JudikaturOGH

11Os143/15m – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mircea O***** wegen des Vergehens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG, AZ 24 Hv 109/14i des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 10. April 2015 (ON 31) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 24 Hv 109/14i des Landesgerichts Innsbruck verletzen die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in Abwesenheit des Angeklagten § 427 Abs 1 StPO.

Text

Gründe:

Im Verfahren des Landesgerichts Innsbruck AZ 24 Hv 109/14i wurde dem Angeklagten Mircea O***** am 16. Jänner 2015 der in die rumänische Sprache übersetzte Verfolgungsantrag der Staatsanwaltschaft wegen als Vergehen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG (idF vor BGBl I 2015/121) beurteiltem Verhalten an seinem Wohnort in Rumänien zu eigenen Handen zugestellt (ON 25 S 3).

Am 24. Februar 2015 wurde die wiederum im Rechtshilfeweg vorzunehmende Zustellung der in die rumänische Sprache übersetzten Ladung des O***** zur Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter verfügt (ON 26).

Die Hauptverhandlung fand am 10. April 2015 in Abwesenheit des Angeklagten statt (ON 30). Die Richterin ging dabei trotz Erkennbarkeit des Gegenteils irrig davon aus (ON 30 S 2), dass der Zustellnachweis ON 25 auch die Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung umfasste.

Mit am selben Tag verkündetem Urteil, GZ 24 Hv 109/14i 31, wurde Mircea O***** anklagekonform schuldig erkannt und unter Anwendung der §§ 28, 37 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 4 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Der bei diesem Angeklagten sichergestellte Bargeldbetrag von 57,90 Euro wurde nach § 20 Abs 1 StGB für verfallen erklärt. Den Schuldspruch und den Ausspruch über den Verfall gründete das Gericht ausschließlich auf die von Anbeginn an geständige Verantwortung des auf frischer Tat betretenen Angeklagten, der vor der Polizei auch eingeräumt hatte, den bei ihm sichergestellten Bargeldbetrag für die Schleppung erhalten zu haben (ON 21 S 223 f).

Am 27. April 2015 veranlasste die Einzelrichterin die Zustellung des samt Rechtsmittelbelehrung in die rumänische Sprache übersetzten Urteils an den Angeklagten (ON 31 S 7, ON 33).

Mit am 15. Mai 2015 beim Landesgericht Innsbruck eingelangtem Schreiben teilte das rumänische Rechtshilfegericht mit, dem Angeklagten wären „die Verfahrensunterlagen“ darunter die Ladung zur Hauptverhandlung (erst) am 28. April 2015 (somit nach in seiner Abwesenheit erfolgter Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsfällung) zugestellt worden (ON 34).

In der Folge richtete der Angeklagte ein mit 15. Juli 2015 datiertes Schreiben an das Landesgericht Innsbruck, in welchem er „um die Erlaubnis ersuchte, die über ihn verhängte Geldstrafe in Raten zu bezahlen“ (ON 42). Begründend verwies er auf seine Einkommenslosigkeit bzw auf die Beschäftigung als Gelegenheitsarbeiter und auf den unter einem bescheinigten Umstand, dass seine „zukünftige Frau“ im 7. Monat schwanger sei. Rechtsmittel gegen das Urteil erhob der Angeklagte nicht.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die Vorgangsweise des Landesgerichts Innsbruck mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 427 Abs 1 erster Satz StPO darf bei sonstiger Nichtigkeit nur dann die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt und das Urteil gefällt werden, wenn es sich um ein Vergehen handelt, der Angeklagte gemäß § 164 StPO oder § 165 StPO zum Anklagevorwurf vernommen und ihm die Ladung zur Hauptverhandlung persönlich zugestellt wurde.

Gegen die letztgenannte Anordnung verstieß das Erstgericht wie dargestellt.

Diese Gesetzesverletzung war im Einklang mit der Generalprokuratur festzustellen.

Eine nachteilige Auswirkung derselben kann im konkreten Fall aber nicht erblickt werden, weil der (im Fahrzeug mit den Geschleppten betretene) im Ermittlungsverfahren geständige Angeklagte den für ihn ohne weiteres erkennbaren Gesetzesverstoß nicht geltend machte und nach Erhalt des Abwesenheitsurteils lediglich beantragte, die verhängte (und offenkundig ähnlich einem Ablauf iSd § 491 StPO akzeptierte) Geldstrafe in Teilbeträgen entrichten zu dürfen.

Demgemäß sah sich der Oberste Gerichtshof zur Aufhebung des Urteils nicht veranlasst.

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