11Os81/15v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 10. April 2015, GZ 37 Hv 2/15v 106, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Manfred K***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 23. Dezember 2013 in N***** Susanne C***** durch Würgen am Hals, kräftiges Zupacken an den Armen, Versetzen von Schlägen gegen den oberen Brustbereich und gegen den Bereich des Mittelgesichts, welche ein zum Tod der Geschädigten führendes zentrales Regulationsversagen aufgrund einer linksseitig akzentuierten flächenhaften Blutung unter die harte Hirnhaut zur Folge hatten, getötet.
Die Geschworenen haben die anklagekonform an sie gestellte Hauptfrage nach Mord (§ 75 StGB) bejaht. Die nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage gestellten Eventualfragen 1./ (in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB) und 2./ (in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB) blieben folgerichtig unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Fragenrüge (Z 6) vermisst Eventualfragen in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB.
Die Stellung einer Eventualfrage nach absichtlich schwerer Körperverletzung (mit Todesfolge) setzt ein bestimmtes in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat voraus, das, wenn es zutrifft, die rechtliche Annahme zulässt, der Angeklagte habe Susanne C***** zwar absichtlich eine schwere Verletzung am Körper zugefügt (oder zuzufügen versucht), deren Tod (als Folge einer durch die Tat erlittenen Subduralblutung im Gehirn) hingegen bloß fahrlässig verursacht. Eine solche nach fahrlässiger Tötung wiederum erfordert ein Tatsachensubstrat in Richtung der Herbeiführung der Gehirnblutung und damit des Todes der Genannten durch ausschließlich fahrlässiges Handeln des Angeklagten.
Demgemäß bedarf es zur prozessordnungskonformen Darstellung einer Rüge aus Z 6 des konkreten Hinweises auf entsprechend erhebliche (in der Verhandlung vorgekommene) Tatsachen, die, wären sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wären (vgl Ratz , WK StPO § 345 Rz 42).
Weshalb die im Rechtsmittel relevierte Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (ON 103 S 3 ff), er habe die von sich aus Tobende mehrere Minuten (zur Beruhigung) festgehalten, sie sei in ihrer Raserei mehrmals von selbst gestürzt, gegen die Einrichtung und ins Bett gefallen, er hingegen habe sie bloß mehrfach nach solchen Stürzen hochgezogen, jedoch weder geschlagen noch gestoßen oder gewürgt, auf eine Absicht zur Zufügung einer (schweren) Verletzung hinweisen sollte, macht die Beschwerde nicht klar. Ebensowenig lässt sie mit dem Hinweis darauf, der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung (unter vorangehender Betonung mehrerer Stürze der Susanne C***** gegen den Türstock) eingeräumt, sie könnte im Zuge einer Abwehrhandlung seinerseits auch einen „Schlag“ abbekommen haben, eine Fallgestaltung erkennen, die eine fahrlässige Verursachung der zum Tod führenden Gehirnblutung durch den Angeklagten indizieren würde. Bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten und Mutmaßungen sind kein Gegenstand einer Eventualfrage (RIS Justiz RS0102724, RS0113213).
Aus welchem Grund in dem erst nach der mit einem Verdacht in Richtung §§ 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB begründeten Festnahme des Angeklagten erstatteten gerichtsmedizinischen Gutachten dargelegte Anzeichen für „stumpfe Gewalteinwirkung in Form von Schlägen“ und „die damit einhergehenden mehrfachen Verletzungen“ gerade eine Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) auf Zufügung einer schweren Verletzung am Körper indizieren sollen, erklärt die Beschwerde nicht.
Inwiefern sein Verhalten nach der Tat nämlich die (von den Zeugen Dr. Christian L*****, Michael Kl*****, Lukas Ki***** und Rosita M***** bestätigte) Verständigung (um 4:20 Uhr) und Einweisung der Rettungskräfte vor Ort, der Anruf bei der Heimhilfe Elisabeth S***** (erstmals erfolglos um 3:45 Uhr und später gegen 6:00 Uhr) sowie beim Zeugen Helmut A***** (erfolglos um 3:00 Uhr) eine derartige Fragestellung erfordert haben soll, macht der Angeklagte im Rechtsmittel nicht klar, sondern stellt bloß eigene beweiswürdigende Mutmaßungen zum Fehlen eines (auch nur bedingten) Tötungsvorsatzes im Tatzeitpunkt an.
