JudikaturOGH

22Os2/15g – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Waizer und Dr. Mascher sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in Anwesenheit der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, ehemals niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2014, GZ D 11-23, 1 DV 12-06, D 12-39, 1 DV 13 19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über die Berufung wird (neuerlich) abgebrochen .

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt vom 12. Mai 2010 bis 30. September 2011 nicht dafür Sorge getragen hatte, dass seine Kanzlei in ***** dauerhaft besetzt war, sodass es nicht möglich war, Zustellungen an ihn zu üblichen Postzeiten vorzunehmen, keine Vorkehrung getroffen hatte, dass RSa- und RSb Sendungen unter seiner Kanzleianschrift in ***** zugestellt werden konnten und seiner Residenzpflicht nicht entsprochen hatte sowie keine Vorkehrung getroffen hatte, dass vom Gericht elektronisch gefertigte Sendungen seiner Kanzlei zugestellt werden können.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch dieses Erkenntnisses richtet sich die Berufung des Beschuldigten.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 teilte die Rechtsanwaltskammer München mit, dass der Beschuldigte zwischenzeitlich nicht mehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen wäre, sodass er auch im Inland (Österreich) nicht mehr als Rechtsanwalt tätig sein dürfte. Dieser Umstand zog nach sich, dass er auch nicht mehr der Disziplinargewalt der innerösterreichischen Organe des Rechtsanwaltsstandes unterlag (§ 17 Abs 1 EIRAG; § 23 RAO).

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 1. Juli 2015, AZ 22 Os 2/15g wurde das Verfahren daher in sinngemäßer Anwendung des § 427 Abs 2 zweiter Satz (§ 197 Abs 1) StPO iVm § 77 Abs 3 DSt abgebrochen.

Mit E Mail Nachricht an die Rechtsanwaltskammer Tirol vom 22. Juni 2015 übermittelte der Beschuldigte ein Schreiben folgenden Inhalts:

Vielen Dank für die Bestätigung mit Ihrem Schreiben vom 16. 6. 2015. Ich möchte mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, dass ich Rechtsanwalt bin und zwar ABOGADO und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Madrid. Eine amtliche Bescheinigung in beglaubigter Übersetzung aus der spanischen Sprache vom 27.07 .2012 füge ich bei.

Nach am 29. Dezember 2015 erfolgter Vorlage des Akts an den Obersten Gerichtshof wurde am selben Tag das Berufungsverfahren fortgesetzt.

Wie sich aus der von hierorts eingeholten Bestätigung der Rechtsanwaltskammer Madrid vom 1. September 2016 ergibt, ist ***** dort nicht als Mitglied eingetragen. Auch eine durchgeführte Internet-Suchabfrage auf der Homepage der Rechtsanwaltskammer Madrid erbrachte kein anderslautendes Ergebnis: Der Beschuldigte ist also weder Mitglied der Münchner noch der Madrider Rechtsanwaltskammer, kann sohin nicht unter Berufung darauf als – auch nicht als niedergelassener europäischer – Rechtsanwalt tätig werden (§ 17 Abs 4 EIRAG) und unterliegt daher nicht der innerösterreichischen Disziplinargewalt.

Das Berufungsverfahren wird daher neuerlich abgebrochen.

Die Zuständigkeit des Senats (und nicht bloß des Vorsitzenden allein) zur Entscheidung über die Verfahrensbeendigung gründet sich auf § 59 Abs 1 DSt iVm § 5 erster und zweiter Satz OGHG (25 Os 1/14f; 23 Os 4/14g).

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