10Ob78/16t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Uwe Foidl, Rechtsanwalt in Fügen, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Mag. Max Fankhauser, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse hinsichtlich beider Feststellungsbegehren jeweils 21.000 EUR), infolge „außerordentlicher“ Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. September 2016, GZ 1 R 73/16v 37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. März 2016, GZ 17 Cg 66/15w 28, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
1. Der Kläger begehrt 1. die Feststellung, dass eine zwischen den Grundstücken 1231/1 und 1230/1 je KG ***** F***** verlaufende Geländekante bzw ein Zaun die nördliche Grundstücksgrenze des Grundstücks 1231/1 darstelle und er Eigentümer der bergwärts und nördlich davon befindlichen Teilfläche sei sowie 2. die Feststellung seines Eigentums am Grundstück .1/21 KG ***** F***** samt darauf errichtetem Gebäude. In eventu begehrt er die Feststellung eines dauernden und ausschließlichen Fruchtgenussrechts (Wohnrechts) an den in Anspruch genommenen Grundstücks (teil )flächen. Als Klagegrund wird jeweils Ersitzung behauptet.
Das Berufungsgericht bestätigte die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Feststellung des Eigentums des Klägers an Grundstück .1/21 samt darauf errichtetem Gebäude und änderte die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich des ersten Festellungsbegehrens (Grenzverlauf zwischen den Grundstücken 1231/1 und 1230/1) – auch hinsichtlich des diesbezüglich gestellten Eventualbegehrens – im klageabweisenden Sinne ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands betreffend die behaupteten Rechte an der Teilfläche des Grundstücks 1231/1 (= klageabweisender Spruchteil) 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteige und betreffend die behaupteten Rechte am Grundstück .1/21 (klagestattgebender Spruchteil) hingegen 30.000 EUR übersteige. Die Revision wurde jeweils nicht zugelassen.
Gegen den klageabweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die vom Erstgericht direkt dem Obersten Gerichtshof vorgelegte „außerordentliche“ Revision des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist darüber derzeit nicht zur Entscheidung berufen.
1. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Falle des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Dann steht der Partei nur die Möglichkeit offen, gemäß § 508 ZPO einen (mit der Ausführung der Revision verbundenen) Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs an das Berufungsgericht zu stellen.
2.1 Wurden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts – wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS Justiz RS0053096).
2.2 Gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich und unabhängig von den anderen nicht bestehen kann, oder wenn sie aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS Justiz RS0037905).
2.3 Bei der Beurteilung der Frage, ob zwischen mehreren Forderungen ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang besteht, ist grundsätzlich vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS Justiz RS0106759, RS0042741 [T7]).
3.1 Im vorliegenden Fall hat der Kläger einen Zusammenhang der einzelnen Klagebegehren gar nicht behauptet, sondern hat selbst sein Interesse an der Feststellung des Eigentums am Grundstück .1/21 und an den Teilflächen des Grundstücks 1231/1 (bzw die eventualiter begehrte Feststellung seines Fruchtgenussrechts) jeweils getrennt bewertet. Es ist daher von mehreren Entscheidungsgegenständen auszugehen, die im Hinblick auf die Revisionszulässigkeit jeweils einer unterschiedlichen Beurteilung unterliegen.
3.2 Daraus folgt, dass der Kläger eine Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Feststellungsanspruch betreffend die behaupteten Rechte an einer Teilfläche des Grundstücks 1231/1 (vom Berufungsgericht mit 5.000 EUR übersteigend, nicht aber 30.000 EUR übersteigend bewertet), nur über einen Antrag nach § 508 ZPO erreichen kann.
Der Akt war somit an das Erstgericht zur gesetzmäßigen Behandlung zurückzustellen.
Eine Wiedervorlage an den Obersten Gerichtshof hat nur zu erfolgen, wenn das Berufungsgericht nach § 508 Abs 3 ZPO seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abgeändert hat.