Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael M***** und Ramadan S***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Mai 2016, GZ 45 Hv 53/15i 172, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Michael M***** (zu I./A./, III./ und IV./) und Ramadan S***** (zu I./B./, II./ und IV./) jeweils der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB, der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2, Abs 5 Z 3 StGB und des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 (erg: Abs 2 – vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 153c Rz 6) StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie – im für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden erforderlichen Umfang dargestellt – in Wien und andernorts
I./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
A./ ...
B./ Ramadan S***** Pascal N***** durch die Vorgabe, er bzw die B***** Projektmanagement GmbH sei ein rückzahlungsfähiger und williger Vertragspartner
1./ am 23. Mai 2012 zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 23.000 Euro,
2./ am 31. Mai 2012 zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 9.000 Euro;
II./ Ramadan S***** als faktischer Geschäftsführer der C***** Sy***** GmbH in Kenntnis (US 12) „oder grob fahrlässiger Unkenntnis“ der Zahlungsunfähigkeit (bedingt vorsätzlich – US 11 f) die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft vereitelt, indem er zwischen November 2011 und Ende Mai 2012 unverhältnismäßigen, mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, weil er an Michael M***** Zahlungen in Höhe von insgesamt 40.500 Euro leistete;
III./ Michael M***** [als faktischer Geschäftsführer der C***** Sy***** GmbH – US 12] zwischen November 2011 und Ende Mai 2012 Ramadan S***** zu den zu II./ genannten strafbaren Handlungen bestimmt, indem er ihn aufforderte, die Beträge auszuzahlen;
IV./ Michael M***** und Ramadan S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter als faktische Geschäftsführer der Dienstgeberin C***** Sy***** GmbH Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten, indem sie die Beträge einbehielten und nicht abführten, und zwar
A./ zwischen Dezember 2011 und August 2012 Beiträge in Höhe von 7.716,24 Euro der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse;
B./ zwischen November und Dezember 2011 sowie Februar bis April 2012 Beiträge in Höhe von 1.483,18 Euro der Wiener Gebietskrankenkasse.
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten und die aus Z 5a und Z 9 lit a leg cit erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:
In der zu (richtig:) Schuldspruch III./ ausgeführten Mängelrüge (Z 5 zweiter, vierter Fall) erachtet der Beschwerdeführer die Feststellungen zur subjektiven Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit unbegründet und reklamiert, dass das Gericht auf das Gutachten des Sachverständigen Mag. Z*****, wonach die Zahlungsunfähigkeit seit 1. Jänner 2012 bzw Ende Dezember 2011 erkennbar gewesen sei, nicht eingegangen sei. Der Zeitpunkt der subjektiven Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit sei relevant für die Höhe des Schadens, zumal dieser für den Zeitraum ab Jänner 2012 nur 33.000 Euro und nicht wie im Urteil angenommen 40.500 Euro betrage, sodass auch die Nebenstrafe des Verfalls zu reduzieren sei.
Mit Mängel- und Tatsachenrüge sind Feststellungen nur insoweit anfechtbar, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 und Z 5a entscheidend sind (RIS-Justiz RS0196268; Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 f). Das Vorbringen zum Tatzeitraum mit dem Ziel der Reduzierung des Schadensbetrags betrifft keine entscheidende Tatsache, weil ein verkürzter Tatzeitraum und reduzierter Schadensbetrag ohne Einfluss auf die rechtliche Beurteilung der dem Schuldspruch III./ zu Grunde liegenden Taten als Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 159 Abs 2, Abs 3 Z 3 StGB sind (vgl auch RIS-Justiz RS0098557).
Wie der Beschwerdeführer in der Sanktionsrüge (nominell Z 11 erster Fall) selbst ausführt, hat das Erstgericht durch ein auf § 20 Abs 3 StGB gestütztes Verfallserkenntnis seine Strafbefugnis nicht überschritten. Der Kritik der Mängelrüge an der Höhe des Verfallsbetrags ist zu entgegnen, dass Sachverhaltsannahmen aus Z 11 zweiter Fall mangels analoger Anwendung der Verfahrens-, Mängel- oder Tatsachenrüge nicht bekämpft werden können (RIS-Justiz RS0099869; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 693).
Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) hat das Gericht durch die Zitierung (auch) des Abs 1 des § 20 StGB seine Strafbefugnis nicht überschritten, sondern – bei verständiger Lesart und im Sinn des „Abs 1 oder 2“ zitierenden Gesetzestexts des Abs 3 des § 20 StGB – bloß darauf verwiesen, dass der vom Verfallserkenntnis betroffene Geldbetrag den im Sinn von Abs 1 leg cit erlangten Vermögenswerten entspricht (vgl US 31). Die Bezugnahme auf „Abs 1“ ist demzufolge – auch mit Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot – unproblematisch (vgl RIS-Justiz RS0130833).
Soweit der Nichtigkeitswerber ohne ein auf die Schuldsprüche I./A./ und IV./ bezogenes Vorbringen die Aufhebung des gesamten angefochtenen Urteils beantragt, war darauf keine Rücksicht zu nehmen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:
Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Mit dem den Schuldspruch I./B./ betreffenden, eine Täuschungshandlung sowie seine Täuschungsabsicht bestreitenden Vorbringen unter Hinweis auf Nebenabsprachen mit dem Darlehensgeber und dessen Hintergrundwissen sowie zum behaupteten – im Übrigen im Ergebnis einen der Darlehenssumme gar nicht entsprechenden – Wert eines nicht real übergebenen Fahrzeugs, weiters mit den die Schuldsprüche II./ und IV./ betreffenden Hinweisen auf Aussagen von Zeugen zu deren Einschätzung seiner geschäftlichen Stellung in der C***** Sy***** GmbH (vgl dazu US 7 f) gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die I./B./, II./ und IV./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) hält mit dem Vorbringen, es „lag keine Täuschungshandlung des Zweitangeklagten gegenüber Pascal N***** vor“, und dem Bestreiten der Tätigkeit des Beschwerdeführers als faktischer Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens prozessordnungswidrig nicht an den getroffenen Feststellungen fest (US 10 f; RIS Justiz RS0099810; Ratz , WK StPO § 281 Rz 584, 593). Mit der Berufung auf den
Zweifelsgrundsatz bekämpft die (sich nominell ebenfalls auf Z 9 lit a stützende) Rüge (unzulässig) die tatrichterliche Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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