15Os48/16x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander N***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 9. Juli 2015, GZ 12 Hv 31/13b 159, ferner über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Alexander N***** der Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB (I.), des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 iVm Abs 5 Z 3 StGB (II.), des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (III., IV. und V.) sowie des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (VI.) jeweils idF vor BGBl I 2015/112 schuldig erkannt.
Danach hat er – zusammengefasst und soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in T***** und andernorts
II.) grob fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, dass er entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens einen übermäßigen, mit seinen Vermögensverhältnissen und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand betrieb, indem er am 1. Oktober 2008 bei der S***** GmbH Co KG eine Infrarot Kabine zum Preis von 14.165 Euro für seine Privatliegenschaft bestellte;
III.) von Jänner 2009 bis Ende April 2010 Verfügungsberechtigte von neun im Urteil genannten Unternehmen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von (überwiegend) schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und willigkeit zur (im Urteil näher beschriebenen) Lieferung von Waren und Erbringung von Leistungen verleitet, die die Unternehmen in dem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag von 186.070,87 Euro schädigten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Schuldsprüche wendet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Zu II.) bestreitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Anstellung eigenständiger beweiswürdigender Erwägungen zur finanziellen Lage des Angeklagten im Tatzeitraum (Gründung eines neuen Unternehmens in Deutschland, Vorhandensein von lediglich zwei offenen Forderungen) das Vorliegen grob fahrlässigen Verhaltens des Angeklagten, hält aber nicht – wie dies bei Geltendmachung materiell rechtlicher Nichtigkeit erforderlich wäre (RIS Justiz RS0099810) – an der Gesamtheit der tatrichterlichen Feststellungen zur im Oktober 2008 bestehenden Ertragslage sowie den Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens des Angeklagten fest (US 25 f, 61 ff) und legt nicht dar, weshalb die („in keiner Weise notwendige“; US 25) Anschaffung einer Infrarotkabine nicht als ein damit in auffallendem Widerspruch stehender Aufwand (vgl dazu Kirchbacher in WK 2 StGB § 159 Rz 50) anzusehen wäre.
Weshalb zur abschließenden Beurteilung über die Urteilsannahmen hinaus Konstatierungen notwendig wären, inwieweit „Kreditrahmen und dergleichen vorhanden waren“ (vgl aber US 13, 15 f), bleibt gleichfalls offen.
Entgegen der zu III.) erhobenen Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht bei der Beweiswürdigung zu seinen – im Übrigen nicht entscheidenden, weil keine notwendige Bedingung für die Konstatierung des „Betrugsvorsatzes“ (RIS Justiz RS0116737; vgl US 66–99) bildenden – Annahmen zur Ausschöpfung des dem Angeklagten eingeräumten Kreditrahmens im Jahr 2009 mit den Aussagen des Sachverständigen Dr. K***** (ON 158 S 11 f) und des Zeugen E*****, Vorstandsdirektor der kreditgebenden Bank (ON 119 S 6 ff), auseinandergesetzt (US 15 ff, 30 f, 59 f, 72), jedoch andere Schlüsse daraus gezogen als der Rechtsmittelwerber (vgl RIS-Justiz RS0098471). Zu einer Erörterung sämtlicher Details der Angaben waren die Tatrichter – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht gehalten (RIS Justiz RS0106642).
Soweit die Beschwerde Erinnerungsdefizite und Unsicherheiten des Zeugen E***** in ihrem Sinn interpretiert und davon ausgehend behauptet, die dem Angeklagten gewährte Kreditlinie sei erst Anfang 2010 erschöpft worden, verbleibt sie im Bereich einer Kritik an der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld, ohne jedoch einen nichtigkeitsrelevanten Begründungsmangel aufzeigen zu können.
Auch mit der Forderung, eine Aussage sei im Zweifel zugunsten des Angeklagten in einem bestimmten (für ihn günstigen) Sinn zu verstehen („in dubio pro reo“), wird keine Nichtigkeit nach Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dargetan (RIS Justiz RS0102162).
Die Aussage des Zeugen E*****, wonach noch im Dezember 2009 eine Zahlung an den Gläubiger des Unternehmens H***** durch die Bank erfolgte (ON 119 S 17), war nicht gesondert erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall), zumal derselbe Zeuge auch angab, die Bank sei vom Angeklagten nicht darüber informiert worden, dass darüber hinaus noch andere Forderungen bestanden (ON 119 S 19). Indem die Rüge durch eigene Beweiswerterwägungen eine „weitere Zahlungswilligkeit der Bank auch noch bis ins Jahr 2010“ zu konstruieren sucht und auf Basis dieser Annahme die subjektive Tatseite verneint, kritisiert sie neuerlich bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter.
Soweit der Rechtsmittelwerber „entsprechende Erhebungen“ durch den Sachverständigen einmahnt (der Sache nach Z 5a), legt er nicht dar, wodurch er gehindert gewesen wäre, einen zweckentsprechenden Beweisantrag in der Hauptverhandlung zu stellen (RIS Justiz RS0115823).
Welcher über die zu III.) getroffenen Feststellungen zur fehlenden Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Angeklagten (generell: US 35 zweiter Abs sowie zu den einzelnen Fakten: US 35 bis 43) hinausgehenden Annahmen zur Liquiditätssituation des Unternehmens (US 28 ff) es bedurft hätte, zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht auf. Gleiches gilt für den Beschwerdeansatz, wonach zwischen projektbezogenen und sonstigen unternehmerischen Verbindlichkeiten zu unterscheiden wäre (zum einheitlichen Haftungsfonds bei einem Einzelunternehmer s RIS Justiz RS0094756). Mit der Wiederholung der Verantwortung des Angeklagten zur allfälligen Möglichkeit der Ausschöpfung noch bestehender Kreditrahmen und der Verwendung eingehender Mietzinse (vgl aber US 13, 31) bekämpft die Beschwerde neuerlich bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.