11Os153/15g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nusret J***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter und vierter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten J***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 2. Oktober 2015, GZ 50 Hv 46/15i 82, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen einen zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten J***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche weiterer Angeklagter und einen Freispruch eines Mitangeklagten enthält, wurde Nusret J***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch als Mitglied einer kriminiellen Vereinigung nach §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter und vierter Fall, 15 StGB (I/A und I/B) schuldig erkannt.
Danach hat er (zusammengefasst) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) durch Einbrechen in Gebäude fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen und wegzunehmen versucht,
I/A gemeinsam mit Bujamin T***** und Unbekannten
1) am 3. Juni 2015 in B***** Gewahrsamsträgern der Trafik K***** Bargeld, indem sie ein Fenster der Trafik aufzwängten, wobei sie die Alarmanlage auslösten und es dadurch beim Versuch blieb;
2) am 5. Juni 2015 in Wien Gewahrsamsträgern der Buchhandlung B***** Bargeld, indem sie die Eingangstür aufbrachen, wobei sie kein Diebsgut fanden, weshalb es beim Versuch blieb;
I/B) gemeinsam mit Bujamin T***** und Ramadan K***** am 7. Juni 2015 in Wien Gewahrsamsträgern des Gasthauses I***** eine Kellnerbrieftasche mit ca 200 Euro Bargeld, indem sie die Eingangstür aufbrachen,
wobei sie den Diebstahl „im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“ (US 8 f: als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds der Vereinigung) sowie den Diebstahl durch Einbruch (§ 129 StGB) in der Absicht begingen und zu begehen suchten, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die der eingangs abgegebenen Erklärung nach auf „§ 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b, 9 lit c, 10, 10a und 11 StPO“ gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nusret J*****.
Das erkennende Gericht ist weder dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen in extenso zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, noch muss es sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen. Es genügt vielmehr, wenn das Schöffengericht im Urteil in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und schlüssig und zureichend begründet, warum es von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS-Justiz RS0098541, RS0106642).
Deshalb bedurften auch die Depositionen des Zeugen H***** (US 11 ff) keiner eingehenderen Erörterung, weil dessen klarstellende Angaben in der Hauptverhandlung, er habe bloß vermutet (aber nicht gesehen), dass eine von ihm vor der Trafik wahrgenommene weitere (nicht unter den Angeklagten befindliche) Person kurz darauf ein aus der Fluchtrichtung vorbeifahrendes Fahrzeug gelenkt habe, der erstgerichtlichen Annahme nicht entgegenstehen, der noch in derselben Nacht in B***** in seinem Fahrzeug mit einem zu den Tatortspuren passenden Schraubenzieher, einer Taschenlampe und Handschuhen betretene Beschwerdeführer habe bei allen Taten das Fahrzeug gelenkt und seine Mittäter zu den Tatorten gebracht (US 9, 11 f).
Gleichfalls musste auf die zu I/A/1 erfolgte Beschreibung des Zeugen H***** vor der Polizei der aus der Trafik flüchtenden Täter („auf jeden Fall zwei junge Männer, die sehr schnell davon gelaufen sind“) nicht näher eingegangen werden (Z 5 zweiter Fall), weil dieser in der Hauptverhandlung relativiert hatte, es sei finster gewesen und er habe die Gesichter von hinten gar nicht gesehen.
Mit dem Hinweis auf die erwähnten Aussagen des Zeugen H***** gelingt es dem Nichtigkeitswerber auch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die erstgerichtlichen Annahmen zu seiner Täterschaft zu erwecken.
Die einen „Feststellungsmangel“ (RIS Justiz RS0118580; gemeint: Rechtsfehler mangels Feststellungen; vgl RIS-Justiz RS0119884) zu I/A/1 reklamierende Beschwerde (Z 9 lit a) legt nicht dar, welcher Konstatierungen es über jene hinaus, wonach der Beschwerdeführer bei entsprechender subjektiver Tatseite (US 8) seine Komplizen zur Begehung von Einbruchsdiebstählen zu den Tatorten brachte (US 9), für einen Schuldspruch wegen (qualifizierten) Einbruchsdiebstahls bedurft hätte. Im Übrigen ist angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen ohne Bedeutung für die Schuld- oder Subsumtionsfrage, ob der Rechtsmittelwerber unmittelbarer Täter oder Beitragstäter war (RIS-Justiz RS0117604).
Soweit die Mängelrüge zu I/A/1 und I/A/2 unter Berufung auf den Fundort von sichergestellten Mobiltelefonen und die Angaben des Nichtigkeitswerbers, nicht Nutzer der in seinem Fahrzeug (beim Fahrersitz) sichergestellten Geräte gewesen zu sein, eine unvollständige Begründung des Urteils zur entscheidenden Annahme der Täterschaft (auch) des Genannten beanstandet (Z 5 zweiter Fall), bekämpft sie der Sache nach bloß die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter im Zusammenhang mit der (für die Tatfrage erheblichen) Zuordnung der sichergestellten Telefone an einzelne Personen (US 11 f). Der Beschwerde zuwider hat das Schöffengericht sowohl die Lage der Geräte bei der Auffindung (US 11) als auch die nicht in jedem Detail zu erörternde leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers (US 12) beleuchtet, daraus in einer Gesamtschau der vorliegenden Beweisergebnisse (US 10 ff) jedoch nicht die vom Beschwerdeführer gewünschten Schlüsse gezogen.
