1Ob43/16d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** M*****, vertreten durch DDr. Michael Wagner, Rechtsanwalt in Grödig, gegen die beklagten Parteien 1. F***** F*****, und 2. B***** AG, *****, beide vertreten durch die Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft, Salzburg, wegen 7.661,45 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 6.461,45 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. November 2015, GZ 22 R 324/15y 13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Oberndorf bei Salzburg vom 31. August 2015, GZ 2 C 5/15g 9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien je zur Hälfte die mit 688,92 EUR (darin 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger wandte sich an den Erstbeklagten, einen Kundenbetreuer eines Kreditinstituts („Hausbank“), mit dem er schon wiederholt geschäftlichen Kontakt gehabt hatte, und wollte einen Bausparvertrag „auf“ seine Schwiegermutter abschließen und (auch) im Falle deren Ablebens den Auszahlungsbetrag erhalten. Dem Erstbeklagten war bekannt, dass der Kläger die Zahlungen tätigen würde und sämtliche Post an ihn gehen sollte. Nach entsprechender Beratung durch den Erstbeklagten wurde in der Folge bei der zweitbeklagten Bausparkasse ein Bausparvertrag für die Schwiegermutter des Klägers eröffnet. Entsprechend dem im Vertragsformular der Zweitbeklagten vorgeschlagenen Mustertext, auf den der Kläger vom Erstbeklagten hingewiesen worden war, nachdem er sich hinsichtlich der Sicherheit des Erhalts des Geldes im Falle des Ablebens seiner Schwiegermutter erkundigt hatte, verfasste diese eigenhändig und mit eigenhändiger Unterschrift eine letztwillige Verfügung, in der sie erklärte, alle Ansprüche aus dem Bausparvertrag ihrem Schwiegersohn, also dem Kläger, zu vermachen. Der Erstbeklagte hatte dem Kläger (auch) die letztwillige Anordnung durch seine Schwiegermutter in dieser Form empfohlen, damit „nichts schief gehen“ könne. Eine Aufklärung, dass unter Umständen eine Zahlung unterbleiben könnte, erfolgte durch den Erstbeklagten nicht. In der Folge wurde die gesamte Korrespondenz hinsichtlich des Bausparvertrags ausschließlich mit dem Kläger geführt. Dieser war auch der einzige, der Zahlungen leistete. Nachdem seine Schwiegermutter vor Ablauf der Vertragsdauer verstorben war, wurde der Bausparvertrag im Nachlassverfahren der Verlassenschaft zugeordnet und wegen der Überschuldung des Nachlasses einem Nachlassgläubiger an Zahlungs statt überlassen. Gegen diesen Beschluss des Nachlassgerichts wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Der Kläger begehrte nun von den Beklagten zur ungeteilten Hand den Ersatz des zuletzt vorhandenen Bausparguthabens in Höhe von 7.661,45 EUR (ein Teilbegehren von 1.200 EUR samt Zinsen wurde bereits rechtskräftig abgewiesen). Er habe beim Abschluss des Vertrags seiner Hausbank vertraut, bei der er schon seit Jahrzehnten vom Erstbeklagten betreut worden sei. Der Erstbeklagte habe ihm versichert, dass die letztwillige Verfügung seiner Schwiegermutter hundertprozentig sicher stelle, dass er im Falle ihres Ablebens den vollen Auszahlungsbetrag des Bausparvertrags erhalten werde. Ansonsten hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen. Die Beratung sei aber irreführend und mangelhaft erfolgt. Er sei insbesondere nicht darauf hingewiesen worden, dass im Falle eines Verlassenschaftsverfahrens das Bausparguthaben „eingezogen“ werden könnte. Der Vertragsvordruck und das Muster für die letztwillige Anordnung seien ihm vom Erstbeklagten übermittelt worden, der Erstbeklagte habe die Zweitbeklagte „verpflichten können“.
Die Beklagten wandten dagegen im Wesentlichen ein, der Erstbeklagte sei gegenüber dem Kläger als Angestellter der Hausbank des Klägers tätig geworden und habe in deren Vertretung gehandelt. Mit ihm selbst sei niemals ein Beratungsvertrag oder eine sonstige Geschäftsbeziehung begründet worden, weshalb seine passive Klagelegitimation fehle. Die Zweitbeklagte habe niemals eine Anlageberatung gegenüber dem Kläger oder seiner Schwiegermutter vorgenommen. Der Erstbeklagte sei ihr mangels eines Anstellungsverhältnisses nicht zurechenbar. Es liege auch keine Falschberatung vor, zumal der Erstbeklagte niemals eine Garantie für Auszahlungen an den Kläger ausgesprochen habe. Der Kläger habe das Risiko auf sich genommen, auf einen nicht auf seinen Namen sondern auf den seiner Schwiegermutter lauteten Bausparvertrag regelmäßig Einzahlungen zu tätigen. Dem Kläger mangle es an der Aktivlegitimation, da der Bausparvertrag von seiner Schwiegermutter abgeschlossen worden sei. Sofern er aus dem Vertrag rechtlich berechtigt gewesen sein sollte, hätte er die Einbeziehung in die Verlassenschaft verhindern können. Dann trage der Kläger die Verantwortung dafür, kein Rechtsmittel im Verlassenschaftsverfahren erhoben zu haben. Keinesfalls könnten dem Kläger die seiner Schwiegermutter gutgeschriebenen Bausparprämien im Rahmen des Schadenersatzes zustehen.
