JudikaturOGH

15Os54/16d – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Juli 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred F***** und Dietmar F***** wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 13 Hv 9/12d des Landesgerichts St. Pölten, über den Antrag der Genannten auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. Dezember 2012, GZ 13 Hv 9/12d 124, wurden Alfred F***** und Dietmar F***** jeweils des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt, zu teilbedingten Freiheitsstrafen sowie zur Zahlung von 500 Euro zur ungeteilten Hand, Dietmar F***** darüber hinaus zur Zahlung von weiteren 32.120 Euro an den Privatbeteiligten Anton T***** verurteilt. Gemäß § 20 StGB idF BGBl I 2002/134 wurde bei den Genannten jeweils ein Betrag von 140.000 Euro an unrechtmäßiger Bereicherung abgeschöpft.

Nach dem Schuldspruch haben – soweit für die Entscheidung über den Erneuerungsantrag relevant – Alfred F***** und Dietmar F***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) am 18. Juli 2005 in S***** im Notariat Dr. B***** im Zuge einer Vertragsunterzeichnung, als Anton T***** noch um Bedenkzeit bat, mit dem Vorsatz, sich und Dritte durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, den Genannten durch im Urteil näher beschriebene gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit zu einer Handlung genötigt, die diesen am Vermögen schädigte, und zwar zur Unterfertigung des für ihn ungünstigen Kaufvertrags über seine Landwirtschaft zu einem Kaufpreis von 10.000 Euro zuzüglich Zahlung einer monatlichen Leibrente in der Höhe von 300 Euro, wobei der Kaufpreis samt Leibrente in krassem Missverhältnis zum Wert der Liegenschaft stand.

Das Abschöpfungserkenntnis gründete das Erstgericht ausgehend von einem Schaden von 304.600 Euro abzüglich der Grunderwerbsteuer von 3,5 % sowie einer Vertragserrichtungsgebühr (unbekannter Höhe) auf eine Bereicherung von insgeamt 280.000 Euro (US 71 f).

Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Angeklagten gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 4. Dezember 2013, GZ 17 Bs 141/13d (ON 135), nicht Folge.

Mit Antrag vom 4. Dezember 2015 (ON 227) begehrten die Verurteilten die Änderung des Ausspruchs über die Abschöpfung der Bereicherung gemäß § 31a Abs 3 StGB sowie die Aufhebung der mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 10. August 2011 (ON 64) erfolgten Beschlagnahme durch Veräußerungs und Belastungsverbot betreffend die Liegenschaft GB ***** EZ 30, weil sich aus einem im Versteigerungsverfahren AZ 10 E 1/15i des Bezirksgerichts St. Pölten eingeholten Verkerhrswertgutachten des Sachverständigen DI M***** eine Liegenschaftsbelastung durch ein Ausgedinge mit 110.300 Euro ergebe, die T***** im Zivilverfahren AZ 7 C 409/13h des Bezirksgerichts St. Pölten zuerkannten Ansprüche weitere Abzüge bedingten und überdies ein Wertverlust der Liegenschaft, darauf errichtete Superädifikate und getätigte Investitionen zu berücksichtigen wären.

Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 24. Februar 2016 (ON 232) wurde die Abschöpfung der Bereicherung auf jeweils 84.850 Euro gemildert und der Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme der Liegenschaft abgewiesen.

Begründet führte das Gericht aus, dass sich nunmehr wegen des Ausgedinges ein Abzug von 110.300 Euro ergebe, woraus sich eine eingetretene Bereicherung von 169.700 Euro (84.850 Euro je Verurteilten) errechne. Eine Aufhebung des Veräußerungs und Belastungsverbots komme nicht in Betracht, weil dieses weiterhin der Sicherung der Einbringung des abgeschöpften Betrags sowie des Privatbeteiligtenzuspruchs diene.

Dagegen richtete sich die Beschwerde der Antragsteller (ON 233), die abermals auf die T***** im Zivilverfahren AZ 7 C 409/13h des Bezirksgerichts St. Pölten zuerkannten Ansprüche hinwies, Berechnungen über künftig zu zahlende Versorgungsbeträge anstellte und die Voraussetzungen des Veräußerungs und Belastungsverbots verneinte.

Das Oberlandesgericht Wien gab dieser Beschwerde mit Beschluss vom 14. April 2016, AZ 17 Bs 79/16s, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antrag der Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a Abs 1 StPO per analogiam).

Für einen nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag (RIS Justiz RS0122228) gelten alle gegenüber diesem normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen (Art 34 und 35 MRK) sinngemäß (RIS Justiz RS0122737). Damit kann auch der Oberste Gerichtshof erst nach Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art 35 Abs 1 MRK) angerufen werden. Diesem Erfordernis wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach sowie in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; RIS Justiz RS0122737 [T13]).

In Ansehung der geltend gemachten Verletzung des Grundrechts auf Eigentum bleibt im vorliegenden Fall das zuletzt genannte Anfechtungskriterium unbeachtet:

Denn ein Verstoß gegen Art 1 1. ZPMRK wird – auch der Sache nach – erstmals im Erneuerungsverfahren behauptet. Die Antragsteller hätten sohin bereits im Beschwerdeverfahren nicht nur auf einfachgesetzlicher Ebene argumentieren dürfen, sondern eine Verletzung des nunmehr angesprochenen Grundrechts relevieren müssen. Ihre Beschwerde (ON 233) beschränkt sich darauf, die Bewertung des Ausgedingerechts in Frage zu stellen und zu behaupten, das Erstgericht hätte weitere Verpflichtungen der Antragsteller gegenüber dem Opfer berücksichtigen müssen und es hätte betreffend das Veräußerungs und Belastungsverbot gegen § 115 Abs 5 und 6 StPO verstoßen. Damit wurde aber nicht einmal konkludent dargetan, in welchem Grundrecht konkret sich die Beschwerdeführer verletzt erachteten (vgl 13 Os 16/09s = EvBl 2009/77, 512).

Betreffend den Vorwurf der Missachtung des Art 6 MRK durch die Beschwerdeentscheidung ist der Antrag nicht berechtigt:

Die hier ins Treffen geführte Verletzung der Begründungspflicht liegt aus dem Blickwinkel des Art 6 Abs 1 MRK nur bei willkürlichen oder grob unvernünftigen Urteils oder Beschlussannahmen vor. Dies wäre dann der Fall, wenn die Begründung eindeutig unzureichend, offensichtlich widersprüchlich ist oder eindeutig einen Irrtum erkennen lässt (RIS Justiz RS0129981).

Indem die Erneuerungswerber den schlüssigen und auf sämtliche Beschwerdeargumente eingehenden Ausführungen des Oberlandesgerichts nur eigene Auffassungen entgegenhalten, wird ein solcher qualifizierter Begründungsmangel nicht aufgezeigt (RIS Justiz RS0124359).

Soweit sich der Erneuerungsantrag gegen die mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 6. Dezember 2012 erfolgte (und vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 4. Dezember 2013 bestätigte) Verurteilung richtet, ist er mangels Einhaltung der Sechsmonatefrist des Art 35 Abs 1 MRK (RIS Justiz RS0122737 [T4]) verspätet.

Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 2 und 3 StPO).

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