4Ob110/16d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache A***** AG, *****, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Y***** D*****, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2016, GZ 3 R 80/15d 23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten für den Fortsetzungsantrag wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluss vom 15. Juni 2016 unterbrach der Senat das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des zu 4 Ob 31/16m gestellten Antrags an den Verfassungsgerichtshof, näher bezeichnete Bestimmungen des Glücksspielrechts aufzuheben.
Mit Beschluss vom 15. 10. 2016 zu GZ G 103 104/2016 49 ua wies der Verfassungsgerichtshof die Anträge des Obersten Gerichtshofs und anderer Gerichte aus formalen Gründen (wegen des zu engen Anfechtungsumfangs) als unzulässig zurück. Damit ist der Unterbrechungsgrund weggefallen, weswegen das Revisionsverfahren fortzusetzen war.
Mit Erkenntnis vom 15. 10. 2016 zu GZ E 945/2016 24 ua wies der Verfassungsgerichtshof mehrere Beschwerden ab, die gegen die gesetzliche Beschränkung des Glücksspiels gerichtet waren. Den Beschwerden lagen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zugrunde, in denen die Beschlagnahme und Einziehung von Glücksspielautomaten verfügt bzw Verwaltungsstrafen wegen unerlaubten Glücksspiels mit solchen Automaten verhängt worden waren. Die Beschwerdeführer, die sich den Bedenken des Obersten Gerichtshofs anschlossen, erachteten die gesetzliche Beschränkung der Zahl der Konzessionen zum Betrieb von Glücksspielautomaten als Verstoß gegen Unionsrecht. Diese Unionsrechtswidrigkeit führe wiederum zu einer gleichheits- und damit verfassungswidrigen „Inländerdiskriminierung“.
Der Verfassungsgerichtshof ging inhaltlich davon aus, dass die Bestimmungen des GSpG allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entsprechen. Insbesondere enthalte das GSpG Regelungen, die sicherstellen sollten, dass Werbemaßnahmen der Inhaber von Glücksspielkonzessionen nicht mit den Zielen dieses Gesetzes (die auch in der Vorbeugung der Spielsucht bestehen) in Konflikt geraten. Die österreichischen Bestimmungen liefen auch aufgrund ihrer tatsächlichen Auswirkungen nicht dem Unionsrecht zuwider. Das österreichische System der Glücksspielkonzessionen verstoße daher nicht gegen Unionsrecht. Für eine „Inländerdiskriminierung“, die dieses System als verfassungswidrig erscheinen ließe, bestehe somit kein Anhaltspunkt .
Zeitlich zwischen dem Anfechtungsbeschluss des Senats und den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs wurde die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. 3. 2016 zu AZ Ro 2015/17/0022 veröffentlicht, in der sich der Verwaltungsgerichtshof eingehend mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der unionsrechtlichen Zulässigkeit von Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch das GSpG auseinandersetzte. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte eine Unionsrechtswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des GSpG. Es sei belegt, dass das vom österreichischen Gesetzgeber seit langer Zeit gewählte System zur Beschränkung der Möglichkeiten, in Österreich an Glücksspielen teilzunehmen, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes sowie der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen erreiche. Die im GSpG vorgesehenen Bestimmungen eines – sich in der Realität des Glücksspielmarktes nicht auswirkenden – Glücksspielmonopols des Bundes, kombiniert mit einem Konzessionssystem unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Konzessionen betreffend Lotterien und Spielbanken sowie eines (reinen) Bewilligungssystems unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Bewilligungen betreffend Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten sowie der Bestimmungen zur Hintanhaltung von illegalem Glücksspiel (§ 52f GSpG), verfolgten in kohärenter und systematischer Weise die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern.
Nach Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen (8 ObA 47/12p). Auch in der Zusammenschau mit der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erachtet der Senat durch die inhaltliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs die unions- und verfassungsrechtlichen Fragen als hinreichend geklärt. Ungeachtet der Zurückweisung der Anträge des Senats aus formalen Gründen ging der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis über die Bescheidbeschwerden umfassend auf die Vorgaben des EuGH zur Unionsrechtskonformität von Glücksspielrechtsnormen und auch auf die vom Senat gegen die österreichische Rechtslage geäußerten Bedenken ein. Dabei wurde auch die Frage eines maßvollen Werbeauftritts der Konzessionäre behandelt, insgesamt aber eine gesamthafte Würdigung aller Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorgenommen.
Sonstige Rechtsfragen erheblicher Bedeutung liegen nicht vor. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Der Antrag der Klägerin auf Zuspruch der Kosten für den Fortsetzungsantrag war abzuweisen, weil die Fortsetzung ohnehin von Amts wegen zu erfolgen hatte und der Fortsetzungsantrag daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.