JudikaturOGH

15Os86/16k – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Haxhi V***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Haxhi V***** und Gjavid A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. März 2016, GZ 42 Hv 30/15k 132, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Haxhi V***** und Gjavid A***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 StGB (I./) sowie (richtig:) der Verbrechen des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (II./1./) und nach § 153d Abs 2 und Abs 3 zweiter Fall StGB (II./2./) schuldig erkannt.

Danach haben sie in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als faktische Machthaber der M***** GmbH

I./ vom 30. Juni bis 24. Oktober 2008 Vermögen des Unternehmens, das Schuldner mehrerer Gläubiger war, beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger zumindest teilweise vereitelt, indem sie in zahlreichen Angriffen Gelder vom Bankkonto des Unternehmens bei der B***** AG durch die zeichnungsberechtigte Feodossia G***** beheben ließen und diese Gelder „in einem nicht mehr feststellbaren Umfang für unternehmensfremde Zwecke verwendeten, wobei der durch die Tat entstandene Schaden im Zweifel 300.000 Euro nicht übersteigt“;

II./ die Anmeldung von (insgesamt 317 ; US 7) Arbeitnehmern zur Sozialversicherung und deren Meldung zur Bauarbeiter Urlaubs und Abfertigungskasse in dem Wissen (US 7, 13) vorgenommen, dass in Folge der Anmeldung auflaufende Sozialversicherungsleistungen und Zuschläge nach dem Bauarbeiter Urlaubs und Abfertigungsgesetz nicht vollständig geleistet werden, wobei nachstehende Beiträge und Zuschläge nicht geleistet wurden, und zwar:

1./ von Juni 2008 bis Jänner 2009 zum Nachteil der Wiener Gebietskrankenkasse ein Betrag von 485.865,71 Euro,

2./ von Juli bis Dezember 2008 zum Nachteil der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ein Betrag von 316.328,90 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich eine vom Angeklagten V***** angemeldete „Berufung wegen Nichtigkeit“ sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****. Beide Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten V*****:

Die Nichtigkeitsbeschwerde war zurückzuweisen, weil sie ohne Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen – wenn auch unter der verfehlten Bezeichnung „Berufung wegen Nichtigkeit“ – angemeldet (ON 131 S 13) und ihre schriftliche Ausführung unterlassen wurde (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:

Dem – gegen die Annahme der tatsächlichen Machthaberschaft des Nichtigkeitswerbers über die M***** GmbH (US 5, 14) – gerichteten Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider fand die Aussage der Zeugin Feodossia G*****, wonach sie den Angeklagten A***** weder an Statur, Gesicht noch an seinen Zähnen als ihren seinerzeitigen Arbeitgeber wiedererkenne (ON 102 S 14 ff), durchaus Eingang in die tatrichterliche Beweiswürdigung, wurde aber insgesamt als nicht geeignet erachtet, ihre vor der Polizei getätigten Angaben zu den Geschäftsführern der M***** GmbH (ON 21 S 65 ff) sowie die Schilderungen jener Zeugen (insbesondere Mehmet A*****, Selami T***** und Smail Z*****) zu widerlegen, die den Angeklagten A***** als Geschäftsführer der M***** GmbH (namens „David“) identifizierten (US 9 und 10).

Inwiefern der in der Hauptverhandlung am 19. August 2015 vorgelegte (undatierte) Arztbrief über eine radiologische und klinische Untersuchung des Gebisses des Angeklagten A***** (ON 60 S 14; Beil A./), der einen vollständig vorhandenen Zahnstand des Oberkiefers sowie das Fehlen von Goldgussfüllungen im Unterkiefer bestätigt, diesen Erwägungen erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollte, wird nicht klar. Das Rechtsmittel unternimmt damit bloß den Versuch, anhand eigenständiger Rückschlüsse daraus die zur Täterschaft des Nichtigkeitswerbers angestellte Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen.

Die Depositionen der Zeugen Bajram I*****, David J*****, Banchong K***** und Rashica Me***** (ON 124 S 14 ff) wurden – der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider – ebenfalls einer dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechenden zusammenfassenden Würdigung mit dem Ergebnis unterzogen, dass diesen Aussagen kein zur Aufklärung des Sachverhalts beitragender Beweiswert zugemessen wurde (US 10 f). Dementsprechend war das Gericht auch nicht verhalten, einzelne (in der Beschwerde isoliert herausgegriffene) Passagen der Angaben dieser Zeugen einer besonderen Gewichtung zu unterziehen (RIS Justiz RS0106295).

Es besteht auch kein logischer Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den (zu I./ getroffenen) Feststellungen, wonach die Angeklagten – auf ihre Anweisung von G***** vom Unternehmenskonto behobene – Gelder für unternehmensfremde Zwecke verwendeten, dadurch das Vermögen der Gesellschaft verringerten und die Befriedigung deren Gläubiger zumindest teilweise vereitelten (US 6), und der Darstellung, dass bei im Tatzeitraum erfolgten Barbehebungen über 416.888,71 Euro die Verwendung nicht bekannt und nicht festzustellen ist, in welcher Höhe diese für unternehmensfremde Zwecke verwendet wurden (US 6, 11), stellte das Erstgericht doch klar, dass sich die Angeklagten den Betrag von 416.888,71 Euro nicht zur Gänze, sondern lediglich in einem 300.000 Euro nicht übersteigenden Ausmaß zugeeignet und dolos verwendet haben (US 11, 14).

Diese (zuletzt genannte) Annahme wurde mängelfrei (Z 5 vierter Fall) auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Mag. Z***** betreffend den – für den Betrag von 416.888,71 Euro fehlenden – Bestimmungszweck sowie auf den Umstand gestützt, dass zu späteren Zeitpunkten nicht unerhebliche Beträge auf dem Privatkonto des Angeklagten V***** einlangten (US 11). Dass dem Nichtigkeitswerber diese Argumentation nicht überzeugend genug erscheint und er selbst andere, für ihn günstigere Schlüsse aus den Verfahrensresultaten präferiert, bildet kein Begründungsdefizit (RIS-Justiz RS0098400) .

Der von den Tatrichtern (zu I./) vorgenommene Schluss vom äußeren Verhalten auf die subjektive Tatseite (US 7 und 12) ist unter dem Aspekt zureichender Begründung nicht zu beanstanden (RIS Justiz RS0098671).

Indem die (zu I./ erhobene) Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur Subjektqualität der M***** GmbH als Schuldner mehrerer Gläubiger (vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 5a) vermisst, dabei aber ausblendet, dass die Gesellschaft ein Mietverhältnis unterhielt (US 5), Dienstnehmer beschäftigte (US 6), der Wiener Gebietskrankenkasse Beiträge sowie der Bauarbeiter Urlaubs und Abfertigungskasse Zuschläge nach dem BUAG schuldete (US 7 ff), verfehlt sie den in der Gesamtheit der Urteilsannahmen gelegenen Bezugspunkt (RIS Justiz RS0099810).

Die weitere Behauptung des Fehlens von Konstatierungen „ob und welche Gläubiger in ihrer Befriedigung beeinträchtigt wurden“, spricht – zumal lediglich für die Abgrenzung von versuchter und vollendeter betrügerischer Krida relevant – keinen subsumtionsrelevanten Aspekt an (vgl RIS Justiz RS0122137 [T6]).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Gerneralprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise