11Os109/16p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Moustafa H***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 22. Juni 2016, GZ 25 Hv 3/16i 197, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von weiteren gleichartigen Vorwürfen enthält, wurde der Angeklagte Moustafa H***** „des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 (idF BGBl I 2009/122), Abs 4 erster Fall FPG“ (siehe aber RIS Justiz RS0130603; vgl 11 Os 52/16f) schuldig erkannt.
Danach hat er – zusammengefasst wiedergegeben – zwischen September 2014 und Juni 2015 in N***** und andernorts gewerbsmäßig in Bezug auf eine größere Anzahl von Fremden und im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter als Mitglied einer kriminellen Vereinigung rund um im Ersturteil namentlich angeführte sowie unbekannte Personen in mehreren Angriffen die rechtswidrige Einreise von pro Schlepperfahrt zwischen acht und 30 Fremden, die über keine gültigen Reisedokumente für die Einreise oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und im Schengenraum verfügten, von der Türkei über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich und weiter nach Deutschland mit dem Vorsatz gefördert, sich und Dritte durch ein dafür geleistetes Entgelt von jeweils insgesamt mehreren tausend Euro pro Geschlepptem unrechtmäßig zu bereichern, indem die Fremden syrischer, irakischer und anderer Herkunft in Fahrzeugen aufgenommen und bis nach Österreich bzw Deutschland transportiert wurden, wobei er die Schleppungen mitorganisierte, Fahrzeuge zur Verfügung stellte, Fahrer anwarb und Schlepperlöhne entgegennahm sowie teilweise die Fahrten begleitete.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Dem Beschwerdestandpunkt zuwider besteht zwischen den Urteilsannahmen, es sei zwischen dem Angeklagten und Mittätern zu „schlepperrelevanten Telefonaten gekommen“, die „nicht in eindeutiger Weise den tatgegenständlichen Schleppungen zugeordnet werden können“ (US 5), kein
unauflösbarer Widerspruch im Sinn des dritten Falls der Z 5 (RIS-Justiz RS0119089), zumal die Tatrichter daraus lediglich den Wissensstand des Angeklagten
über die Schlepperorganisation selbst ableiteten, wobei dieser Schluss auch – mit Blick auf § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO – mängelfrei ist (RIS-Justiz RS0108609). Der Vorwurf mangelnder Erörterung einzelner Passagen der Aussagen von Zeugen in der Hauptverhandlung spricht zum einen keine entscheidenden Tatsachen an (Bezeichnung des Angeklagten als „führender Organisator“), zum anderen übersieht der Nichtigkeitswerber, dass das Gericht nicht dazu verhalten ist,
den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS Justiz RS0106642).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS011
6565, RS0117247; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 593).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet unter Wiedergabe bloß einzelner Passagen des bekämpften Urteils und unter Hinweis auf 13 Os 9/14v, das Erstgericht hätte es unterlassen, das vom Angeklagten erhaltene Entgelt mit einem „adäquaten
Fuhrlohn“ zu vergleichen, legt aber weder dar, aus welchem Grund es nach § 114 Abs 1 FPG auf einen Vorsatz auf persönliche Bereicherung bloß des unmittelbaren Täters ankommen soll (arg „sich oder einen Dritten“; vgl 14 Os 116/15p), noch welche weiteren – über die zu den von den Geschleppten gezahlten und vom Angeklagten vereinnahmten Geldbeträgen getroffenen Urteilskonstatierungen hinaus (US 7 ff) – aus Beschwerdesicht zur rechtsrichtigen Beurteilung noch erforderlich gewesen wären (RIS Justiz RS0118416, RS0118415).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.