JudikaturOGH

1Ob84/16h – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K***** O*****, *****, vertreten durch Dr. Joachim Schallaböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien, 1. Dr. G***** K*****, und 2. Dr. E***** K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Gesamtstreitwert 7.000 EUR) über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. August 2015, GZ 36 R 79/15g 56, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 5. Dezember 2014, GZ 11 C 1087/12x 51, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin erhob ursprünglich ein viergliedriges Begehren, das sie insgesamt mit 7.000 EUR bewertete. Es war darauf gerichtet, bestimmte von der Liegenschaft der Beklagten ausgehende Eingriffe durch „Thujengewächse“ (richtig: Zypressen) zu beseitigen bzw zu unterlassen, und zwar 1. den das „die örtlichen Verhältnisse gewöhnliche Maß“ übersteigenden, unzumutbaren Entzug von Licht, 2. die ortsunübliche, wesentliche Verschmutzung durch Nadeln, 3. die Gefahr für Anrainer aufgrund herabfallender Äste sowie 4. die Zerstörung des Mauerwerks der Grenzmauer durch Wurzeln und Äste. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens änderte sie ihr Urteilsbegehren – ohne eine neue Streitwertbestimmung – folgendermaßen ab:

Die beklagten Parteien seien schuldig, binnen drei Monaten durch geeignete „baumpflanzerische“ (richtig wohl: baumpflegerische) Maßnahmen, einschließlich Entfernung oder Stutzen der Bäume, 1. Immissionen durch Lichtentzug sowie 2. die Gefährdung und Verschmutzung durch Äste und herabfallendes Nadelwerk, die jeweils durch die von den klagenden (richtig: beklagten) Parteien an der Liegenschaftsgrenze gepflanzten Nadelbäume entstehen, zu beseitigen, soweit diese das ortsübliche Ausmaß übersteigen und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Eigentumswohnung der Klägerin führen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung der „Immissionen durch Lichtentzug“ sowie der Gefährdung durch Äste statt und wies das Begehren auf Beseitigung des herabfallenden Nadelwerks (unbekämpft) ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Anfechtungsumfang in der Hauptsache, sprach aus, dass der Wert „des Entscheidungsgegenstands“ 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die Revision letztlich für zulässig. Das Berufungsgericht sei nicht an die Bewertung des Streitgegenstands durch die Klägerin gebunden. In Anbetracht der umfangreichen Maßnahmen, die die Beklagten zur Entsprechung der Urteilsaufträge zu setzen haben werden, scheine eine Bewertung von nur 3.500 EUR (Hälfte des ursprünglichen Begehrens) als zu niedrig angesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof, dem die Akten nach Abänderung des berufungsgerichtlichen Zulässigkeitsausspruchs vorgelegt wurden, ist aus nachstehenden Gründen (derzeit) zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel nicht berufen:

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände entschieden, die nicht gemäß § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind (s dazu nur RIS Justiz RS0037905; RS0042741; RS0037899), ist der Wert des Entscheidungsgegenstands für jeden einzelnen Anspruch bzw für zusammenzurechnende Ansprüche – insbesondere für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln (§ 55 Abs 4 JN) – eigens auszusprechen (RIS Justiz RS0042741 [T18]).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht über zwei unterschiedliche Begehren entschieden, die miteinander in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen und zudem aus unterschiedlichen Gesetzesbestimmungen abgeleitet werden, womit sie auch ohne Weiteres ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (vgl nur RIS Justiz RS0037838 [T36, T43]). Das Begehren auf Unterlassung unzumutbarer Beeinträchtigung der Liegenschaft durch den Entzug von Licht im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB beruht auf dem dauerhaften Vorhandensein einer Bepflanzung von erheblicher Höhe und Dichte, wogegen die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens hinsichtlich der Gefährdung durch Äste die Gefahr eines künftigen derartigen Eingriffs voraussetzt, der nach anderen Kriterien – insbesondere dem Alter und dem sonstigen Zustand der Bäume – zu beurteilen ist. Liegen aber nun zwei wertmäßig nicht zusammenzurechnende Teilbegehren vor, wird das Berufungsgericht seinen Bewertungsausspruch durch entsprechende Einzelbewertungen zu berichtigen haben. Sollte sich zumindest für eines der beiden verbliebenen Begehren ein 5.000 EUR übersteigender Wert des Entscheidungsgegenstands ergeben, werden die Akten dem Obersten Gerichtshof neuerlich vorzulegen sein.

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