11Os147/15z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gabor K***** wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 FPG, AZ 503 Hv 88/15v des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen den gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Beschluss dieses Gerichts vom 4. August 2015, GZ 503 Hv 88/15v 43, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Wenger, und des Verteidigers Dr. Mahrer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der gemeinsam mit dem Urteil verkündete Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 4. August 2015, GZ 503 Hv 88/15v 43, verletzt § 495 Abs 2 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und es werden die Akten (zunächst) dem Landesgericht Korneuburg zur Übermittlung an das Landesgericht Klagenfurt zum Verfahren AZ 78 Hv 29/15m zur Entscheidung über einen allfälligen Widerruf nach § 55 Abs 1 StGB übermittelt.
Text
Gründe:
Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. April 2015, AZ 78 Hv 29/15m, wurde ua Gabor K***** schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, wovon nach § 43a Abs 3 StGB neun Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden (ON 18a der Akten AZ 503 Hv 88/15v des Landesgerichts Korneuburg).
Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Korneuburg vom 4. August 2015, GZ 503 Hv 88/15v 43, wurde der Genannte schuldig erkannt und unter Bedachtnahme nach §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das eingangs bezeichnete Urteil des Landesgerichts Klagenfurt zu einer (unbedingten) Zusatzfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
Zugleich fasste das genannte Gericht den Beschluss, die Gabor K***** mit dem bereits erwähnten Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. April 2015 gewährte (teil )bedingte Strafnachsicht nach § 55 Abs 1 StGB zu widerrufen (ON 43 S 3).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach § 55 Abs 1 StGB ist die bedingte Nachsicht einer Strafe zu widerrufen, wenn eine nachträgliche Verurteilung gemäß § 31 StGB erfolgt und eine bedingte Nachsicht bei gemeinsamer Aburteilung nicht gewährt worden wäre.
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) richtet sich nach § 495 Abs 2 StPO (RIS Justiz RS0111521; Jerabek in WK² StGB § 55 Rz 5). Demnach obliegt die Beschlussfassung über einen Widerruf in einem solchen Fall unter Gerichten gleicher Ordnung jenem, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und hier nicht von Relevanz zuletzt rechtskräftig wurde. Zur Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht wäre demnach das Landesgericht Klagenfurt im Verfahren AZ 78 Hv 29/15m berufen gewesen.
Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, war ihre Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verbinden.