JudikaturOGH

10Ob95/15s – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3.711,99 EUR sA und Zwischenantrag auf Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. August 2015, GZ 64 R 60/15v 41, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 27. April 2015, GZ 4 C 447/13t 34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei haftet dem Kläger aufgrund eines rechtskräftigen Urteils in einem Vorverfahren für alle zukünftigen Schäden resultierend aus einer ärztlichen Fehlbehandlung.

Nunmehr begehrt der Kläger (unter anderem) Ersatz für Kosten der Pflege und Haushaltshilfe für den Zeitraum Februar bis Dezember 2012 im Ausmaß von 95,5 Stunden pro Monat à 15 EUR abzüglich eines von ihm bezogenen Pflegegeldes und den von der beklagten Partei bereits geleisteten Zahlungen.

Die beklagte Partei bestritt (unter anderem), dass aus der Fehlbehandlung ein 75,5 Stunden pro Monat übersteigender Pflegebedarf resultiere. Mit Schriftsatz vom 9. 1. 2014 brachte sie vor, dass, da der kausale Pflegebedarf von mehr als 75,5 Stunden pro Monat strittig sei, sie berechtigt sei, im Wege des Zwischenantrags auf Feststellung die Feststellung zu begehren, „dass sie naturgemäß bei unveränderten Umständen (rebus sic stantibus) nicht verpflichtet sei, dem Kläger ab dem Monat Februar 2012 monatlichen Ersatz für Pflegeaufwand im Ausmaß von mehr als 75,5 Stunden pro Monat zu leisten“. Diesen Zwischenantrag auf Feststellung bewertete sie mit 12.000 EUR.

Das Erstgericht wies diesen Zwischenantrag auf Feststellung zurück und führte aus, dass ein solcher Antrag nur zulässig sei, wenn die Summe der zusammenzurechnenden Streitwerte des Klagsanspruchs und des Feststellungsantrags die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze nicht übersteige, was hier jedoch der Fall sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei gegen diesen Beschluss nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Den Antrag der beklagten Partei auf Abänderung dieses Ausspruchs nach § 528 Abs 2a ZPO und den Revisionsrekurs wies es zurück.

Im fortgesetzten Verfahren stellte die beklagte Partei einen wortgleichen Zwischenantrag auf Feststellung, bewertete ihn jedoch nur mehr mit 10.000 EUR.

Diesen Antrag wies das Erstgericht neuerlich zurück. Ein Zwischenantrag auf Feststellung sei nur zur Feststellung eines zwischen den Parteien strittigen Rechts oder Rechtsverhältnisses zulässig, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhänge. Der Antrag der beklagten Partei ziele aber auf die Feststellung des Pflegebedarfs des Klägers ab Februar 2012 ab, damit in Wahrheit auf eine Tatsachenfeststellung.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der beklagten Partei nicht Folge. Auch Zurückweisungsbeschlüsse würden in materielle Rechtskraft erwachsen. Diese hielte zwar einer nachträglichen Tatbestandsänderung nicht stand. Die Wiederholung desselben Rechtsstreits sei jedoch ausgeschlossen, wenn nicht nur die Identität der Parteien, sondern auch des Entscheidungsantrags und der zu seiner Begründung vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen gegeben sei. Der nunmehr gestellte Zwischenantrag sei mit dem zuvor zurückgewiesenen ident, nur die Bewertung sei geändert worden. Eine derartige nachträgliche Änderung der Bewertung sei aber nicht zulässig. Vielmehr sei die beklagte Partei an die ursprüngliche Bewertung gebunden, zumal sich die Umstände nicht geändert hätten. Da über den Zwischenantrag daher bereits rechtskräftig entschieden sei, sei die Zurückweisung im Ergebnis zu Recht erfolgt.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zur Frage zu, ob bei gleichbleibender Sach und Rechtslage eine Änderung der Bewertung eine nachträgliche Tatbestandsänderung sei, die der materiellen Rechtskraft entgegenstehe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung ersatzlos aufzuheben und die Rechtssache zur meritorischen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu den Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Zwischenantrag auf Feststellung stattgegeben werde bzw den Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und die Rechtssache an dieses zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestätigung der Zurückweisung eines Zwischenantrags auf Feststellung ist analog § 528 Abs 2 Z 2 ZPO wie die Bestätigung der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen anfechtbar. Der Revisionsrekurs ist in diesen Fällen trotz Vorliegens von Konformatsbeschlüssen der Vorinstanzen nicht jedenfalls unzulässig (RIS Justiz RS0119816, RS0118457). Er ist aber nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 528 Abs 1 ZPO). Hängt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht von jener Rechtsfrage ab, die das Rekursgericht für die Begründung seines Zulassungsausspruchs angeführt hat, und ist nicht ersichtlich, welche andere wesentliche Rechtsfrage eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen soll, ist der Revisionsrekurs unzulässig (RIS Justiz RS0042733). Das ist hier der Fall.

