler ohne Nachteil für den Angeklagten geblieben ist und daher kein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO erfordert.