1Ob182/15v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach M***** W*****, vertreten durch Mag. Dr. Marc Gollowitsch, Rechtsanwalt in Pöchlarn, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich (Bund), und 2. Dr. F***** A*****, Rechtsanwalt, *****, wegen Feststellung und Leistung über den außerordentlichen Revisionrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. August 2015, GZ 14 R 102/15w 17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 19. Juni 2015, GZ 4 Cg 74/14d 13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der vom Alleinerben beauftragte Klagevertreter erhebt namens der jenem bereits eingeantworteten Verlassenschaft Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten, die im Kern darauf zurückgeführt werden, dass die gerichtlichen Organe der Erstbeklagten zu Unrecht einen einstweiligen Sachwalter für die Erblasserin bestellt hätten und der Zweitbeklagte als einstweiliger Sachwalter fehlerhafte Vertretungshandlungen gesetzt hätte. Im Einzelnen wird von beiden Beklagten als Solidarschuldner ein Betrag von 15.473 EUR samt Zinsen begehrt, weil die später Verstorbene ohne Notwendigkeit in einem Pflegeheim untergebracht worden sei, was entsprechende Kosten verursacht habe. Von der Erstbeklagten wird weiters aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz von 64.771,60 EUR samt Zinsen mit der Begründung gefordert, das Bezirksgericht habe ohne Notwendigkeit Rodungsarbeiten zu einem weit überhöhten Preis auf einer Liegenschaft der später Verstorbenen genehmigt, durch die letztlich auch kein Ertrag, sondern ein Schaden in Höhe der genannten Summe herbeigeführt worden sei. Schließlich werden gegen die Erstbeklagte zwei schadenersatzrechtliche Feststellungs-begehren erhoben. Das Begehren auf Feststellung der Haftung für sämtliche Schäden, die durch einen Polizeieinsatz von „Cobrabeamten“ am 12. 10. 2002 an der Wohnliegenschaft der später Verstorbenen entstanden seien, bewertete der Einschreiter mit 2.180 EUR. Für das weitere Feststellungsbegehren, die Erstbeklagte hafte für sämtliche „aus der ungerechtfertigten Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens und der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters“ entstandenen Schäden, unterblieb eine Bewertung.
Nach einem gerichtlichen Verbesserungsauftrag, in dem der Einschreiter unter anderem aufgefordert wurde, klarzustellen, ob nach der rechtskräftigen Einantwortung die Bezeichnung der klagenden Partei auf die Person des eingeantworteten Alleinerben berichtigt werden solle, antwortete er, der Erbe sei trotz mehrfachen Befragens der Ansicht, dass er aufgrund eines nicht ordnungsgemäßen Verlassenschaftsverfahrens und der gerichtlich angeordneten Nachlassseparation nicht Gesamtrechtsnachfolger sei.
Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender Parteifähigkeit des als klagende Partei genannten Gebildes a limine zurück. Mit formeller Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses trete der Erbe in die Rechtsstellung des Verstorbenen ein und höre der ruhende Nachlass auf zu existieren, und zwar unabhängig von einer weiterbestehenden Nachlassseparation. Im Übrigen sei der Alleinerbe bereits wiederholt darauf hingewiesen worden, dass ihm keine Vertretungsbefugnis für die Verlassenschaft mehr zugekommen sei, nachdem ihm die Benützung und Verwaltung des Nachlasses rechtskräftig entzogen worden war. Es würde daher auch bei Vorliegen der Parteifähigkeit an der Vertretungsmacht des Einschreiters als absoluter und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmender Prozessvoraussetzung mangeln.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Bezug auf die beiden Feststellungsbegehren jeweils 5.000 EUR nicht übersteige und der Revisionsrekurs insoweit jedenfalls unzulässig sei; im Übrigen sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig. Einen Antrag nach § 508 ZPO auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs wies das Rekursgericht im Hinblick auf das Zahlungsbegehren von 15.473 EUR sA samt dem insoweit erhobenen Revisionsrekurs zurück. In der Sache verwies es darauf, dass im Rekurs die vom Erstgericht angenommene mangelnde Parteifähigkeit der (bereits beendeten) Verlassenschaft nicht in Zweifel gezogen werde, weshalb auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden könne. Aber auch im Falle einer Parteifähigkeit der Verlassenschaft wäre der Einschreiter für diese nicht vertretungsbefugt, nachdem ihm das Verlassenschaftsgericht die Verwaltung und die Benützung des Verlassenschaftsvermögens entzogen habe. Damit habe jedenfalls völlig unabhängig vom Aufgabenkreis der Separationskuratorin seine Vertretungsbefugnis geendet. Das Argument, eine Rechtsnachfolge durch den Erben sei nicht eingetreten, weil es am Modus einer Besitzübergabe fehle, sei nicht nachvollziehbar. Der Nachlass sei dem Einschreiter als Erben mit rechtskräftigem Einantwortungsbeschluss mit der Maßgabe der Aufrechterhaltung der Nachlassseparation eingeantwortet worden. Da der Eigentumsübergang bereits durch die Einantwortung bewirkt werde, bedürfe es eines gesonderten Modus nicht, werde doch in den Fällen der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge das Intabulationsprinzip durch-brochen. Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die angesprochenen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der eindeutigen Gesetzeslage und der herrschenden Rechtsprechung gelöst worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen als „Rekurs“ bezeichnete im Namen der Verlassenschaft erhobene Revisionsrekurs ist zum Teil absolut unzulässig, im Übrigen mangels Erörterung eine iSd § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Die absolute Unzulässigkeit betrifft das Rechtsmittel insoweit, als es um die beiden vom Rekursgericht jeweils mit einem 5.000 EUR nicht übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands bewerteten Feststellungsbegehren geht, die auch nicht mit anderen Teilbegehren iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen sind (§ 55 Abs 4 JN iVm § 528 Abs 2 Z 1 ZPO).
Im Übrigen, also hinsichtlich des noch verbleibenden Zahlungsbegehrens über 64.771,60 EUR sA, sind die Rechtsmittelausführungen in keiner Weise geeignet, die unrichtige Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage durch das Rekursgericht aufzuzeigen, zumal auch ausdrücklich zugestanden wird, dass der Einantwortungsbeschluss bereits zur Gänze rechtskräftig geworden ist.
Wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, endet die Rechtspersönlichkeit des ruhenden Nachlasses mit rechtskräftiger Einantwortung (2 Ob 166/12v = iFamZ 2013/138, 183 [ Parapatits ]), mit der auch das Nachlassvermögen auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers übergeht (10 ObS 274/97k; weiters RIS Justiz RS0008181 [T1]), ohne dass es einer Übergabe oder einer sonstigen Erwerbsart bedürfte (vgl nur Sailer in KBB 4 § 819 ABGB Rz 5 mwN). Die dagegen im Revisionsrekurs geäußerte Auffassung, der Erbschaftserwerb sei noch nicht abgeschlossen, weil es keinen Modus gegeben habe und deshalb der ruhende Nachlass weiter existiere, wird in keiner Weise inhaltlich begründet.
Darüber hinaus tritt der Einschreiter auch dem Argument des Rekursgerichts, er sei zur Vertretung einer allenfalls noch bestehenden Verlassenschaft schon deshalb nicht befugt, weil ihm die ursprünglich eingeräumte Besorgung und Verwaltung des Nachlasses rechtswirksam nach § 175 AußStrG entzogen worden sei, nur mit dem formalen Argument entgegen, der Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators sei abgewiesen worden und es sei jedenfalls für eine Vertretung der Verlassenschaft zu sorgen. Dass aber gerade er ohne jeglichen Bestellungsakt vertretungsbefugt sein sollte, kann mit dem bloßen Hinweis auf seine Stellung als „erbserklärter“ Erbe nicht begründet werden.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).