10Ob11/16i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Rechtsanwalt in Dornbirn, dieser vertreten durch Mag. Simon Mathis, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei Mag. J*****, vertreten durch Kucera Rechtsanwälte GmbH in Hard, wegen Unterhalt, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 24. September 2015, GZ 3 R 254/15y 73, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 21. April 2015, GZ 1 C 14/13s 52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden: nur „Klägerin“) begehrt vom Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden: nur „Beklagter“) ab 1. 12. 2011 Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 987 EUR netto. Mit der Klage verband sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, der Beklagte sei verpflichtet, ihr ab 1. 7. 2013 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens einen einstweiligen Unterhalt von monatlich 987 EUR netto zu leisten.
Im ersten Rechtsgang wurde ein Teilbegehren der Klägerin an einstweiligem Unterhalt in Höhe von 312 EUR monatlich rechtskräftig abgewiesen. Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens war daher nur mehr das Begehren der Klägerin auf Zahlung von einstweiligem Unterhalt in Höhe von restlichen 675 EUR monatlich.
Ohne die bereits rechtskräftige Teilabweisung im ersten Rechtsgang zu beachten, wies das Erstgericht auch im zweiten Rechtsgang den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, der Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin ab 1. 7. 2013 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens einen einstweiligen Unterhalt in Höhe von 987 EUR monatlich zu leisten, ab.
Das Rekursgericht gab mit seiner Entscheidung vom 24. 9. 2015 dem Rekurs der Klägerin mit der Maßgabe nicht Folge, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Abweisung des 675 EUR übersteigenden Begehrens ersatzlos aufgehoben wurde. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem Verfahrenshelfer der Klägerin am 6. 11. 2015 zugestellt.
Am 20. 11. 2015 (somit rechtzeitig) langte der vom Verfahrenshelfer elektronisch eingebrachte Antrag gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO, §§ 528 Abs 2a iVm 508 ZPO verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs ein. Der Verfahrenshelfer legte seinem Rechtsmittel zugrunde, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts 24.300 EUR (675 EUR x 36 = 24.300 EUR) beträgt, weil der strittig gebliebene Unterhalt 675 EUR monatlich betrage.
Mit Beschluss vom 14. 1. 2016 wies das Rekursgericht diesen Antrag samt dem ordentlichen Revisionsrekurs zurück.
Im Akt erliegt noch ein weiteres Rechtsmittel der Klägerin gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 24. 9. 2015, das an den Obersten Gerichtshof gerichtet und als „außerordentlicher Revisionsrekurs in eventu: Zulässigkeitsvorstellung iVm ordentlichem Revisionsrekurs“ bezeichnet ist. Dieses Rechtsmittel ist von der Klägerin selbst verfasst und per Fax an das Erstgericht übermittelt worden. Es trägt den Sendevermerk „20. 11. 2015 17.22 Uhr“, jedoch den Eingangsstempel des Erstgerichts „23. 11. 2015“. In diesem Rechtsmittel wird unter Hinweis darauf, das Rekursgericht habe „in Wirklichkeit“ auch über den bereits rechtskräftig abgewiesenen Teil des Sicherungsantrags neuerlich entschieden, von einem Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts von mehr als 30.000 EUR ausgegangen (987 EUR x 36 = 35.532 EUR).
Das Erstgericht stellte dieses Rechtsmittel zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch rechtsanwaltliche Unterfertigung an den Verfahrenshelfer zurück. Die Aufforderung zur Verbesserung wurde diesem nach der Aktenlage am 1. 12. 2015 durch Hinterlegung zugestellt (vgl Rückschein bei ON 77). Mit Eingabe vom 17. 12. 2015 nach der Aktenlage somit nach Ablauf der 14 tägigen Verbesserungsfrist legte der Verfahrenshelfer das verbesserte Rechtsmittel (nach Unterfertigung) neuerlich vor.
Das Erstgericht legte es dem Obersten Gerichtshof direkt zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist für die Erledigung dieses Rechtsmittels nicht zuständig.
1. Bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts in Unterhaltsverfahren kommt es, wenn (auch) laufende Ansprüche zu beurteilen sind, grundsätzlich auf den 36 fachen Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags an, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war. Unterhaltsansprüche, die vor diesem Zeitpunkt strittig waren, haben hingegen unberücksichtigt zu bleiben (RIS Justiz RS0042366 [T9]). Da im ersten Rechtsgang der Revisionsrekurs der Klägerin gegen die Abweisung eines einstweiligen Unterhalts im Teilbetrag von 312 EUR monatlich rechtskräftig zurückgewiesen wurde, war zwischen den Streitteilen zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung im zweiten Rechtsgang nur mehr der einstweilige Unterhaltsbetrag von 675 EUR monatlich streitverfangen. Es ist daher beim Rechtsmittel der Klägerin von einem 30.000 EUR nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstand auszugehen (675 EUR x 36 = 24.300 EUR).
2. In Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und in denen das Gericht zweiter Instanz die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ausgesprochen hat, ist auch im Sicherungsverfahren gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 528 Abs 2 Z 1a ZPO vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig. Es steht der Partei nur die Möglichkeit offen, gemäß §§ 528 Abs 2a, 508 ZPO einen Antrag an das Rekursgericht zu stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen. Dem Rechtsmittelwerber steht also nur der Rechtsbehelf der Zulassungsvorstellung zur Verfügung.
3. Im vorliegenden Fall wurde dem vom Verfahrenshelfer gestellten Antrag vom 20. 11. 2015 auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rekursgericht nicht Folge gegeben. Ein ordentliches Rechtsmittel ist somit nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof ist deshalb zur Entscheidung über die Zulässigkeit des weiteren (von der Klägerin selbst verfassten) Rechtsmittels, mag es auch als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnet und an den Obersten Gerichtshof gerichtet sein, funktionell unzuständig (RIS Justiz RS0109620; RS0109623). Auch dieses Rechtsmittel wird vom Rekursgericht zu behandeln sein. Der Oberste Gerichtshof ist in Ermangelung einer Kognitionsbefugnis darüber zur Entscheidung nicht berufen.
Der Akt war daher dem Erstgericht zurückzustellen.