2. Mit dem Zwischenfeststellungsantrag nach §§ 236, 259 Abs 2 ZPO sollen Vorfragen für den Klagsanspruch mit Rechtskraftwirkung über den konkreten Rechtsstreit hinaus entschieden werden. Für den Beklagten ist der Zwischenantrag ein aktives Abwehrmittel, mit dem er die rechtskräftige Feststellung begehrt, dass das für den Anspruch des Klägers präjudizielle Rechtsverhältnis nicht besteht (RIS Justiz RS0039621). Gegenstand der Feststellung kann nur ein Rechtsverhältnis, niemals aber die Feststellung einer Tatsache sein ( Deixler Hübner in Fasching/Konecny 2 III § 236 Rz 4 mwN), ebenso wenig einzelner Tatbestandsmerkmale, die allenfalls geeignet sind, ein Recht zu begründen oder zu widerlegen, bloßer rechtlicher Qualifikationen, Eigenschaften oder Vorfragen eines Rechts (9 Ob 250/02h mwN). Bei Beurteilung der Frage, ob die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder nur die Feststellung einer Tatsache begehrt wird, kommt es nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Sinn des Begehrens an (RIS Justiz RS0038879).

3. Mit ihrem Zwischenantrag auf Feststellung strebt die beklagte Partei aber, wie das Erstgericht bereits richtig ausgeführt hat, nicht die Feststellung ihrer grundsätzlichen (Nicht )Haftung für vorfallskausale Schäden des Klägers an, über die bereits im Vorverfahren 10 Cg 125/06k des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien rechtskräftig abgesprochen wurde, sondern, wie die beklagte Partei in der Begründung ihres Antrags selbst ausführt, die Klärung der strittigen Frage, ob beim Kläger ein kausaler Pflegebedarf von mehr als 75,5 Stunden pro Monat vorliegt. Der Umfang des kausalen Pflegebedarfs ist aber eine dem Tatsachenbereich zuzuordnende Frage, die darüber hinaus nur konkret für den jeweils zu beurteilenden Zeitraum und nicht mit Wirkung darüber hinaus für zukünftige Perioden festgestellt werden kann (vgl 2 Ob 167/10p; RIS Justiz RS0111722).

Da der von der beklagten Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung daher schon aus diesem Grund unzulässig ist (vgl 5 Ob 218/10k; 2 Ob 536/78), kommt es auf die einzig im Revisionsrekurs relevierte Frage, ob die Unzulässigkeit auch wegen Vorliegens einer bereits rechtskräftigen Zurückweisung eines wortidenten Antrags gegeben ist, nicht an. Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

4. Der Streit um die Zulässigkeit des Zwischenantrags auf Feststellung löst einen Zwischenstreit aus, in dem abgesondert über die ihm zuzuordnenden Kosten zu entscheiden ist (RIS Justiz RS0053272). Da der Kläger auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, sind ihm die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung nach §§ 41, 50 ZPO zu ersetzen.

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