JudikaturOGH

8ObA64/16v – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Harald Kohlruss in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Barbara Auzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Kündigungsanfechtung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. August 2016, GZ 9 Ra 5/16w 64, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen konnte der Kläger unter der Voraussetzung einer intensiven, eigeninitiativen Postensuche innerhalb von vier bis fünf Monaten ab der Kündigung durch die Beklagte mit einer neuen, adäquat entlohnten Vollzeitanstellung rechnen.

Soweit der Kläger dagegen argumentiert, es sei entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts nach den teilweise dislozierten Feststellungen des Erstgerichts bloß „nicht ausgeschlossen“, dass er eine Anstellung als Lagerarbeiter erlangen könnte, versucht er neuerlich, die Beweiswürdigung zu bekämpfen und macht damit keinen gesetzmäßigen Revisionsgrund geltend. Die zitierte Formulierung findet sich zwar im Urteil des Erstgerichts, allerdings in den Ausführungen zur Beweiswürdigung, wobei sie sich nicht auf die – ausdrücklich als intakt festgestellten – Arbeitsplatzchancen des Klägers bezieht, sondern auf die abstrakte Frage, ob es ausgeschlossen ist, ohne einschlägige Berufserfahrung eine Lagerarbeiterstelle zu erlangen, wenn nach den Ausschreibungsbedingungen einschlägige Erfahrung erwartet wird.

Ob der Arbeitnehmer durch seine Kündigung eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG erleidet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, soweit die Entscheidung des Berufungsgerichts zumindest vertretbar ist.

Es ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen, insbesondere sind die Veränderung der Einkommensverhältnisse, das Vorhandensein oder Fehlen von Sorgepflichten, Kreditbelastungen, der Gesundheitszustand, das Lebensalter und die Auswirkung der Kündigung auf die Bemessungsgrundlage der zu erwartenden Pension, aber auch die Höhe der Abfertigung zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0051741). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht auch ausgegangen. Der Umstand, dass Arbeiter in manchen Bereichen rechtlich ungünstiger gestellt sind als Angestellte (hier: ex contractu), bewirkt nicht schon für sich allein eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, sondern ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.

Die Auffassung des Klägers, dass ein ungelernter Postzusteller ein wesentlich höheres soziales Ansehen genieße als ein Lagerarbeiter, erfordert keine Korrektur der jedenfalls vertretbaren Entscheidungen der Vorinstanzen.

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