Welchen Anhaltspunkt der ins Treffen geführte Umstand, dass dem Angeklagten für eine „vorsätzliche“ Tötung des Opfers auch ein Messer zur Verfügung gestanden wäre, im gerichtsmedizinischen Gutachten (ON 30, ON 80, ON 103 S 19 ff) jedoch nur stumpfe Gewalteinwirkung beschrieben wird, für die konkret begehrten Fragestellungen bieten soll, lässt die Beschwerde gleichfalls nicht erkennen. Der Möglichkeit des Vorliegens eines bloßen Verletzungs- anstatt eines (zumindest bedingten) Tötungsvorsatzes im Tatzeitpunkt wurde ohnehin durch die Fragestellung in Richtung einer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83, 86 StGB (Eventualfrage 1./) Rechnung getragen.
Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit der in der Eventualfrage 1./ enthaltenen Aufnahme des Sachverhaltselements eines durch (wie in der Hauptfrage umschriebene) Aggressionshandlungen des Angeklagten verursachten „rückwärtigen Sturzgeschehens“ die Forderung nach einer „entsprechenden Alternativfrage“ (ohne diesen Zusatz) aufstellt, wird nicht klar, weshalb dies im Hinblick auf die ausdrückliche Instruktion (vgl die Rechtsbelehrung S 13) der Geschworenen, eine Frage auch unter Beifügung angenommener Beschränkungen nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs 2 StPO, vgl Schindler , WK StPO § 317 Rz 1), geboten gewesen sein soll.
Die Kritik am Fehlen einer um diesen Zusatz (ein rückwärtiges Sturzgeschehen) ergänzten Alternativfrage zur Hauptfrage (in Richtung Mord) lässt nicht erkennen, welchen Nachteil der Angeklagte im Hinblick auf die Aufnahme dieser Geschehensvariante ausschließlich in die Eventualfrage nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB erlitten haben soll.
Die Instruktionsrüge (Z 8) vermisst eine ausreichende Belehrung der Geschworenen darüber, auf welchen tatbildmäßigen Erfolg sich der bedingte Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Teilsatz StGB) bei Mord beziehen muss. Sie orientiert sich dabei aber nicht am gesamten Inhalt der tatsächlich erfolgten Unterweisung (vgl insbesondere S 4 ff und 9 ff der Rechtsbelehrung; RIS Justiz RS0125434, RS0119071; Ratz , WK StPO § 345 Rz 53 ff), sondern greift nur eine einzelne (auf S 10 enthaltene) Passage derselben isoliert heraus, um daraus eine Unvollständigkeit abzuleiten (RIS Justiz RS0119549 [T2]).
Auch kann ein einzelner Passus der Niederschrift der Geschworenen („… Bewusstsein, dass er durch seine Tat körperlichen Schaden anrichtet …“) nicht als relevantes Indiz dafür herangezogen werden (RIS Justiz RS0100880), dass die erteilte Rechtsbelehrung bei den Geschworenen eine unrichtige Vorstellung über die Rechtslage herbeigeführt haben könnte.
Soweit sich die Instruktionsrüge auf die von den Geschworenen gar nicht beantwortete Eventualfrage 1./ (nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB) bezieht, verkennt sie, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich (also mit der Notwendigkeit aktueller Beantwortung) gestellt wurden (RIS Justiz RS0101091 [T6 und T8], RS0110682, RS0111311; Philipp , WK StPO § 321 Rz 19 f). Auswirkungen des die unbeantwortet gebliebenen Eventualfragen betreffenden Teils der Rechtsbelehrung auf die Beantwortung der Hauptfrage ( Ratz , WK StPO § 345 Rz 63) werden nicht aufgezeigt.
Schließlich wendet der Nichtigkeitswerber ein, es sei die Errichtung eines Protokolls über die den Geschworenen am 10. April 2015 ab 16:12 Uhr erteilte ergänzende Belehrung (ON 105 S 21) unterblieben und demnach deren Inhalt nicht überprüfbar. Die zwischenzeitlich von den Mitgliedern des Schwurgerichtshofs angeforderte (§ 344 zweiter Satz StPO iVm § 285f StPO) Stellungnahme vom 28. September 2015 (ON 119) dokumentiert aber unmissverständlich, dass die Vorsitzende des Schwurgerichtshofs über Ersuchen der Obfrau der Geschworenen nur die in der schriftlichen Rechtsbelehrung bereits dargestellte Abgrenzung der Vorsatzformen des § 75 StGB sowie der §§ 83, 86 StGB (vgl S 4 ff, 9 ff der Rechtsbelehrung) gleichlautend wiederholte (ON 105 S 21, ON 119). Solcherart beinhaltete die nachträgliche Information der Geschworenen nur Umstände, welche Gegenstand der Besprechung nach § 323 Abs 2 StPO sind und über welche keine Protokollierung vorgeschrieben ist ( Philipp , WK StPO § 328 Rz 3).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.