JudikaturOGH

7Ob36/16v – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Partnerschaft S* Rechtsanwälte (OG), *, gegen die beklagte Partei R* D*, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel und andere, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 84.105,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2016, GZ 11 R 209/15h 78, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Rechtsanwaltspartnerschaft macht - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - Honorarforderungen gegen die Beklagte geltend, die aus der Beauftragung mit der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen gegen ihren damaligen Ehegatten, ein Rechtsanwalt, resultieren. Die außerordentliche Revision releviert in diesem Zusammenhang eine pflichtwidrig unterlassene Aufklärung über eine mögliche Unterhaltsverwirkung nach § 94 Abs 2 ABGB durch eine von der Beklagten als Disziplinaranzeige gegen ihren Ehegatten gewertete Mitteilung der Klägerin an den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer mit der Folge des Verlusts des Honoraranspruchs und hinsichtlich der eingewandten Gegenforderung Schadenersatzpflicht der Klägerin für einen ungünstigen Vergleichsabschluss. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird jedoch nicht aufgezeigt:

1. Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn , Aufklärungs , Informations- und Verhütungspflichten (RIS Justiz RS0112203). Sinn und Zweck des Vertrags zwischen Rechtsanwalt und Mandanten liegen darin, dem Mandanten zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen, darüber hinaus aber auch darin, den Mandanten vor Nachteilen zu bewahren. Dieser Schutzzweck erschöpft sich aber im Zusammenhang mit der Einleitung und der Führung eines Rechtsstreits nicht nur im Rechtsstreit selbst, sondern umfasst auch die Vermeidung von Nachteilen, die vorhersehbar mit der Führung und insbesondere mit dem Verlust des Prozesses verbunden sein können (RIS Justiz RS0112203 [T9]). Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts dürfen allerdings nach ständiger Rechtsprechung nicht überspannt werden (RIS Justiz RS0026584). Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und wirft regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS Justiz RS0026584 [T17, T21], RS0026458 [T7]).

2.1. Gemäß § 94 Abs 2 ABGB hat der haushaltsführende Ehegatte auch nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts weiterhin einen Unterhaltsanspruch, sofern dessen Geltendmachung nicht ein Missbrauch dieses Rechts wäre. Ein solcher Missbrauch ist nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn sich ein Ehegatte weigert, alle ihn aus der Ehe treffenden Verpflichtungen zu erfüllen, aber vom anderen die Leistung von Unterhalt fordert; es ist sittenwidrig, wenn ein Ehegatte, der schuldhaft selbst die gebotene eheliche Gesinnung vermissen lässt, finanzielle Vorteile aus der Ehe ziehen will, ohne bereit zu sein, die ihn selbst treffenden Verbindlichkeiten aus der Ehe zu erfüllen (RIS Justiz RS0009528, RS0009726). Nur aus krassen oder zumindest besonders schweren Eheverfehlungen des Unterhaltsberechtigten, die dem anderen Teil eine Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens unzumutbar machen oder das Begehren nach Unterhalt als sittenwidrig ansehen ließen, kann ein Unterhaltsverlust gerechtfertigt werden (RIS Justiz RS0009726 [T4], RS0009759, RS0005529, RS0047115). Das Verhalten des unterhaltspflichtigen Ehegatten darf bei dieser Beurteilung nicht vernachlässigt werden (RIS Justiz RS0009766 [T2]).

2.2. Für den für die Klägerin einschreitenden Rechtsanwalt war nicht vorhersehbar, dass die mit bezughabenden Unterlagen belegte Mitteilung an den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer mit Erfolg als Unterhaltsverwirkungstatbestand herangezogen werden könnte. Diese Mitteilung erfolgte im Zuge einer im eigenen Namen der Klägerin durchgeführten Verständigung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer nach § 22 RL BA 1977 über das (Zwischen-)Ergebnis einer übernommenen Vertretung gegen ein anderes Mitglied einer Rechtsanwaltskammer. Die Ausführungen wurden vom Rechtsanwalt und nicht von der Beklagten initiiert. Die in der Mitteilung angesprochene Streichung in einer dem Gericht vorgelegten Urkunde veränderte den Inhalt des E Mails maßgeblich. Bei dieser Sachlage musste der Rechtsanwalt nicht damit rechnen, dass das im Namen der Klägerin ergangene Schreiben an den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer der Beklagten als gravierende Eheverfehlung im Sinn des § 94 Abs 2 ABGB angelastet werden könnte. Davon ging auch nur (vor Vergleichsabschluss) das nicht in Rechtskraft erwachsene Ersturteil in einem vom Ehegatten gegen die Beklagte eingeleiteten Verfahren aus. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht sowohl die Wertlosigkeit der Vertretungsleistungen als auch eine Schadenersatzpflicht der Klägerin vertretbar verneint.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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