3Ob38/16h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen (restlicher) 8.160 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Dezember 2015, GZ 2 R 105/15b 21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Reutte vom 3. Februar 2015, GZ 3 C 105/14i 14, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.371,22 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 728,54 EUR an USt) sowie die mit 3.610,56 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 374,76 EUR an USt und 1.362 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Revisionsverfahren über die vom Verpächter erhobene Mietzins und Räumungsklage ist nurmehr strittig, ob die beklagte Pächterin dem Kläger Versicherungsprämien für die Jahre 2013 und 2014 von zusammen 8.160 EUR sA als Betriebskosten schuldet und ob insoweit ein qualifizierter Rückstand gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB zu bejahen ist. Die folgende Wiedergabe beschränkt sich daher auf den dafür relevanten Akteninhalt.
Der Kläger als Eigentümer und Verpächter schloss mit der Beklagten als Pächterin über den S*****hof samt Fremdenzimmervermietungsbetrieb am 24. Jänner 2013 einen Pachtvertrag dessen Punkt „IV. Pachtzins/Betriebskosten“ ua lautet wie folgt:
„ [...] Hinsichtlich der Betriebskosten kommen die Parteien überein, dass die Pächterin dem Verpächter sämtliche Betriebskosten (Strom [...]) zu ersetzen hat. Sollte eine Direktabrechnung zwischen der Pächterin und den jeweiligen Versorgungsunternehmen möglich sein, verpflichtet sich die Pächterin zu diesbezüglichen Direktzahlungen. Ansonsten muss der Verpächter ihm gegenüber abgerechnete Betriebskosten aller Art diese der Pächterin spätestens innerhalb von 2 Wochen nach Rechnungserhalt unter Vorlage von Abrechnungsunterlagen bekannt geben, woraufhin die Pächterin innerhalb von weiteren 2 Wochen die Rückerstattung dieser Beträge an den Verpächter vorzunehmen hat.
Der Verpächter bestätigt, das Pachtobjekt im Rahmen einer Haushaltsversicherung, ferner gegen Feuer, Sturm, Glasschäden und Einbruch versichert zu haben und ist berechtigt, die anteiligen Versicherungsleistungen als Betriebskosten der Pächterin zu überbinden. [...] “
Der Kläger begehrte zuletzt Zahlung von 39.944,66 EUR sA (an aushaftenden Pachtzinsen und Betriebskosten einschließlich Versicherungsprämien) und Räumung nach § 1118 zweiter Fall ABGB. Er berief sich in der Klage zu den Versicherungsprämien auf die Abrechnung Nr 6692 vom 24. Juni 2014 (Beilage ./E, mit der „Betriebskosten laut beiliegender Versicherungsurkunde“ für die Jahre 2013 und 2014 von je 5.592,86 EUR in Rechnung gestellt wurden, wobei der vorgelegten Urkundenkopie keine Belege angeschlossen waren). Mit dem im ERV am 25. November 2014 eingebrachten Schriftsatz schränkte der Kläger das Klagebegehren wegen der Versicherungsprämie 2014 auf (näher aufgeschlüsselte) 4.376,35 EUR ein und legte (ua) drei Urkunden in Kopie vor, nämlich die „Versicherungsurkunde T552000176, 2013 vom 08. 12. 2012 samt Zahlungsnachweis“ über 5.592,86 EUR (Beilage ./J), die „Versicherungsurkunde T552000176, 2014 vom 05. 04. 2014 samt Zahlungsnachweis“ über 4.133,48 EUR (Beilage ./O) und die „Nachtragsprämie zu Versicherungsurkunde T552000176 vom 05. 04. 2013 bis 30. 04. 2014 samt Zahlungsnachweis“ über 242,87 EUR (Beilage ./P).
Die Beklagte wendete ua ein, es sei mit dem Kläger vereinbart worden, dass er in bestimmtem Umfang die von ihm abgeschlossenen Versicherungsverträge stilllegen und die dann verbleibenden Prämien selbst bezahlen werde, sodass sie keine Prämien schulde; es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die jährliche Prämie dennoch 5.592,86 EUR betrage, weshalb der Kläger Einzahlungsbestätigungen vorzulegen habe. Der Kläger sei gemäß Punkt IV. des Pachtvertrags verpflichtet, Betriebskosten aller Art innerhalb von zwei Wochen nach Rechnungserhalt unter Vorlage von Abrechnungsunterlagen bekannt zu geben, was zu allen nun geforderten Betriebskosten bisher nicht geschehen sei. Ohne vereinbarungsgemäße Vorschreibung bestehe die Prämienforderung auch mangels Fälligkeit nach wie vor nicht zu Recht.
Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende weitere Feststellungen:
Das Pachtobjekt und sein Inventar waren ursprünglich zur Gänze über den Kläger versichert. Anlässlich der Verpachtung an die Beklagte kontaktierte der Kläger seinen Versicherungsvertreter und kam mit diesem überein, dass das Gebäude und die Betriebseinrichtung versicherungstechnisch beim Kläger verbleiben, dass also der Kläger dafür die Prämie zahlen solle. Hingegen sollten die Versicherung der Betriebshaftpflicht, der Waren und Vorräte, wegen Einbruchsdiebstahls und wegen Betriebsunterbrechung fortan auf die Beklagte lauten und die darauf entfallenden Prämien auch direkt der Beklagten vorgeschrieben werden. Betragsmäßig entfielen Prämien von jährlich 4.080 EUR auf den Kläger und 1.083,90 EUR auf die Beklagte. Das wurde auch so mit der Beklagten vereinbart. Mit der Vorgangsweise waren sowohl der Kläger als auch die Beklagte einverstanden; der Kläger hat somit wirksam auf die Geltendmachung der auf ihn entfallenden Prämienanteile gegenüber der Beklagten auf die Dauer des Pachtvertrags verzichtet. Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte vorprozessual Zahlungsaufforderungen oder sonstige Belege des Klägers bezüglich ausständiger Zahlungen von Versicherungsprämien erhielt. Die auf sie entfallende Prämie hat die Beklagte direkt an die Versicherung bezahlt.
Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass sich der Kläger bereit erklärt habe, einen Teil der Versicherungslasten selbst zu tragen, wodurch er bindend auf die Überwälzung auf die Beklagte verzichtet habe. Da kein (qualifizierter) Zahlungsverzug vorliege, fehle es an den Voraussetzungen für eine vorzeitige Auflösung des Pachtverhältnisses, weshalb auch das Räumungsbegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung eines Zahlungsbegehrens von 31.784,36 EUR sA, änderte das Ersturteil im übrigen jedoch dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von 8.160 EUR sA sowie zur Räumung verpflichtete.und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Nach Beweiswiederholung übernahm es die oben unterstrichen und kursiv wiedergegebene Feststellung des Erstgerichts nicht und ersetzte sie wie folgt: Der Kläger erklärte nicht, gegenüber der Beklagten auf den Ersatz der ihm in Bezug auf das Pachtobjekt vorgeschriebenen und von ihm bezahlten Versicherungsprämien zu verzichten.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, der Kläger habe sein Räumungsbegehren konkret auch auf rückständige Betriebskosten in Form von Versicherungsprämien (wenn auch überhöht) gestützt und durch Fortführung des Prozesses eine Aufhebungserklärung abgegeben. Die Fälligkeit der nach wie vor nicht bezahlten Prämien sei mit dem auf die Klagezustellung folgenden Tag eingetreten. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, wegen der ziffernmäßig nicht richtigen Einforderung gar nichts zu bezahlen und damit dennoch den Aufhebungsgrund des § 1118 zweiter Fall ABGB nicht zu verwirklichen. Wegen des qualifizierten Verzugs mit der Zahlung der Prämien sei sowohl das Leistungsbegehren von 8.160 EUR als auch das Räumungsbegehren berechtigt.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung iSd Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt. Die Rechtsmittelwerberin macht ua geltend, das Berufungsgericht habe die Fälligkeit der Forderung an Versicherungsprämien unrichtig beurteilt.
Der Kläger brachte – ohne Freistellung – eine Revisionsbeantwortung ein, in der er die Zulässigkeit der Revision bestreitet und deren Argumente bekämpft.
Die Revision ist zulässig und berechtigt , weil die – unzutreffende – Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Prämienforderung des Klägers sei mit dem die Klagezustellung folgenden Tag fällig geworden, wodurch die Beklagte damit in qualifizierten Verzug iSd § 1118 zweiter Fall ABGB geraten sei, korrigiert werden muss.
Rechtliche Beurteilung
1. Entgegen dem aktenwidrigen Einwand in der Revisionsbeantwortung bestritt die Beklagte bereits in erster Instanz das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt der Fälligkeit der Betriebskostenforderung an Versicherungsprämien mangels vereinbarungsgemäßer Vorschreibung (ON 7 und 12); dies aus folgenden Gründen völlig zu Recht:
2. Auch nach der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung, wonach der Kläger nicht auf die Überwälzung der Versicherungsprämien (mündlich) verzichtete, blieb die Regelung im schriftlichen Pachtvertrag aufrecht, dass er als Verpächter berechtigt ist, die anteiligen, dh (nur) die auf die aufgezählten Versicherungssparten entfallenden Prämien als Betriebskosten der Pächterin zu überbinden. Damit kommt aber der weitere Inhalt des Pachtvertrags zu den Betriebskosten zum Tragen, wonach der Kläger dazu verpflichtet ist, ihm gegenüber abgerechnete Betriebskosten aller Art der Beklagten spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Rechnungserhalt „unter Vorlage von Abrechnungsunterlagen“ bekannt zu geben; ab diesem Zeitpunkt steht der Beklagten eine Zahlungsfrist von ebenso zwei Wochen zur Verfügung, um die Rückerstattung dieser Beträge an den Kläger vorzunehmen.
