JudikaturOGH

20Os21/15m – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 3. Dezember 2012, AZ D 68/11, (DV 25/12), verbunden mit AZ D 46/12 (DV 26/12), TZ 20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler und des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Lughofer, LL.M. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Schuld wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis in seinem Schuldspruch Punkt 1. sowie demgemäß im Strafausspruch (Punkt 3.) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer verwiesen.

Aus Anlass der Berufung wird der Schuldspruch Punkt 2. aufgehoben und Mag. ***** vom Vorwurf, er habe entgegen § 19 Abs 3 RAO und § 17 RL BA 1977 in das von ihm im Zeitraum 22. August 2011 bis 14. November 2012 verwendete Vollmachtsformular die Vereinbarung aufgenommen, dass ein Mandant bei strittigen Honorarforderungen auf die gerichtliche Hinterlegung verzichtet, gemäß § 38 Abs 1 DSt freigesprochen.

Mit seiner Berufung wegen Schuld zum Schuldspruch Punkt 2. sowie mit jener wegen Strafe wird der Disziplinarbeschuldigte auf die Aufhebungen verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, im Übrigen auch einen unbekämpften Freispruch von einem weiteren Tatvorwurf enthaltenden Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Mag. ***** wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt.

Danach hat er

1. als Rechtsvertreter von Amira P***** aus den im Mai 2012 bei ihm eingegangenen Fremdgeldern von insgesamt 102.271,15 Euro Honorare von insgesamt 15.752,25 Euro einbehalten, nur den Restbetrag von 86.518,90 Euro an die Mandantin weitergeleitet und, obwohl der Honorarbetrag von dieser bestritten wurde, den bestrittenen Honorarbetrag entgegen § 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL BA 1977 nicht gerichtlich hinterlegt oder an die Mandantin unverzüglich ausbezahlt, sondern sich vielmehr auf die § 19 Abs 3 RAO und § 17 RL BA 1977 widersprechende Vereinbarung in der Vollmacht, wonach die Mandantin auf eine gerichtliche Hinterlegung verzichtet habe, berufen, sowie

2. in sein Vollmachtsformular zumindest vom 22. August 2011 bis 14. November 2012 eine § 19 Abs 3 RAO und § 17 RL BA 1977 widersprechende Vereinbarung, wonach der Mandant bei strittigen Honorarforderungen auf die gerichtliche Hinterlegung verzichtet, aufgenommen.

Über ihn wurde unter (rechtsirriger) Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 22. August 2008, D 34/08, DV 41/08, und vom 6. Februar 2012. D 51/11, DV 62/11, eine zusätzliche Geldbuße in Höhe von 3.000 Euro verhängt.

Gegen diese Verurteilung richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld und Strafe mit den Anträgen, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und einen Freispruch zu fällen; in eventu eine mildere Disziplinarstrafe zu verhängen.

Der Kammeranwalt erstattete eine Gegenausführung zur Berufung und beantragte der Berufung wegen Schuld keine Folge zu geben, hinsichtlich der erhobenen Strafberufung indes die erhebliche Verfahrensdauer angemessen zu berücksichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Ad Schuldspruch Punkt 1.:

Der Rechtsanwalt ist berechtigt, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt ist, in Abzug zu bringen, ist jedoch schuldig, sich hierüber sogleich mit seiner Partei zu verrechnen (§ 19 Abs 1 RAO). Das in § 19 Abs 3 RAO normierte Aufrechnungsverbot für Rechtsanwälte in Ansehung ihrer Honorarforderungen mit für die Mandantschaft vereinbarten Barschaften gilt nur für bestrittene Honorarforderungen (1 Ob 4/07f).

Der Disziplinarrat vermeint, ungeachtet der schriftlichen Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung (nach Besprechung der Honorarnote) durch die Mandantin vom 24. Mai 2012 sei eine derart strittige Forderung anzunehmen. Begründend führt er aus, dass nicht alleine der Zeitpunkt des 24. Mai 2012 maßgeblich sei, zumal danach die Mandantin unzweifelhaft zu erkennen gegeben habe, mit der Honorarabrechnung nicht einverstanden zu sein.