Welche erheblichen (vgl RIS-Justiz RS0116877) Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung (US 12) „ungewürdigt“ (Z 5 zweiter Fall) geblieben sein sollen, macht die Beschwerde nicht klar.
Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) wiederum ist die Ableitung der Täterschaft des Nichtigkeitswerbers zu I/A/1 und I/A/2 aus der Anhaltung desselben innerhalb einer Stunde nach dem Vorfall zu I/A/1 ohne plausible Erklärung für seine Anwesenheit in der Nähe des Tatorts einerseits und mit passendem Einbruchswerkzeug andererseits (I/A/1) sowie weiters aus den Standorten und Verbindungen der sichergestellten Mobiltelefone und der Übereinstimmung von Einbruchsspuren an allen drei Tatorten mit bei den Angeklagten sichergestelltem Werkzeug (US 11 f) nicht zu beanstanden.
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sind Entscheidungsgründe bloß, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Dass der Bericht der kriminalpolizeilichen Untersuchung des erwähnten Werkzeugs (ON 41 S 71 ff) eindeutige Charakteristiken im Fein- und Schartenspurenbereich ergeben hätte, wird im Urteil nicht behauptet (US 11), vielmehr bezieht sich dieses erkennbar und aktenkonform auf die darin festgestellte „optische Übereinstimmung“ der an den Tatorten gefundenen Eindrucksspuren mit den Klingenbreiten der untersuchten Schraubendreher. Mit dem Vorbringen, das Werkzeug sei den Tatorten nicht „eindeutig“ zuordenbar, wird demnach abermals bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung bekämpft.
Zwar zeigt die Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) zutreffend auf, dass der Angeklagte Ramadan K***** den Beschwerdeführer (und sich selbst) zu I/B nicht schon wie vom Erstgericht unterstellt (US 10) ebenso wie der Angeklagte Bujamin T***** vor der Polizei (ON 4 S 49), sondern erst vor der Haftrichterin (ON 13) belastet hatte. Im Hinblick auf die Gesamtheit der Urteilserwägungen macht die Beschwerde jedoch nicht klar, inwiefern sich diese bloß überschießende Zuschreibung eines tatsächlichen früheren Aussageinhalts zu seinem Nachteil auf die Feststellung über die entscheidende Tatsache (auch) seiner Täterschaft ausgewirkt haben soll ( Ratz , WK StPO § 282 Rz 24; § 281 Rz 31, 424): Hielt das Schöffengericht doch fest, dass den Angaben dieser Mitangeklagten in der Hauptverhandlung keine Überzeugungskraft zukam, weil sie keine plausible Erklärungen dafür lieferten, weshalb sie den Nichtigkeitswerber „ursprünglich“ (im Sinn von vor der Hauptverhandlung) belastet hatten, und dass ihre aktuelle Behauptung, der Genannte habe (ohne Wissen um den von ihnen verübten Einbruchsdiebstahl) bloß im Auto gewartet, durch die Ergebnisse der Observation, derzufolge alle drei Angeklagten das Gastlokal betraten, widerlegt seien (US 11).
Indem der Beschwerdeführer vom Erstgericht in seinen früheren Aussagen ausgemachte Widersprüche zum Grund seiner Anwesenheit am Tatort zu I/B (US 12 iVm ON 4 S 25 und ON 11 S 3) negiert und dabei dem Urteil, das sich eindeutig auf die zeitliche Reihenfolge der erwähnten Aussagen (und nicht auf eine Aufeinanderfolge von darin behaupteten Gründen für den Aufenthalt in Tatortnähe) bezieht (US 12), einen anderen Bedeutungsinhalt unterstellt, vermag er keine Aktenwidrigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO aufzuzeigen.
Aus welchem Grund die erschwerende Wertung der „mehrfachen Deliktsqualifikation“ (US 17) gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 11 zweiter Fall) verstoßen sollte, erklärt der Beschwerdeführer nicht und verabsäumt damit schon die gesetzmäßige Ausführung der Sanktionsrüge (RIS Justiz RS0099810). Im Übrigen zählt die Qualifikation nach § 130 zweiter Fall StGB nicht zu den Voraussetzungen der Deliktsqualifikation nach § 130 vierter Fall StGB (vgl dazu RIS-Justiz RS0092210, RS0092600) , weshalb keine Verletzung des § 32 Abs 2 erster Satz StGB vorliegt (vgl RIS Justiz RS0116020, RS0100027).
Weiteres Vorbringen enthält das Rechtsmittel nicht, weshalb es sich hinsichtlich der im Einleitungssatz angeführten („geltend gemachten“) weiteren Nichtigkeitsgründe als nicht deutlich und bestimmt ausgeführt erweist (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO; RIS Justiz RS0116879).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO) und die Beschwerde (§ 498 Abs 3 letzter Satz StPO) des Genannten folgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.