7Ob67/16b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Erlagssache des Antragstellers Dr. A***** B*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die Antragsgegnerinnen 1) Mag. C***** G*****, 2) E***** T*****, beide *****, die Zweitantragsgegnerin vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer Eberl, Rechtsanwältin in Wien, und 3) Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ ***** GB *****, vertreten durch Dr. R***** KG, *****, wegen Erlags nach § 1425 ABGB, über den Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Jänner 2016, GZ 43 R 623/15h 12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Oktober 2015, GZ 80 Nc 24/15w 3, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
„Der Antrag,
a) den Betrag von 23.533,83 EUR als Kaufpreis für 177/1484 Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ ***** GB *****, mit welchen Wohnungseigentum an top 11/13a zu verbinden sein wird, und
b) den Betrag von 856,23 EUR als Kaufpreis für 73/1484 Miteigentumsanteile an derselben Liegenschaft, mit welchen Wohnungseigentum am Geschäftslokal top 1 zu verbinden sein wird,
zu Gericht anzunehmen und hierüber einen Verwahrungsauftrag zu erlassen, wird abgewiesen.“
Der Antragsteller ist schuldig, der Zweitantragsgegnerin die mit 2.735,46 EUR (darin enthalten 455,91 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller beantragte den Erlag der im Spruch genannten Beträge gemäß § 1425 ABGB mit dem Vorbringen, dass die Zweitantragsgegnerin der Erstantragsgegnerin mit Verträgen vom 25. 4. 2005 und 6. 2. 2006 Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft verkauft habe. Die Rechtsvorgängerin des Antragstellers sei in beiden Fällen zum Treuhänder bestellt worden. Nach dem Treuhandauftrag seien im Detail dargestellte Kaufpreisteilbeträge an die Verkäuferin (samt Zinsen) sowie an eine namentlich angeführte Hausverwaltung erst dann weiterzuleiten, wenn an den Miteigentumsanteilen jeweils Wohnungseigentum begründet sei. Die Zweitantragsgegnerin veranlasse nicht die Wohnungseigentumsbegründung. Die gesamte Liegenschaft sei „streitverfangen“. Es sei nicht absehbar, wann und ob überhaupt Wohnungseigentum begründet werde. Die Verwaltung der Liegenschaft habe mehrmals gewechselt; die Zweitantragsgegnerin verweigere in diesem Zusammenhang die notwendige Änderung der Treuhandschaft. Die Erfüllung der Treuhandschaft sei nunmehr seit fast zehn Jahren unmöglich. Der Grund dafür liege ausschließlich bei den Treugebern.
Das Erstgericht nahm den Erlag an.
Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs der Zweitantragsgegnerin – die Erst und Drittantragsgegnerin beteiligten sich nicht am Verfahren – diese Entscheidung. Der im Erlagsantrag inhaltlich angesprochene Konflikt zwischen den Treugebern und die damit verbundene unklare Sachlage berechtige den Antragsteller zur gerichtlichen Hinterlegung des Treuguts. Die Erhebung strittiger Tatumstände sei auch einem rechtskundigen Treugeber nicht zumutbar. Der Erlagsantrag sei hinsichtlich aller Antragsgegnerinnen schlüssig.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob allein die Undurchführbarkeit der mit dem Treuhandauftrag auferlegten Aufgaben den Treuhänder nach mehreren Jahren zum Gerichtserlag berechtige.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der vom Antragsteller beantwortete Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung im Sinn des § 1425 ABGB an sich taugt. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RIS Justiz RS0112198). Die Rechtmäßigkeit des Erlags ist damit im Erlagsverfahren nicht zu prüfen (RIS Justiz RS0033495). Dem Erlagsgericht obliegt bloß eine Schlüssigkeitsprüfung. Nur insoweit kann der Annahmebeschluss auch im Rechtsmittelverfahren überprüft werden (RIS Justiz RS0112198 [T2, T4, T12]). Die Schlüssigkeit ist im Hinblick auf die Aktenlage im Zeitpunkt des Erlagsbeschlusses zu prüfen (RIS Justiz RS0112198 [T7]).
2.1. Bei einem – wie hier – mehrseitigen Treuhandverhältnis stehen zwei oder mehrere von gegensätzlichen Interessen geleitete Treugeber einem Treuhänder gegenüber. Der Treuhänder ist jedem der Treugeber gegenüber verpflichtet, das übertragene Recht im Sinn des Treugebers auszuüben. Er hat die gegensätzlichen Interessen aller Treugeber bestmöglich zu wahren (RIS Justiz RS0010415 [T3], RS0107334).
2.2. Bei einer mehrseitigen offenen Treuhand zum Zwecke der Abwicklung eines Liegenschaftskaufs hat der Treuhänder für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen. Es kommt darauf an, wozu sich der Treuhänder im konkreten Fall verpflichtet hat. Der Inhalt der Treuhandschaft richtet sich also nach den getroffenen Vereinbarungen und der Parteienabsicht (RIS Justiz RS0104573 [T2, T4]). Bei Auftreten eines Konflikts zwischen den Treugebern einer mehrseitigen Treuhand kann der Treuhänder bei unklarer Sach oder Rechtslage bei Gericht erlegen, er ist hiezu jedoch nicht verpflichtet (RIS Justiz RS0010472 [T4, T8]); dies gilt vor allem dann, wenn (auch noch nach zumutbarer Prüfung) unklar ist, ob die Ausfolgungsbedingungen erfüllt sind (RIS Justiz RS0010472 [T11, T14], RS0010415 [T9, T13]).
3. Das Vorbringen im Erlagsantrag, die Zweitantragsgegnerin veranlasse nicht die Wohnungseigentumsbegründung, die gesamte Liegenschaft sei „streitverfangen“ und es sei nach beinahe zehn Jahren immer noch nicht absehbar, wann und ob überhaupt Wohnungseigentum begründet werde, weshalb die Treuhandschaft immer noch nicht (endgültig) erfüllt werden könne, was ausschließlich bei den Treugebern liege, stellt keinen tauglichen Erlagsgrund dar. Es wird nämlich nicht aufgezeigt, dass hier irgendeine Unklarheit im Zusammenhang mit dem nach wie vor aufrechten Treuhandverhältnis und den sich daraus für den Antragsteller ergebenden Verpflichtungen ergibt. Vielmehr folgt aus diesem Vorbringen bloß, dass nach den Treuhandaufträgen die Bedingung für die Auszahlung des restlichen Kaufpreises noch nicht eingetreten ist. Ein Streit zwischen den Antragsgegnern über das Treugut wird nicht behauptet. Im Ergebnis folgt daraus, dass sich der Antragsteller durch den Gerichtserlag bloß seiner vertraglich zeitlich nicht beschränkten Pflichten als Treuhänder entledigen möchte. Dafür ist aber der Gerichtserlag nach § 1425 ABGB nicht vorgesehen.
4. Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für einen gerichtlichen Erlag nach § 1425 ABGB war dem Revisionsrekurs daher Folge zu geben und der Antrag abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG.