JudikaturOGH

11Os91/15i – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gülsevil A***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 14. Jänner 2015, GZ 37 Hv 124/13i 57, sowie über die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 18. Mai 2015, GZ 37 Hv 124/13i 67, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gülsevil A***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in I***** und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verantwortliche der Pensionsversicherungsanstalt durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, die diese am Vermögen schädigten und schädigen sollten, verleitet und zu verleiten versucht, und zwar

1./ im September 2005, indem sie es trotz Bekanntgabepflicht unterließ bekanntzugeben, dass sie am 6. September 2005 eine Ehe geschlossen hatte, zur Weitergewährung der Witwenpension samt Ausgleichszulage in Höhe von insgesamt 51.847,12 Euro,

2./ am 20. April 2012, indem sie behauptete, nach dem Tod ihres Mannes Cemalettin A***** im Jahr 1999 nicht wieder geheiratet zu haben, zur Wiederanweisung der Witwenpension ab März 2012.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und b, 10a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Zutreffend macht die Mängelrüge eine Unvollständigkeit der Begründung (Z 5 zweiter Fall) geltend, weil im Urteil die zur Verteidigung verwendeten Urkunden (Scheidungsurteil, Ehe /Familienbuch; ON 27 iVm ON 56 S 9) ebensowenig wie die damit zusammenhängende leugnende Verantwortung der Angeklagten, so insbesondere ihre Behauptung, dass sie nach dem Ableben ihres Mannes nicht noch einmal geheiratet hätte (ON 56 S 5 iVm ON 41 S 2 f), in den Entscheidungsgründen zureichend erörtert wurden.

Die Urkunden und die Aussage der Angeklagten stellen jeweils in der Hauptverhandlung vorgekommene (mit Blick sowohl auf das objektive Geschehen wie auf das Tatbestandselement der Täuschung) erhebliche Verfahrensergebnisse dar. Sie stehen den Feststellungen entgegen, weshalb sich das Erstgericht damit bei sonstiger Nichtigkeit aus Z 5 zweiter Fall etwa durch Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Übersetzungen des (überdies keine genauen und somit objektivierbaren Daten der Eheschließung enthaltenden) Scheidungsurteils sowie den (fehlenden) Eintragungen in das Ehe /Familienbuch (dessen Beweisqualität unklar blieb) der Frau und in Form einer Darlegung, aus welchen Gründen es die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin für unglaubwürdig hielt hätte auseinandersetzen müssen (RIS Justiz RS0118316, RS0098646; Ratz , WK StPO § 281 Rz 421, 425).

Demgemäß ist in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO) eine Kassation des Schuldspruchs und damit des Strafausspruchs sowie die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich (§ 285e StPO). Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Mit Blick auf die kassatorische Entscheidung ist auch die Beschwerde (ON 68) gegen den Beschluss, mit welchem der Antrag auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 56) abgewiesen wurde (ON 67) ohne einer inhaltlichen Erwiderung zu bedürfen erledigt (RIS Justiz RS0126057).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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