Das Erstgericht erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 6.461,45 EUR samt Zinsen zu zahlen und wies ein Mehrbegehren von weiteren 1.200 EUR samt Zinsen (rechtskräftig) ab. Dem Erstbeklagten sei jedenfalls eine Falschberatung vorzuwerfen, habe er dem Kläger doch zu Unrecht versichert, dass die letztwillige Anordnung seiner Schwiegermutter genügen werde, ohne darauf hinzuweisen, dass aus irgendeinem Grund die Auszahlung unterbleiben könne. Auch die Zweitbeklagte habe durch das Anbringen des Mustertextes den Kläger schuldhaft am Vermögen geschädigt. Der Kläger und seine Schwiegermutter hätten aufgrund der Beratung durch den Erstbeklagten und des Vertragstextes der Zweitbeklagten mit Recht darauf vertrauen dürfen, dass „ohne Widerruf und Verkauf“ das einbezahlte Geld an den Kläger ausbezahlt werde.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergebe sich weder eine Vertragsbeziehung des Klägers zu den beiden Beklagten, noch eine sonstige Anspruchsgrundlage für den begehrten Schadenersatz. Eine Mitteilung, dass er das Geld jedenfalls erhalten werde, ergebe sich aus den Feststellungen nicht. Vielmehr habe ihm bewusst sein müssen, dass er sein Geld in die Vermögenssphäre seiner Schwiegermutter transferiert und daher das Risiko auf sich nimmt, diese Beträge im Falle eines unzureichenden Nachlasses nicht mehr zurückzuerhalten. Anhaltspunkte für eine Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten, der als Kundenbetreuer seiner Hausbank bereits länger mit ihm im geschäftlichen Kontakt gestanden ist, bestünden nicht. Es sei insbesondere auch keine Anspruchsgrundlage aus einer Verletzung von Aufklärungspflichten des Erstbeklagten „als Privatperson“ ersichtlich. Auch eine unrichtige Aufklärung liege nicht vor, habe doch der Erstbeklagte auf die Frage des Klägers nach der Sicherheit der Vorgangsweise lediglich auf den Mustertext in der Vertragsvorlage verwiesen. Auch die Empfehlung, seine Schwiegermutter solle eine solche letztwillige Anordnung errichten, „damit nichts schief gehen kann“, stelle keine unrichtige oder unzureichende Aufklärung durch den Erstbeklagten dar. Aber auch gegenüber der Zweitbeklagten mangle es an einer (deliktischen oder vertraglichen) Anspruchsgrundlage. Der Bausparvertrag sei von seiner Schwiegermutter „vertreten durch den Kläger“ im eigenen Namen abgeschlossen worden. Die Zweitbeklagte habe weder eine Garantie noch eine ausdrückliche Zusage einer Auszahlung des Guthabens an den Kläger abgegeben. Im Übrigen habe ihm klar sein müssen, dass die letztwillige Anordnung seiner Schwiegermutter ihm nur dann eine Zuwendung verschaffen könne, wenn aus dem vorhandenen Aktivvermögen nach Berichtigung der vorrangig zu befriedigenden Forderungen noch etwas übrig bleibt. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob eine in einem Bausparvertrag mit einer letztwilligen Verfügung bedachte Person vom Schutzzweck des Vertrags umfasst ist und auch gegenüber dieser begünstigten Person vertragliche Aufklärungspflichten dahin bestehen, dass sie den Auszahlungsbetrag nur nach Maßgabe der erbrechtlichen Bestimmungen erhalten wird.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht zulässig, weil er keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert.
