JudikaturOGH

11Os86/16f – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mahmud J***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 26. April 2016, GZ 19 Hv 12/16d 22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er sich von Sommer 2013 bis Ende 2014 in Syrien als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich an der Terrororganisation „IS Islamic State“ (kurz: „IS“), bei der es sich um einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen handelt, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, im Wissen, dass er dadurch den „IS“ und dessen strafbare Handlungen, auch die Ausbeutung der besetzten Gebiete durch Finanzierung fördert, beteiligt, indem er als Zwischenhändler Rohöl (US 3) aus dem vom „IS“ kontrollierten Gebiet um Raqqa ankaufte und auf dem Schwarzmarkt gewinnbringend veräußerte.

Dagegen richtet sie die aus Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der „Widersprüchlichkeiten“ (Z 5 dritter Fall) reklamierenden Mängelrüge ist vorweg zu erwidern, dass bei Geltendmachung der Z 5 die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen ist (RIS Justiz RS0119370, RS0116504) und formelle Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend zu machen sind. Von Letzteren ist die Rede, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Entscheidungsgründen die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder – im Fall gerichtlicher Strafbarkeit – darüber beeinflusst, welche strafbare(n) Handlung(en) begründet werde(n) (RIS Justiz RS0117264). Davon zu unterscheiden sind erhebliche Tatsachen, also solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung, also erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) sind. Allerdings können einzelne dieser erheblichen Umstände, die erst in ihrer Zusammenschau die Grundlage für die bekämpfte Feststellung bilden, isoliert unter dem Aspekt der Z 5 nicht bekämpft werden, außer die Tatrichter hätten darin – was hier nicht der Fall ist –erkennbar eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickt (RIS Justiz RS0116737).

Indem die Mängelrüge eine Passage der Entscheidungsgründe hervorhebt, wonach nicht von Rohöl, sondern von „Treibstoffen“ die Rede sei (US 4), vorbringt, dass diese vom „IS“ nicht verhandelt würden und solcherart einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu den Feststellungen zum Handel des Mahmud J***** mit Rohöl behauptet (US 3), dabei aber übergeht, dass der Schöffensenat an anderer Stelle klar stellte, der Verantwortung des Angeklagten, wonach er lediglich aus staatlich kontrollierten Beständen Diesel angekauft habe, nicht zu folgen (US 5), bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung.

Indem der Beschwerdeführer auf seine leugnende Verantwortung verweist und dem vom Erstgericht als Zeugen vernommenen Dolmetscher (vgl ON 21 S 22 ff) das Ermittlungsverfahren betreffende Übersetzungsfehler vorwirft (Z 5a), gelingt ihm nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken. Tatbestandsmäßige Beteiligung würde im Übrigen auch bei Ankauf raffinierter Erdölprodukte, die der „IS“ ausbeuterisch erlangte (US 3), vorliegen.

Soweit sich die Tatsachenrüge in beweiswürdigenden Spekulationen abseits der Aktenlage erschöpft, verlässt sie den Anfechtungsrahmen (RIS Justiz RS0119424).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt den

Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810), indem sie Feststellungen dazu vermisst, welche Vermögenswerte dem „IS“ in welcher Höhe zugeflossen seien, dabei aber die genau dazu getroffenen Urteilsannahmen übergeht (US 3 f).

Weshalb der festgestellte Ankauf des unrechtmäßig, und zwar durch Ausbeutung der besetzten Gebiete, in Besitz genommenen Rohöls bei gleichzeitigem Wissen der Finanzierung der terroristischen Aktivitäten durch den Erdölhandel (US 3 f) dem Tatbestandsmerkmal der Beteiligung an der terroristischen Vereinigung durch Bereitstellung von Vermögenswerten nicht genügen sollte, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz.

Mit Spekulationen zu einem

Verbotsirrtum zufolge der syrischen Staatsangehörigkeit des Angeklagten verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit b) die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0122332).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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