JudikaturOGH

1Ob27/16a – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der M***** Z*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Sachwalters Dr. J***** B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. November 2015, GZ 15 R 416/15z 123, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 1. September 2015, GZ 6 P 45/09b 120, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung, ob anstelle des bestellten Sachwalters ein anderer herangezogen werden soll, hat grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS Justiz RS0117813 [T2]). Ebenso wirft die Frage, ob die im Einzelfall vorgetragenen Argumente eines Rechtsanwalts, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach die konkrete Sachwalterschaft unzumutbar ist, gerechtfertigt sind, im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS Justiz RS0123440 [T9]).

Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS Justiz RS0117813 [T1]). Das „Wohl“ des Betroffenen ist nach der Rechtsprechung nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern es ist auch auf die Befindlichkeit und den psychischen Zustand des Betroffenen abzustellen. Allgemein ist eine stabile Betreuungssituation wünschenswert, weshalb es nur aus besonderen Gründen zu einer Sachwalterumbestellung kommen soll (3 Ob 196/14s mwN; RIS Justiz RS0117813 [T7, T10]).

2. Ein – ungeachtet dieser Grundsätze – vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierender Fehler der angefochtenen Entscheidung liegt nicht vor.

3. Nach § 278 Abs 1 AußStrG hat das Gericht die Sachwalterschaft unter anderem dann einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amts nicht zugemutet werden kann oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. Rechtsanwälte müssen gemäß § 274 Abs 2 ABGB Sachwalterschaften grundsätzlich übernehmen. Ablehnungsgründe sind in erster Instanz konkret geltend zu machen (RIS Justiz RS0123440).

4. Eine fehlende Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und die dadurch erschwerte Kommunikation im Verhältnis zum Sachwalter sind ein nahezu klassisches Problem bei der Übernahme von Sachwalterschaften für psychisch kranke Personen. Derartige Umstände bewirken – ebensowenig wie lediglich verbalaggressives Verhalten der behinderten Person – für sich alleine nicht die Unzumutbarkeit der Übernahme der Sachwalterschaft für einen Rechtsanwalt (RIS Justiz RS0123572).

Dem Sachwalter ist durchaus zuzugestehen, dass sich die Führung der Sachwalterschaft angesichts der von der Betroffenen im Anlassfall gebrauchten Kraftausdrücke schwierig gestaltet. Diese schwierige Situation würde sich auch bei Bestellung einer anderen Person zum Sachwalter grundsätzlich nicht ändern (vgl 6 Ob 129/12g). Die Anschuldigungen, die eine Kommunikation mit der Betroffenen schwierig machen, resultieren aus deren Persönlichkeitsstruktur. Ein konkret gar nicht behauptetes Vorgehen des Sachwalters gegen die Betroffene wegen der Beleidigung zeigt keinen Interessenkonflikt auf. Aus dem vom Sachwalter geschilderten einmaligen Vorfall kann auch keine nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und der behinderten Person abgeleitet werden.

5. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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