11Os145/15f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 22. Mai 2015, GZ 39 Hv 69/14i 52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten von weiteren gleichartigen Tatvorwürfen enthaltenden) Urteil wurde Franz S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** und an anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, indem er Nachgenannte durch die Vorgabe, zahlungswilliger und fähiger Vertragspartner zu sein, zur Gewährung von Darlehen veranlasste, und zwar
1./b./ Ende 2009 bzw Anfang 2010 Markus St***** zur Übergabe von 5.000 Euro;
3./ von Oktober 2012 bis Jänner 2013 in drei Angriffen Margareta R***** zur Übergabe von insgesamt 19.500 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Entgegen der den Schuldspruch 1./b./ betreffenden Verfahrensrüge (Z 4) erfolgte die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Franz B***** „zum Beweis dafür, dass die Zeugen St***** und Sc***** von ihm zur Anzeigenerstattung überredet wurden, da die beiden ursprünglich im Hinblick auf die zivilrechtlichen Ansprüche keine Anzeige erstatten wollten, was auch im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit und die Nichterfüllung der subjektiven Tatseite notwendig erscheint“ (ON 47 S 11), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Denn sowohl der Zeitpunkt als auch das Motiv der Anzeigenerstattung betreffen keine entscheidenden Tatsachen. Überdies lässt der Antrag schon mangels Vorbringens, über welche konkreten, die subjektive Tatseite des Angeklagten oder die Glaubwürdigkeit der genannten Personen betreffenden sinnlichen Wahrnehmungen der beantragte Zeuge verfügen sollte nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließ. Damit zielte sie aber auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS Justiz RS0118444). Im Übrigen bleibt offen, in welchem Zusammenhang zu den bekämpften Schuldsprüchen die hinsichtlich der Zeugin Sc***** intendierte Beweisführung stehen soll, beschränken sich deren aktenkundige Aussagen doch auf die Wiedergabe von Wahrnehmungen zu vom Freispruch 2./ erfassten Tatvorwürfen (vgl US 4, 8 ff und 19).
Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch im Sinn einer logischen Unverträglichkeit - besteht (RIS Justiz RS0119089). Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind Entscheidungsgründe, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS Justiz RS0099547). Die Behauptung eines Widerspruchs zum Akteninhalt hingegen spricht kein unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 StPO relevantes Kriterium an (RIS Justiz RS0099602).
Soweit das den Schuldspruch 1./b./ betreffende Vorbringen (nominell Z 5 dritter Fall) inhaltlich den Vorwurf fehlender Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Angaben des Zeugen Markus St***** enthält, übergeht das Rechtsmittel die damit erfolgte Auseinandersetzung durch die Tatrichter (US 16 ff). Der Beschwerdeführer beschränkt sich vielmehr darauf, unter Berufung auf isoliert hervorgehobene Passagen dieser Aussage für sich günstigere Schlussfolgerungen in Bezug auf die erstgerichtlichen Annahmen zur Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit abzuleiten und damit bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen.
Die zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen St***** vereinbarte Höhe der einzelnen Raten zur Rückzahlung des Darlehens wiederum betrifft keine für die Schuld oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache, zumal der Angeklagte nach den insoweit mängelfreien Feststellungen auch über seine Rückzahlungsfähigkeit täuschte.
Die Kritik der gegen den Schuldspruch 3./ gerichteten Mängelrüge (nominell Z 5 dritter Fall) an der (auf einem offenkundigen Schreibfehler beruhenden) Annahme eines noch „offenen“ Schadens in Höhe von 17.450 (anstelle von [richtig:] 17.550) Euro (US 14; vgl demgegenüber US 2 f) betrifft keine entscheidende Tatsache, weil die Divergenz im Schadensbetrag weder die Schuldfrage noch die rechtliche Einordnung der strafbaren Handlung berührt. Ebensowenig ist entscheidend, ob die Summe der von Margareta R***** übergebenen Beträge (US 2, 12 f nämlich insgesamt 19.500 Euro) exakt (oder nur ungefähr) den Betrag von 20.000 Euro (US 14) erreicht.
