JudikaturOGH

20Os13/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Mörth und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 9. März 2015, AZ D 25/14 (DV 47/14, TZ 19), nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Wenger, des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Lughofer, LL.M., des Disziplinarbeschuldigten sowie seines Verteidigers Dr. Steiner zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt.

Demnach hat er Ende 2013, Anfang 2014 die A***** GmbH in Liquidation im Verfahren AZ 17 S 42/12a des Landesgerichts Ried im Innkreis vertreten und im Verfahren AZ 1 Cg 39/13b des Landesgerichts Ried im Innkreis der klagenden Insolvenzverwalterin gegen die beklagte Muttergesellschaft p***** GmbH die Vertretung letzterer übernommen, obwohl zwischen den beiden Gesellschaften unterschiedliche Interessen bestanden.

Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten „wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung“, demnach (RIS Justiz RS0128656 [T1]) wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache behauptet der Berufungswerber, weil sich die Muttergesellschaft p***** GmbH zu keinem Zeitpunkt in einem Rechtsstreit mit ihrer Tochtergesellschaft A***** GmbH in Liquidation befunden habe, wobei auch die Fortführung letzterer nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Konkursmasse als eigene juristische Person sei von der gemeinschuldnerischen Gesellschaft zu unterscheiden, die prozessierende Masseverwalterin sei als Organ bzw gesetzliche Vertreterin (bloß) der Konkursmasse aufgetreten. Es habe keine formelle Doppelvertretung bestanden, weiters hätten auch zwischen der insolventen Tochtergesellschaft und ihrer Mutter keine Uneinigkeiten bezüglich des Nichtbestehens der (verfahrensgegenständlichen) Forderung der Masse gegen die Muttergesellschaft bestanden.

§ 10 Abs 1 RAO verbietet die Vertretung zweier Gegenparteien in derselben oder in einer zusammenhängenden Sache. Doppelvertretung liegt somit sowohl vor, wenn ein Anwalt beide Teile in einem Rechtsstreit vertritt (eigentliche Doppelvertretung) als auch unter anderem als uneigentliche Doppelvertretung bei Vertretung in zusammenhängenden Sachen (vgl hiezu Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 10 Rz 4). Das im § 10 Abs 1 RAO statuierte Verbot ist begrifflich und aufgrund rechtspolitischer Zielsetzung als weitreichend zu verstehen. Es betrifft alle Konstellationen, in denen Interessenskollisionen zweier Parteien vorliegen bzw sich bereits abzeichnen (1 Bkd 4/01). Gemäß § 12a Z 3 RL BA 1977 darf der Rechtsanwalt, wenn dies die Wahrnehmung der Interessen der jeweiligen Parteien in den jeweils anvertrauten Mandaten beeinträchtigt, ein neues Mandat insbesondere dann nicht übernehmen, wenn es zu einem Interessenkonflikt zwischen diesen Parteien kommt.

Dem Rechtsmittelwerber ist entgegenzuhalten, dass die durch die Insolvenzeröffnung beschlagnahmte Masse zwar noch formell dem Schuldner gehört, aber nicht mehr seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unterliegt ( Buchegger , Insolvenzrecht 2 23 f; Mohr , IO 11 § 2 E1). Mit Insolvenzeröffnung kommt es zu keinem formalen Übergang des Vermögens mithin zu keiner Änderung der sachenrechtlichen Lage vom Schuldner auf die Masse. Vielmehr werden der Masse bloß sämtliche Eigentümerbefugnisse eingeräumt, um so die Insolvenzzwecke und ziele, insbesondere die Haftungsansprüche der Insolvenzgläubiger, erfüllen zu können. Für die Dauer der Insolvenz ist der Schuldner von der Verfügung ausgeschlossen, sein Eigentum auf ein „nudum ius“ geschrumpft ( Duursma Kepplinger , Haftungsordnung im Gesellschaftskonkurs Band 1, S 299). Der Schuldner verliert durch die Insolvenzeröffnung weder Rechts noch Handlungsfähigkeit; ihm ist bloß die Verfügung über die Konkursmasse entzogen ( Schubert in Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 3 IO, Rz 18).

Im Verfahren AZ 1 Cg 39/13b des Landesgerichts Ried im Innkreis, in dem die Insolvenzverwalterin der A***** GmbH in Liquidation deren Muttergesellschaft p***** GmbH klageweise in Anspruch nahm, manifestiert sich nachhaltig der disziplinär relevante Interessenskonflikt: Die Insolvenzverwalterin hat nämlich (wiewohl letztlich erfolglos) ausgehend von einem notariellen Sacheinlagevertrag vom 16. November 2011, in dem eine pfandrechtlich belastete Liegenschaft an die Schuldnerin übertragen wurde, aufgrund Punkt V. dieses Vertrags, in dem festgestellt wurde, dass das ob der übertragenen Liegenschaft intabulierte Pfandrecht löschungsreif ist, jenen Betrag begehrt, der zur tatsächlichen Löschung dieses Pfandrechts aufgebracht werden musste.

Im vom Rechtsmittelwerber zitierten Erkenntnis der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission vom 14. April 2008, AZ 14 Bkd 10/07, war ein anderer Sachverhalt zu beurteilen: dort kam es zwischen der Insolvenzmasse und Interessenten am Ankauf von zur Insolvenzmasse gehörigen Grundstücken zu Verhandlungen, wobei der dortige Disziplinarbeschuldigte sowohl die Insolvenzschuldnerin als auch Kaufinteressenten vertrat. Diese klassische Doppelvertretung war nur deswegen zulässig, weil eine Gefahr einer Interessenskollision nicht bestand.

Unabhängig von einer Fortführung eines insolventen Unternehmens besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen diesem und der abgesonderten, in seinem Vermögen befindlichen Masse sowie Interesse an deren Vermehrung. Das Vorbringen, wonach „die Schuldnerin auch keinen wie immer gearteten Vorteil durch eine allfällige Massenvermehrung gehabt hat oder hätte“, geht daher ins Leere. Im Übrigen manifestieren sich dem Schlusswort des Disziplinarbeschuldigten entgegen im Massezweck auch die Interessen eines redlichen Schuldners an einer möglichst weitgehenden Befriedigung seiner Gläubiger ( Duursma Kepplinger , Haftungsordnung I 310).

An dem daraus folgenden Interessenskonflikt zwischen dem insolventen Tochterunternehmen und dessen Mutterunternehmen ändert die behauptete Einigkeit zwischen diesen über das Nichtbestehen der eingeklagten Forderung der Masse nichts. Die Masseverwalterin muss sowohl im Interesse der Schuldnerin als auch der Gläubiger handeln und kollusives Vorgehen zu deren Nachteil verhindern, wozu speziell der Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsmacht der Schuldnerin über das Massevermögen dient.

Eine rechtsfehlerhafte Beurteilung des festgestellten Sachverhalts liegt somit wie bereits die Generalprokuratur zutreffend äußerte nicht vor.

Gegen die Lösung der nicht explizit bekämpften Straffrage (§ 49 letzter Satz DSt) bestehen keine Bedenken: unter zutreffender Heranziehung der besonderen Milderungsgründe nach § 34 Abs 1 Z 2 und Z 13 StGB (denen nun das formale Zusammentreffen zweier Vergehen § 33 Abs 1 Z 1 StGB gegenübersteht) und des Einkommens von rund 3.000 Euro netto monatlich erweist sich die Sanktion als nicht reduktionsbedürftig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

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