4Ob63/16t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. C***** S*****, 2. F***** H*****, 3. P***** GmbH, *****, 4. ***** Limited, Zweigniederlassung Österreich, *****, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in Wien, 5. M***** V*****, vertreten durch Heinke Skribe + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 6. P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstbeklagten und der Viertbeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Februar 2016, GZ 2 R 8/16t, 2 R 9/16i 27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
A. Das mit Beschluss vom 30. August 2016 unterbrochene Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.
B. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht hat dem Erstbeklagten und der Viertbeklagten (in der Folge: die Beklagten) mit einstweiliger Verfügung unter anderem (zusammengefasst) verboten, Geräte und Einrichtung für die Durchführung des Pokerspiels zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen, so lange sie oder der Dritte nicht über die dafür erforderliche Konzession verfügen.
Rechtliche Beurteilung
Zu A:
1. Der Senat hat zu 4 Ob 31/16m ua mit Beschluss vom 30. 3. 2016 in sechs verbundenen Verfahren, denen Sachverhalte zugrunde lagen, die mit jenem des gegenständlichen Verfahrens vergleichbar sind, die dort näher bezeichneten einzelnen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes (GSpG) und des NÖ Spielautomatengesetzes 2011 (hilfsweise die genannten Gesetze zur Gänze) beim Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig angefochten. Demnach fehlt dem Glücksspielmonopol die unionsrechtlich erforderliche Rechtfertigung, weil die Werbung für Glücksspiele durch die Konzessionäre im Ergebnis nicht ausschließlich dazu dient, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken, sondern den Zweck verfolgt, insbesondere jene Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bis dato nicht ohne weiteres zu spielen bereit sind. Aus der vom Senat angenommenen Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols folgt daher, dass die in Fallgestaltungen, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, weiter anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielrechts eine gegen Art 7 B VG verstoßende Inländerdiskriminierung begründen.
2. Mit Beschluss vom 15. 10. 2016 zu G 103 104/2016 49 ua wies der Verfassungsgerichtshof die Anträge des Obersten Gerichtshofs und anderer Gerichte als unzulässig zurück. In der Entscheidung wurde zum einen darauf verwiesen, dass der Anfechtungsumfang zu eng gewählt worden sei. Zum anderen erweise sich aber auch die Anfechtung des gesamten GSpG als unzulässig, weil verfassungsrechtliche Bedenken nicht gegen sämtliche Bestimmungen dargelegt worden seien.
3. Aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsrekursverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
4. Mit Erkenntnis vom 15. 10. 2016 zu E 945/2016 24 ua wies der Verfassungsgerichtshof mehrere Beschwerden ab, die gegen die gesetzliche Beschränkung des Glücksspiels gerichtet waren. Den Beschwerden lagen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zugrunde, in denen die Beschlagnahme und Einziehung von Glücksspielautomaten verfügt bzw Verwaltungsstrafen wegen unerlaubten Glücksspiels mit solchen Automaten verhängt worden waren. Die Beschwerdeführer, die sich den oben referierten Bedenken des Obersten Gerichtshofs anschlossen, erachteten die gesetzliche Beschränkung der Zahl der Konzessionen zum Betrieb von Glücksspielautomaten als Verstoß gegen Unionsrecht. Diese Unionsrechtswidrigkeit führe wiederum zu einer gleichheits- und damit verfassungswidrigen „Inländerdiskriminierung“.
5. Der Verfassungsgerichtshof ging inhaltlich davon aus, dass die Bestimmungen des GSpG allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entsprechen. Insbesondere enthalte das GSpG Regelungen, die sicherstellen sollten, dass Werbemaßnahmen der Inhaber von Glücksspielkonzessionen nicht mit den Zielen dieses Gesetzes (die auch in der Vorbeugung der Spielsucht bestehen) in Konflikt geraten. Die österreichischen Bestimmungen liefen auch aufgrund ihrer tatsächlichen Auswirkungen nicht dem Unionsrecht zuwider. Das österreichische System der Glücksspielkonzessionen verstoße daher nicht gegen Unionsrecht. Für eine „Inländerdiskriminierung“, die dieses System als verfassungswidrig erscheinen ließe, bestehe somit kein Anhaltspunkt.
6. Der Senat erachtet durch die inhaltliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs die unions- und verfassungsrechtlichen Fragen als hinreichend geklärt. Ungeachtet der Zurückweisung der Anträge des Senats aus formalen Gründen ging der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis über die Bescheidbeschwerden umfassend auf die Vorgaben des EuGH zur Unionsrechtskonformität von Glücksspielrechtsnormen und auch auf die vom Senat gegen die österreichische Rechtslage geäußerten Bedenken ein. Dabei wurde auch die Frage eines maßvollen Werbeauftritts der Konzessionäre behandelt, insgesamt aber eine gesamthafte Würdigung aller Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt im Sinn der Rechtsprechung des EuGH vorgenommen.
Zu B:
Die Beklagten vermögen in ihrem gegen die Provisorialverfügung des Rekursgerichts gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs keine erheblichen Rechtsfragen aufzuzeigen:
1. Unstrittig hat die Gewerbeberechtigung der Viertbeklagten zum Zeitpunkt ihrer Erteilung die Durchführung des Pokerspiels nicht umfasst; diese Einschränkung gilt auch nach dem derzeitigen Umfang der Gewerbeberechtigung.
2. Die von den Beklagten zur Begründung ihres Rechtsstandpunkts herangezogene Übergangsregelung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 in § 60 Abs 33 GSpG, wonach § 2 Abs 4 GSpG auf Pokerangebote auf Grundlage „einer gewerberechtlichen Bewilligung, die zum 31. Dezember 2012 aufrecht war, ab 1. Jänner 2017 anzuwenden“ ist, kann den Betrieb eines Pokersalons nicht rechtfertigen. Die genannte Übergangsbestimmung ist nämlich nicht dahin auszulegen, dass jede zum 31. 12. 2012 aufrechte gewerberechtliche Bewilligung, für welches Gewerbe immer (etwa auch für das Tischler- oder Rauchfangkehrergewerbe), zur Berechtigung des Betriebs eines Pokersalons bis 1. 1. 2020 führen würde. Bei vernünftiger Lesart meint § 60 Abs 33 GSpG daher nur eine solche Gewerbeberechtigung, die zum 31. 12. 2012 aufrecht war und zur Abhaltung von Pokerspielen berechtigte . Dies ist bei den Beklagten nicht der Fall.
3. Zum Einwand der Beklagten, die Klägerin verfüge selbst über keine Gewerbeberechtigung zum Betrieb von Poker, ist auszuführen, dass sich ein Rechtsbruch nicht mit der Behauptung rechtfertigen lässt, dass Mitbewerber ebenso handeln (vgl RIS Justiz RS0078014).