Weshalb die von den Tatrichtern aus den Angaben der Zeugin Margareta R***** gezogenen Schlussfolgerungen (US 19 ff) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS Justiz RS0099413, RS0116732) widersprechen sollen, macht die Beschwerde nicht klar (Z 5 vierter Fall). Die in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik an einzelnen vom Erstgericht gebrauchten Wendungen oder diesem unterlaufenen Schreibfehlern entzieht sich mangels Orientierung an den gesetzlichen Anfechtungskategorien einer inhaltlichen Erwiderung.
Die den Schuldspruch 3./ betreffende Tatsachenrüge (Z 5a [nominell auch „Z 5“]) verfehlt mit Hinweisen auf isoliert hervorgehobene Passagen der tatrichterlichen Konstatierungen und auf den diesen aus Sicht des Angeklagten entgegenstehenden „Akteninhalt“ die prozessordnungsgemäße Darstellung des angestrebten Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0117446 ua [T3, T10, T15]). Der Beschwerdeführer beschränkt sich vielmehr darauf, den von den Tatrichtern gezogenen Schlussfolgerungen, er habe Margareta R***** darüber getäuscht, die übergebenen Beträge spätestens im Frühjahr 2013 zurückzuzahlen (US 11 f, 21), gestützt auf seine Verantwortung und die Kenntnis der Zeugin R***** um seine schlechte finanzielle Situation eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberzustellen.
Die gegen den Schuldspruch 3./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den Feststellungen, wonach der Angeklagte mit darauf sowie auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 14 f) -Margareta R***** über seine künftige Rückzahlungsfähigkeit und willigkeit (nämlich im Frühjahr 2013) getäuscht und dadurch im Zeitraum von Oktober 2012 bis Jänner 2013 zur Übergabe der Darlehensbeträge veranlasst hat (US 11 bis 14 und US 21; vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 33 und 36) und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit. Indem der Beschwerdeführer aus den Beweggründen der Margareta R***** für die Darlehensgewährung und aus ihrer Kenntnis seiner finanziellen Situation zu den Tat zeitpunkten (vgl dazu US 11, 13 f und 20 ff) für sich günstigere Schlussfolgerungen ableitet, beschränkt er sich abermals darauf, unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen.
Das weitere Vorbringen (Z 9 lit a [nominell „Z 5“]) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb die vom Angeklagten geforderten Feststellungen zur objektiven Erzielbarkeit der Margareta R***** von ihm zugesicherten Wiederverkaufswerte der angeschafften Fahrzeuge für die rechtsrichtige Beurteilung erforderlich gewesen wären ( Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 17 und 43).
Die Kritik (Z 9 lit a [nominell „Z 5“]) an den (auch) mit Hilfe der verba legalia getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu den Schuldsprüchen 1./ und 3./ (US 8 und 14 f) verkennt, dass der Gebrauch des Gesetzeswortlauts die Wirksamkeit einer Tatsachenfeststellung grundsätzlich nicht beeinträchtigt, es sei denn, dass keinerlei Sachverhaltsbezüge hergestellt und damit gar keine Feststellungen getroffen wurden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 8; RIS Justiz RS0119090, RS0114639). Welche Feststellungen über die konkret getroffenen hinaus (US 7 f, 10 bis 15) im vorliegenden Fall fehlen sollten, erklärt die Beschwerde allerdings nicht.
Auch lässt sie nicht erkennen (Z 10 [nominell Z 5 vierter Fall]), weshalb den (auch) mit Hilfe der verba legalia getroffenen Feststellungen zur gewerbsmäßigen Intention des Angeklagten (US 15) im Hinblick auf die Bezugnahme auf die zuvor dargestellten Handlungen des Angeklagten (US 7 f, US 12 bis 15) der geforderte Sachverhaltsbezug fehlen sollte. Die Begründung für diese Annahmen findet sich im Übrigen auf US 22 f.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).
Dieses wird zu berücksichtigen haben (RIS Justiz RS0122140), dass der Sanktionsausspruch unter (von der Beschwerde nicht geltend gemachter) Nichtigkeit leidet, weil die Wertung der „vollkommenen Uneinsichtigkeit“ des Angeklagten als eine für die Nichtgewährung (gänzlicher) bedingter Strafnachsicht (primär mit-)entscheidende Tatsache (US 27) eine iSd § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS Justiz RS0090897).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.