Die Fälligkeit der vertraglich vereinbarten Ersatzpflicht der Beklagten tritt daher vereinbarungsgemäß erst zwei Wochen nach dem Zugang einer Vorschreibung der geforderten Beträge bei der Beklagten ein, die mit der Vorlage von Abrechnungsbelegen (dh von Nachweisen zur Art und Höhe der begehrten Betriebskosten und zu deren Bezahlung durch den Kläger) verbunden sein muss.
3. Nach der vom Erstgericht dazu getroffenen Negativfeststellung ist dem Kläger der Nachweis des Zugangs einer vorprozessualen Zahlungsaufforderung samt Belegen an die Beklagte nicht gelungen.
4. Im Prozess machte der Kläger zwar schon in der Klage vom 3. September 2014 Betriebskosten ua an Versicherungsprämien für die Jahre 2013 und 2014 geltend und legte dazu auch eine Abrechnung vor (Beilage ./E); diese Urkunde umfasste allerdings keine Belege und entspricht daher nicht den im Punkt IV. des Pachtvertrags festgelegten Anforderungen. Sie konnte deshalb weder die zweiwöchige Zahlungsfrist für die Beklagte noch die Fälligkeit der hier strittigen Betriebskostenforderung auslösen.
5. Schließlich legte der Kläger mit dem am 25. November 2014 eingebrachten Schriftsatz vom Vortag (ON 11) fotokopierte Belege einschließlich Zahlungsnachweisen zu den Versicherungsprämien vor (Beilagen ./J, ./O und ./P). Es kann aber aus folgenden Gründen dahin gestellt bleiben, ob damit eine iSd Pachtvertrags taugliche Bekanntgabe von Betriebskosten erfolgte:
Mangels entsprechender anderslautender Behauptungen des Klägers ist davon auszugehen, dass die Beklagte/ihr Vertreter diese Urkunden frühestens am 24. November 2014, dem Tag der Verfassung des Schriftsatzes, erhalten hat. Sollte darin eine dem Pachtvertrag entsprechende Geltendmachung zu erblicken sein, wäre damit die zweiwöchige Zahlungsfrist für die Beklagte ausgelöst worden und deren Ende, das mit dem Eintritt der Fälligkeit dieser Betriebskostenforderung des Klägers gleichzusetzen ist, mit dem Ablauf des 7. Dezember 2014 anzunehmen.
Allerdings fiel der Schluss der Verhandlung erster Instanz schon auf den 2. Dezember 2014, was zur Folge hat, dass die strittige Forderung an Betriebskosten für Versicherungsprämien zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fällig sein konnte. Verzug der Beklagten mit dieser (erweiterten) Mietzinsforderung bei Schluss der Verhandlung erster Instanz ist daher auszuschließen.
6. Somit kommt auch dem (restlichen) Leistungsbegehren über 8.160 EUR keine Berechtigung zu, sodass es überhaupt an einem Zahlungsrückstand der Beklagten und damit an der Voraussetzung für eine vorzeitige Auflösung des Pachtvertrags nach § 1118 zweiter Fall ABGB fehlt. Der vom Berufungsgericht vorgenommene teilweise Zuspruch ist schon aus diesen Überlegungen verfehlt, weshalb das Ersturteil samt der unbeanstandet gebliebenen Kostenentscheidung wiederherzustellen war.
Einer Auseinandersetzung mit den weiteren Revisionsgründen bedarf es angesichts des Erfolgs der Revision nicht, weil allfälligen Mängeln des Berufungsverfahrens die Relevanz fehlt und auch das (denkbare) Erlöschen der strittigen Betriebskostenforderung wegen Versäumung einer vereinbarten Präklusivfrist durch den Kläger zu keinem anderen Ergebnis führen würde.
7. Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO, wobei die Pauschalgebühr in dritter Instanz jedoch nicht – wie verzeichnet – 2.724 EUR ausmachte, sondern nur 1.362 EUR (750 EUR) Bemessungsgrundlage für das Räumungsbegehren [§ 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG]).