5Ob190/15z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** K*****, als Insolvenzverwalter im Schuldenregulierungsverfahren des G***** H*****, vertreten durch die Huainigg Dellacher Partner Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei C***** AG, *****, vertreten durch die Lansky, Ganzger Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen (restlich) 250.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2015, AZ 4 R 40/15g 60, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Das unterbrochene Verfahren wird über Antrag der klagenden Partei wieder aufgenommen. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird wie im Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger spielte seit den 1990er Jahren mit Unterbrechungen bis zu seiner Sperre im November 2012 „Black Jack“ im Casino der Beklagten. Mit seiner Klage begehrte er von der Beklagten für die Jahre 2003 2006 und 2008 2012 die (Rück-)Zahlung von insgesamt 980.000 EUR samt Zinsen. Er stützt sich dabei einerseits auf die schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten wegen grob fahrlässigen Verstoßes gegen § 25 Abs 3 Glücksspielgesetz (GSpG) sowie auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der wegen partieller Geschäftsunfähigkeit infolge seiner pathologischen Spielsucht gemäß § 865 Satz 1 ABGB nichtigen Spielverträge.
Die Beklagte bestritt ein Fehlverhalten iSd § 25 Abs 3 GSpG, die partielle Geschäftsunfähigkeit des Klägers und die Höhe der behaupteten Spielverluste.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 600.000 EUR samt Zinsen und wies das Mehrbegehren von 380.000 EUR ab.
Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung ab. Es erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 350.000 EUR samt Zinsen zu zahlen und wies das Mehrbegehren in Höhe von 630.000 EUR samt Zinsen ab. Aus Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts könne der rechtliche Schluss auf eine partielle Geschäftsunfähigkeit des Klägers in Ansehung der mit der Beklagten geschlossenen Spielverträge nicht gezogen werden. Die einzelnen Spielverträge zwischen den Streitteilen seien daher nicht nichtig. Allerdings habe die Beklagte gegen § 25 Abs 3 GSpG verstoßen, weil sie ab 9. Jänner 2012 erkennen hätte können, dass der Kläger existenzgefährdend gespielt habe, und ihn (dauernd) vom Spielbetrieb hätte ausschließen müssen. Zur Festsetzung der Schadenshöhe zog (auch) das Berufungsgericht § 273 Abs 1 ZPO heran und es erachtete dabei einen Betrag von 350.000 EUR als angemessen.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs und Zurückverweisungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Zu I.:
Nach Einlangen der außerordentlichen Revision wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 9. Juli 2015 im Schuldenreglierungsverfahren über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverwalter bestellt, Eigenverwaltung liegt nicht vor. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer der Parteien ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Wenn der Gegenstand des Rechtsstreits wie hier ein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen ist, kann über ein vor Insolvenzeröffnung erhobenes Rechtsmittel während der gemäß § 7 Abs 1 IO ex lege eintretenden Unterbrechung nicht entschieden werden (RIS Justiz RS0037039, RS0036752, RS0036996 [T7]).
Das Verfahren kann vom Insolvenzverwalter, von den Streitgenossen des Schuldners und vom Gegner aufgenommen werden (§ 7 Abs 2 IO). Die Fortführung eines unterbrochenen Verfahrens setzt dabei einen Aufnahmeantrag sowie einen gerichtlichen Aufnahmebeschluss voraus (RIS Justiz RS0037128 [T16, T18, T23]. Der Fortsetzungsantrag muss dabei nicht ausdrücklich als solcher gestellt werden.
Es genügt vielmehr, wenn die Vornahme einer Gerichtshandlung beantragt wird, durch die das unterbrochene Verfahren in Gang gesetzt werden soll (RIS Justiz RS0064106, RS0037124; vgl aber RS0037130). In der
Bekanntgabe des im Schuldenregulierungsverfahren bestellten Masseverwalters vom 5. November 2015 ist der auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens zielende Antragswille in diesem Sinn deutlich erkennbar (RIS Justiz RS0037193 [T6]). Das Verfahren war daher mit diesem als Kläger fortzusetzen und die Parteienbezeichnung war zu berichtigen (vgl RIS Justiz RS0039713).
Zu II.:
Die Revision ist mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen.
1.
Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision mit dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Kriterien partielle Geschäftsunfähigkeit vorliegt und in wie weit als Vorgabe dazu der nach den Feststellungen des Erstgerichts betroffene „aktive Glücksspielvorgang“ zu definieren ist.
2. Da grundsätzlich von der Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person auszugehen ist, trifft denjenigen, der sich auf eine (partielle) Geschäftsunfähigkeit beruft, die Behauptungs und Beweislast für die Umstände, aus denen auf die (partielle) Geschäftsunfähigkeit geschlossen werden kann (RIS Justiz RS0014645 [T5]). Die tatsächlichen Umstände und persönlichen Eigenschaften im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärungen sind tatsächlicher Natur („Tatfrage“). Die Schlussfolgerung, ob aufgrund dieser Umstände von einer Geschäfts (un )fähigkeit auszugehen ist, ist hingegen eine Rechtsfrage (RIS Justiz RS0014641).
3. Das Berufungsgericht hat auf Basis der von ihm übernommenen Feststellungen des Erstgerichts (zu tatsächlichen Umständen und dessen persönlichen Eigenschaften) die Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der einzelnen Glückspielverträge verneint, weil ihm der Nachweis nicht gelungen sei, dass er auch außerhalb der eigentlichen Spielvorgänge und insbesondere schon vor dem jeweiligen aktiven Spiel vollkommen unfähig gewesen wäre, die Bedeutung und Tragweite seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung einzusehen. Dem hält der Revisionswerber entgegen, dass unter einem „Spielvorgang“ und dem „Zeitraum des aktiven Spiels“ im Sinne der erstgerichtlichen Feststellungen der Gesamtzeitraum des Glücksspiels in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten zu verstehen sei, in welchem der Kläger in einer Vielzahl verschiedener einzelner Akte eine Vielzahl verschiedener Glücksspielverträge in zum Teil kurzen Zeiträumen und zum Teil parallel abgeschlossen habe. Wie Feststellungen des Erstgerichts zu verstehen sind, begründet aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0118891); eine aufgrund eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt hier jedenfalls nicht vor.
4. Zu der von ihm in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Frage, ob § 25 Abs 3 GSpG idFd Novelle BGBl I Nr 105/2005 alle Ansprüche des Spielteilnehmers regelt und daher eine Berufung des Spielteilnehmers auf Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 865 ABGB und auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der Spielverträge ausschließt, führt der Kläger in seiner Revision nichts Näheres aus. Diese Frage ist für die Entscheidung auch nicht von Relevanz, weil die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gemäß § 865 Satz 1 ABGB hier schon mangels Nachweises der (partiellen) Geschäftsunfähigkeit ausscheidet. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0111271).