1. Warum den Erstbeklagten wegen eines Beratungsfehlers gegenüber dem Kläger eine Ersatzpflicht treffen sollte, wird auch in der Revision nicht erklärt, sondern lediglich ausgeführt, der Revisionswerber sei mit der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht überrascht worden, dass er in keiner Vertragsbeziehung zum Erstbeklagten stehe. Der Kläger selbst hatte bereits in der Klage dargelegt, dass der Erstbeklagte beim Beratungsgespräch nicht im eigenen Namen, sondern als Mitarbeiter (Vermögensberater) seiner Hausbank aufgetreten war. Die Revisionsausführung, der Erstbeklagte sei ihm gegenüber in Bezug auf die Beratung als „Sachverständiger im Sinne der Beraterhaftung“ anzusehen, ändert nichts daran, dass er auch nach dem eigenen Prozessstandpunkt des Klägers unmissverständlich als Gehilfe der Bank aufgetreten ist und keinesfalls eigene Beratungspflichten übernommen hat. Besondere Umstände, aus denen allenfalls den Gehilfen des Vertragspartners des Geschädigten eine persönliche Haftung treffen könnte, hat der Kläger weder im Verfahren erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren dargelegt.
2. Ob das Berufungsgericht gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung verstoßen hat, weil es ohne Erörterung mit dem Kläger entgegen dem Erstgericht eine schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit der Zweitbeklagten verneint hat, wäre nur dann von Bedeutung, wenn es dem Revisionswerber auch gelänge, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen (vgl nur Kodek in Rechberger 4 , § 503 ZPO Rz 16 mit Judikaturnachweisen). Dass der Kläger mit Vertretern der Zweitbeklagten nicht in direkten persönlichen Kontakt getreten ist, steht fest. Dem Einwand der Zweitbeklagten, sie sei nicht passivlegitimiert, weil sie gar keine Anlageberatung durchgeführt habe, hat der Kläger im Verfahren erster Instanz lediglich die bloße Rechtsbehauptung entgegengehalten, die Erstbeklagte habe die zweitbeklagte Partei „verpflichten können“. In der Revision legt er dar, er hätte bei ausreichender Erörterung Einwendungen dahingehend erstattet, dass er den Ausführungen des Erstbeklagten vertraut habe und dass es ihm nicht zumutbar sei, die genauen Vertriebswege der zweitbeklagten Partei zu kennen und darüber weitere Erkundigungen einzuholen. Mit diesen Ausführungen missachtet er ganz offensichtlich die ihn treffende Behauptungslast und unterlässt auch im Rechtsmittelverfahren die schlüssige Behauptung von Tatsachen, die für die von ihm angestrebte Rechtsfolge bedeutsam wären. Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, der Kläger hätte im Verfahren erster Instanz sein Vorbringen erst nach gerichtlicher Erörterung vervollständigen und trotz Bestreitung der Zurechenbarkeit des Verhaltens des Erstbeklagten an die Zweitbeklagte konkretes Tatsachenvorbringen noch unterlassen dürfen, kann im Revisionsverfahren ein allfälliger gerichtlicher Erörterungsmangel nicht aufgegriffen werden, wenn wie im vorliegenden Fall dessen Relevanz nicht durch Darlegung eines schlüssigen Tatsachenvorbringens aufgezeigt wird, das im Falle der gebotenen gerichtlichen Erörterung erstattet worden wäre. Da die Revisionsausführungen aber offen lassen, ob die vom Erstbeklagten repräsentierte Hausbank als Botin oder sonstige Hilfsperson des Klägers oder aber der Zweitbeklagten tätig geworden ist, fehlt es (weiterhin) an einem schlüssigen Tatsachenvorbringen, aus dem sich die Zurechnung einer allfälligen Fehlberatung an die Zweitbeklagte ergeben könnte.
Soweit der Revisionswerber erstmals die Behauptung aufstellt, das Geschäftsmodell des von der Zweitbeklagten angebotenen Vertrags sei darin gelegen, formell Einlagen von Personen zu erhalten, die nominell noch keinen Bausparvertrag abgeschlossen hatten, für die aber der tatsächliche Einzahler begünstigt sein solle, handelt es sich um eine im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO), auf die schon deshalb nicht einzugehen ist.
3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO), sodass auch nicht auf die von den Beklagten erhobene Einwendung einzugehen ist, der Kläger hätte den behaupteten Vermögensnachteil dadurch verhindern können, dass er seine Interessen im Verlassenschaftsverfahren durch die Erhebung eines Rechtsmittels gewahrt hätte; dort hätte er darauf hinweisen können, dass das von seiner Schwiegermutter gehaltene Treuhandvermögen dem Treugeber gebühre und nicht den Nachlassgläubigern zur Verfügung stehe (vgl nur RIS Justiz RS0007622 [T2, T4]; RS0000817).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Revisionsgegner haben auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme zu qualifizieren ist. Die Verfahrenskosten sind allerdings nur auf der Basis des im Revisionsverfahren noch aktuellen Teils des Streitgegenstands zu bemessen. Für die Annahme der Revisionsgegner, der Kläger habe auch die bereits rechtskräftige Teilabweisung bekämpft, besteht kein Anlass.