Die diesbezüglichen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Erklärung der Amira P***** vom 24. Mai 2012 und die Interpretation der weiteren Korrespondenz begegnen ernsten Zweifeln.

So geht der Disziplinarrat ohne hinreichende Beweisergebnisse davon aus, dass es „nicht dem wahren Willen von Frau P***** am 24. Mai 2012 entsprochen habe und die Erklärung so zu verstehen gewesen sei, dass sie nicht vorbehaltlos und endgültig im Sinne einer Novation den Honoraranspruch des Disziplinarbeschuldigten als richtig fixieren wollte“ (ES 17). Der Disziplinarrat übersieht dabei zunächst, dass eine Novation nicht notwendig ist, um eine Honorarforderung als unbestritten anzusehen. Nach dem Wortlaut der am 24. Mai 2012 schriftlich abgegebenen Erklärung hat P***** indes bestätigt, dass die Abrechnung im Detail besprochen und als in Ordnung befunden wurde (ES 13) eine Honorarbestreitung ist darin nicht erkennbar.

Auch die Feststellungen disloziert angeführt in der rechtlichen Beurteilung in ES 17 zum darauffolgenden Geschehen lassen sich nicht bedenkenfrei mit den aktenkundigen Urkunden vereinbaren. So lag der Kritikpunkt der Mandantin im Zuge der weiteren Korrespondenz ausschließlich in der Höhe eines Kostenvorschusses und äußerte sie sich, sie wolle diesbezüglich noch eine Prüfung vornehmen. Dafür, dass sich dieses Begehren „im Zweifel“ auf den gesamten einbehaltenen Honorarbetrag von 15.752,25 Euro bezogen hätte, finden sich keine Anhaltspunkte.

Wegen der erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der durch den Disziplinarrat getroffenen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Erklärung der Amira P***** vom 24. Mai 2012 war der Schuldspruch 1. und folglich der Strafausspruch aufzuheben. Der Disziplinarrat wird in Ergänzung des Beweisverfahrens jedenfalls die Genannte als Zeugin insbesondere mit Blick auf ein allfällig abgegebenes Anerkenntnis der Abrechnung zu vernehmen haben.

Zu Schuldspruch Punkt 2.:

Nach den erstinstanzlichen Annahmen verwendete der Disziplinarbeschuldigte Vollmachtsformulare mit ua folgender Passage: „Sämtliche Zahlungseingänge für den Mandanten dürfen, wenn noch offene Honorarforderungen bestehen, in diesem Ausmaß einbehalten werden und wird jedenfalls auf die gerichtliche Hinterlegung verzichtet.“ (ES 11).

Die Folgerung, dies hätte sich auf strittige Forderungen bezogen (ES 2, 13 ff), ist durch Feststellungen nicht gedeckt. Die konstatierte Formulierung ist so allgemein gehalten, dass daraus ein Disziplinarvorwurf (etwa aus § 19 Abs 3 RAO, § 17 RL BA 1977) nicht abgeleitet werden kann.

Da der zu Schuldspruch Punkt 2. festgestellte Sachverhalt somit den rechtlichen Schluss auf eine Verwirklichung eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstandes oder eine Berufspflichtverletzung nicht zulässt, sah sich der Oberste Gerichtshof von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) dazu veranlasst, die zum Nachteil des Disziplinarbeschuldigten erfolgte unrichtige Anwendung des Gesetzes zu korrigieren und diesbezüglich nach Aufhebung in der Sache selbst mit Freispruch vorzugehen.

Mit seiner darauf bezogenen Berufung wegen Schuld und jener wegen Strafe war der Rechtsmittelwerber auf die jeweiligen Aufhebungen zu verweisen.

Rückverweise