JudikaturOGH

27Os3/15s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. April 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Mag. Stolz, und Dr. Hausmann als Anwaltsrichter in Anwesenheit der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin, in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 20. April 2012, AZ D 109/11, nach nichtöffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, des Kammeranwalts Dr. Reif Breitwieser und des Verteidigers Prof. Dr. Wennig zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge gegeben und über den Disziplinarbeschuldigten gemäß §§ 31, 40 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 4. Dezember 2013, AZ D 211/11, D 44/13, D 125/13, eine zusätzliche Geldstrafe von 2.000 Euro verhängt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 20. April 2012, AZ D 109/11, wurde ***** des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt, weil er am 10. September 2010 bei der H***** AG einen Kreditvertrag in Höhe von 335.000 Euro abgeschlossen und die vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung zum 31. Dezember 2010 nicht erfüllt hat, weshalb die H***** AG am 11. März 2011 Hypothekarklage gegen den Disziplinarbeschuldigten zu AZ 10 Cg 37/11a beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien einbrachte.

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro verhängt. Zugleich wurde ihm die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von zwei Monaten untersagt. Der Vollzug der Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft wurde gemäß § 16 Abs 2 DSt für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Darüber hinaus wurde der Disziplinarbeschuldigte zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld gab die Oberste Berufungs und Disziplinarkommission mit Erkenntnis vom 18. November 2013 nicht Folge. Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wurde hingegen Folge gegeben und die Geldstrafe unter Aufrechterhaltung der bedingten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von zwei Monaten auf 3.000 Euro herabgesetzt.

Der Disziplinarbeschuldigte hat diese Geldstrafe samt Verfahrenskosten auch schon bezahlt.

Das Erkenntnis der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission wurde zwar am 18. November 2013 mündlich verkündet, jedoch erst am 22. September 2014 dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien zur Zustellung an die Verfahrensbeteiligten übermittelt.

Nach § 2 Abs 4 VwGbk ÜG treten Bescheide einer sonstigen unabhängigen Verwaltungsbehörde im Sinne des § 2 Abs 1 VwGbk ÜG, welche vor Ablauf des 31. Dezember 2013 mündlich verkündet aber vor Ablauf dieses Tages nicht zugestellt wurden, von Gesetzes wegen außer Kraft. Da die Oberste Berufungs und Disziplinarkommission gemäß Anlage Teil A Z 21 zu Art 151 Abs 51 Z 8 B VG eine solche sonstige unabhängige Verwaltungsbehörde war und keine rechtzeitige Zustellung erfolgte, trat das Erkenntnis der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission vom 18. November 2013 mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft, sodass über das Rechtsmittel des Disziplinarbeschuldigten nunmehr vom Obersten Gerichtshof zu befinden ist.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) macht mit Behauptungen der Art, dass das Gericht bestimmte Aspekte ohnehin verwertete Beweismittel nicht oder nicht den Intentionen des Disziplinarbeschuldigten entsprechend berücksichtigt habe, weder eine Unvollständigkeit noch eine offenbare Unzulänglichkeit der Entscheidungsgründe geltend, sondern bekämpft solcherart nach Art einer Schuldberufung unzulässigerweise die Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0099599).

Der Disziplinarrat hat sich mit dem Inhalt des Schreibens der H***** AG vom 30. August 2010 (Beilage 9) ausführlich auseinandergesetzt und dargelegt, dass ***** weder von sich aus Kontakt mit der Bank aufgenommen, noch Unterlagen übermittelt oder auf Kontaktwunsch des Kreditinstituts sonst reagiert hat (ES 7 f iVm ES 12 ff). Dass demnach „nur“ der Vorwurf gemacht werden könnte, der Disziplinarbeschuldigte habe eine ins Auge gefasste weitere Kontaktaufnahme und Information der H***** AG unterlassen, was jedoch vom Einleitungsbeschluss nicht erfasst sei, greift somit zu kurz, weil diese (als Teil der Tathandlung) nicht wahrgenommene Modalitäten die gerade deswegen nicht verlängerte Zahlungsfrist im Grunde nicht tangieren.

Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, von ihm übernommene und ihm auferlegte Verpflichtungen rechtzeitig, ordnungsgemäß und vollständig zu erfüllen. Eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes ist zu erblicken, wenn diese Pflicht missachtet wird und dies durch ein Gerichtsverfahren in einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt. Soweit die Berufung und der Verweis auf § 38 Abs 2 DSt Feststellungen zur Beeinträchtigung der Ehre oder Ansehen des Standes vermisst, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer die H***** AG trotz massivster Aufforderungen nicht kontaktierte und sich weigerte, die vereinbarten Informationen zu erteilen, sowie dass der Vorstand des Kreditinstituts den Disziplinarbeschuldigten gemeinsam mit dem Sachbearbeiter in der Kanzlei aufsuchte und es zahlreicher Telefonate und Anwaltsschreiben bedurfte, um den Beschwerdeführer überhaupt zu einer Reaktion zu bewegen (ES 15). Damit wird hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Verhalten des Rechtsmittelwerbers einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangte.

Nachdem sich die Berufung betreffend den Ausspruch über die Schuld darin erschöpft, auf § 49 DSt zu verweisen, ergeben sich auch keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen.

Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher keine Folge zu geben.

Im Recht ist hingegen die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe. Der Disziplinarrat erachtete als erschwerend, dass der Disziplinarbeschuldigte „bis dato in den gegen ihn geführten Disziplinarverfahren mehr oder minder davon gekommen“ sei. Eine derartige Schuldzuweisung ohne zugrunde liegendes rechtskräftiges Erkenntnis widerspricht der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK.

Im vorliegenden Fall ist aber darüber hinaus auf die mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 4. Dezember 2013, AZ D 211/11, D 44/13 und D 125/13, verhängte Geldbuße von 5.000 Euro gemäß §§ 31, 40 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt Bedacht zu nehmen, zumal dieses zuletzt genannte Erkenntnis aufgrund des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 24. September 2015, AZ 27 Os 4/15b, rechtskräftig wurde.

Erwächst dieses Vorerkenntnis (in welchem über das nunmehr abgeurteilte Disziplinarvergehen hätte mitentschieden werden können) noch vor einer Strafneubemessung oder Erledigung einer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung im Rechtsmittelverfahren in Rechtskraft, so ist § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt durch das Rechtsmittelgericht anzuwenden (vgl Ratz in WK 2 § 31 Rz 3).

Bei gemeinsamer Aburteilung wäre eine Zusatzgeldbuße von 3.000 Euro zu verhängen gewesen. Zugleich hätte es der bedingt für eine Probezeit von drei Jahren nachgesehenen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von zwei Monaten bedurft.

Im Hinblick darauf, dass die konkrete Verfahrensdauer ohne Verschulden des Disziplinarbeschuldigten als überlang einzustufen ist, weil vom Einlangen der Anzeige am 30. Mai 2011 bis zur nunmehrigen Erledigung mehr als viereinhalb Jahre verstrichen sind, war gemäß § 34 Abs 2 StGB das Strafmaß zu reduzieren. Daher war die Geldbuße auf 2.000 Euro herabzusetzen und die bedingt nachgesehene Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft ersatzlos zu streichen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

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