JudikaturOGH

12Os134/15w – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin im Verfahren gegen Sandra J***** wegen Übernahme der Vollstreckung einer Geldsanktion, AZ 180 Ns 9/15g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Wenger und der Betroffenen Sandra J***** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Fassung des Beschlusses vom 26. Juni 2015, GZ 180 Ns 9/15g-3, ohne vorherige Gewährung des Anhörungsrechts an Sandra J***** verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 53c Abs 5 EU-JZG.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die neuerliche Entscheidung über das Vollstreckungsersuchen des deutschen Bundesamts für Justiz vom 27. Mai 2015 nach Einräumung des rechtlichen Gehörs an die Betroffene aufgetragen.

Text

Gründe:

Die österreichische Staatsbürgerin Sandra J***** wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart Bad Cannstatt vom 24. Februar 2014, AZ 5 Cs 22 Js 14721/14, des Vergehens der Beleidigung nach §§ 185, 194 dStGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt (ON 1 S 1 ff).

Das deutsche Bundesamt für Justiz ersuchte mit Note vom 27. Mai 2015 um Übernahme der Vollstreckung der erwähnten Gesamtgeldstrafe von 450 Euro zuzüglich 73,50 Euro Verfahrenskosten (ON 1). Die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht zugelassen (ON 1 S 12; vgl § 53d Abs 3 EU-JZG).

Das Landesgericht für Strafsachen Wien übernahm ohne der im Inland über eine aktenkundige Adresse verfügenden Sandra J***** (vgl ON 1 S 7 und ZMR ON 2) rechtliches Gehör zu gewähren mit Beschluss vom 26. Juni 2015 (ON 3) gemäß § 53 Abs 1 EU-JZG die Vollstreckung der mit dem bezeichneten Strafbefehl verhängten Geldstrafe zuzüglich Verfahrenskosten und setzte die im Inland zu vollstreckende Geldstrafe mit denselben Beträgen, also mit insgesamt 523,50 Euro fest.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 28. September 2015, AZ 22 Bs 244/15s, wurde die von Sandra J***** gegen den erstgerichtlichen Beschluss erhobene Beschwerde (ON 4, ergänzt mit ON 6) als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Das Verfahren auf Übernahme der Vollstreckung steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Gemäß § 53c Abs 5 EU-JZG ist vor der Entscheidung über die Vollstreckung die Betroffene soweit hier aktuell zu den Voraussetzungen der Vollstreckung (§§ 53, 53a EU-JZG) und zur Höhe des zu vollstreckenden Betrags (§ 53d Abs 2 EU-JZG) zu hören, sofern sie im Inland „geladen werden kann“. Das in der genannten Bestimmung statuierte rechtliche Gehör (vgl ErläutRV 48 BlgNR 23. GP 15) verletzte das Landesgericht durch Entscheidung in der Sache, ohne zuvor Sandra J***** trotz aktenkundiger Adresse in Wien Gelegenheit zur Anhörung einzuräumen (vgl 15 Os 45/15d; 11 Os 156/13w).

Ein aus der Gesetzesverletzung resultierender Nachteil für die Betroffene kann nicht ausgeschlossen werden. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, die aus dem Spruch ersichtliche konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO).

Vom aufgehobenen Beschluss rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

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