JudikaturOGH

12Os110/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrada F***** und eine weitere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Andrada F***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 27. Jänner 2016, GZ 35 Hv 149/14g 48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch einer weiteren Angeklagten enthält, wurde Andrada F***** des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in O***** und an anderen Orten mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in einer Vielzahl von Angriffen zwischen November 2009 und Dezember 2013 die im Urteil angeführten Personen durch Täuschung über Tatsachen, und zwar über ihre Zahlungsfähigkeit und willigkeit, zu Handlungen, nämlich zur Gewährung und Zuzählung von Darlehen in der Höhe von insgesamt 96.378,18 Euro (I./) und zur Erbringung von Leistungen in der Höhe von 3.652,54 Euro (II./) veranlasst, die Gerhard Z***** und die J***** GmbH in den genannten, insgesamt 5.000 Euro überschreitenden Beträgen am Vermögen schädigten, wobei sie bei den Betrugstaten zum Nachteil des Gerhard Z***** (I./) gewerbsmäßig handelte.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 6, 9 lit b, 9 lit c und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Soweit die Rechtsmittelwerberin nach „Z 5 bzw 5a“ undifferenziert argumentiert, verkennt sie, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich die Nichtigkeitswerberin für beschwert erachtet (RIS Justiz RS0115902). Jegliche Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, gehen zu Lasten der Beschwerdeführerin (RIS Justiz RS0100183).

Das Beschwerdevorbringen gegen die tatrichterliche Einschätzung, Gerhard Z***** sei „ein überaus naiver und leichtgläubiger Charakter, der in blinder Verliebtheit und gerade unter Aufhebung seines eigenen Willens jederzeit auf Verlangen an die Erstangeklagte Zahlungen geleistet hätte“, richtet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung, ohne einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 aufzuzeigen, werden doch bloß Spekulationen über die Lebenserfahrung des Opfers angestellt und aus isoliert betrachteten Aussagepassagen eigene Schlussfolgerungen über dessen Motive gezogen.

Die – ohne Angabe der Fundstelle im Akt (RIS Justiz RS0124172) – aufgestellte Behauptung, der Zeuge Gerhard Z***** habe ausgesagt, die Zuwendungen „nicht als Darlehen“ geleistet zu haben, lässt sich dem Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 42, 47) nicht entnehmen (vgl auch ON 2 S 37: „borgen“, ON 3 S 9 ff: „Sie sagte, ich bekomme das Geld zurückbezahlt.“). Die Aussage, in der Erwartung, mit der Angeklagten „zusammen zu kommen“, Zahlungen geleistet zu haben (ON 42 S 33; vgl auch: „Das war kein Geschenk.“), steht in keinem erörterungspflichtigen Widerspruch dazu, der Angeklagten Darlehen gewährt zu haben (Z 5 zweiter Fall).

Indem die Beschwerdeführerin mit eigenständiger Beweiswürdigung und urteilskonträren Behauptungen sowie ohne die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370) die eingehend begründete Überzeugung des Schöffensenats von der Glaubwürdigkeit des Zeugen Gerhard Z***** (US 13 ff) kritisiert, übersieht sie, dass der dieser zugrunde liegende, auf dem von diesem Zeugen in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende kritisch psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS Justiz RS0106588).

Soweit Andrada F***** „im Rahmen der Z 5a“ – als Aufklärungsrüge – die Beischaffung des Akts AZ 37 Cg 34/14i des Landesgerichts St. Pölten vermisst, legt sie nicht dar, wodurch sie an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (ON 47 S 15; RIS Justiz RS0117516 [T5]). Der erst in der Nichtigkeitsbeschwerde gestellte Beweisantrag ist mit Blick auf das Neuerungsverbot unbeachtlich (vgl RIS Justiz RS0099117).

Anfechtungsgegenstand der Z 6 ist nur der zu Unrecht erfolgte Ausspruch des Schöffengerichts über seine Unzuständigkeit (§ 261 StPO). Dass die Entscheidung durch ein Gericht höherer Ordnung (vorliegend Schöffengericht statt Einzelrichter) ergangen ist, kann niemals Nichtigkeit begründen (RIS Justiz RS0099146; vgl im Übrigen § 261 Abs 1 StPO).

Die Rechtsrüge („Z 9b bzw 9c“, inhaltlich Z 9 lit c) behauptet einen Feststellungsmangel zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zwischen der Rechtsmittelwerberin und dem Zeugen Z***** im Tatzeitraum und beruft sich auf § 166 Abs 3 StGB, wonach die Angeklagte nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen wäre. Damit verfehlt die Rechtsrüge prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit, weil sie sich über die tatrichterlichen Feststellungen, wonach zwischen den Genannten nie eine Lebensgemeinschaft bestanden hat (US 8), hinwegsetzt (RIS Justiz RS0099775, RS0118580).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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