5Ob14/15t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** C*****, vertreten durch Dr. Klaus Oblin, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. J***** B*****, 2. B***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch die zweitbeklagte Partei, sowie die Nebenintervenientinnen der beklagten Parteien 1. A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, und 2. P***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 700.000 GBP sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2014, GZ 5 R 115/14i 67, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Mai 2014, GZ 29 Cg 112/12h 53, teilweise abgeändert wurde,
I. den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Leistungsbegehrens gegenüber der zweitbeklagten Partei richtet, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. und zu Recht erkannt:
Der Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Zinsenbegehrens gegenüber der erstbeklagten Partei richtet, teilweise Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts, das im Übrigen bestätigt und auch hinsichtlich seiner Kostenentscheidung unverändert aufrecht bleibt, wird (nur) in seinem Spruchpunkt II. 2.) dahin abgeändert, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
„Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 700.000 GBP samt 4 % Verzugszinsen seit 25. 7. 2012 und 4 % Zinseszinsen seit Klagszustellung mit 21. 12. 2012 zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die erstbeklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei (weitere) 2 % Zinsen pro Monat seit 25. 7. 2012 zu zahlen, wird abgewiesen.“
III. Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei 3.492,90 EUR (darin 582,15 EUR an Umsatzsteuer), der ersten Nebenintervenientin 3.526,38 EUR (darin 587,73 EUR) und der zweiten Nebenintervenientin 3.526,38 EUR (darin 587,73 EUR) an Kosten des Revisionsverfahrens jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
I. Der Kläger macht in seiner Revision betreffend die Abweisung des Leistungsbegehrens gegenüber der Zweitbeklagten geltend, das „Exit Arrangement Agreement“ samt Appendix sei rechtlich entgegen der Ansicht der Vorinstanzen als Schuldbeitritt oder als konstitutives Anerkenntnis der Zweitbeklagten zu werten und daher auch diese zur ungeteilten Hand zahlungspflichtig. Damit macht der Kläger keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend. Ob eine Vereinbarung richtig ausgelegt wurde, kann nämlich nur in Fällen auffallender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht als erhebliche Rechtsfrage qualifiziert werden (RIS Justiz RS0044358 [T20]; vgl auch RS0044298 [T22]; RS0042776; RS0042936) und ein solcher Fall liegt hier nicht vor:
Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts haben nur der Kläger und P***** das „Exit Arrangement Agreement“ abgeschlossen. Lediglich die Rückerstattung des von P***** und nicht von der Zweitbeklagten angebotenen Betrags hätte nicht durch , sondern über die Zweitbeklagte erfolgen sollen. Die Vorinstanzen haben dann aus der weiteren vom Erstbeklagten (auch Geschäftsführer der Zweitbeklagten) aufgesetzten und vom Kläger unterfertigten Bestätigung, wonach dieser nach Erhalt des vereinbarten Betrags „von“ der Zweitbeklagten gegen diese und andere näher bezeichneten Personen keinerlei Ansprüche mehr habe, keinen Schuldbeitritt und kein konstitutives Anerkenntnis der Zweitbeklagten abgeleitet. Dieses Erklärungsverständnis von einer bloßen Beteiligung der Zweitbeklagten an einer Regulierungsabwicklung (vgl dazu auch RIS Justiz RS0032959; RS0032582) steht weder mit dem Wortlaut noch dem Sinn der getroffenen Vereinbarungen in Widerspruch, sondern entspricht dem vom Kläger in seiner Parteiaussage selbst bekundeten Verständnis und ist angesichts der im „Exit Arrangement Agreement“ in Aussicht genommenen Vorgangsweise jedenfalls nicht unvertretbar.
Die Revision des Klägers ist somit, soweit sie sich gegen die Abweisung des Leistungsbegehrens gegenüber der Zweitbeklagten richtet, mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig und daher zurückzuweisen.
II. Der Kläger bekämpft in seiner Revision wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung die Abweisung seines Begehrens auf Zahlung von 2 % Zinsen pro Monat seit 25. 7. 2012 und 4 % Zinseszinsen seit 21. 12. 2012 und strebt in diesem Umfang die Klagsstattgebung an. Hilfsweise stellt der Kläger auch Aufhebungsanträge. Die Beklagten und deren Nebenintervenienten erstatteten ihnen freigestellte Revisionsbeantwortungen jeweils mit den Anträgen, die Revision des Klägers zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Die Revision des Klägers ist betreffend das zuvor wiedergegebene Begehren gegenüber dem Erstbeklagten zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nur im Umfang des Zuspruchs der gesetzlichen Verzugszinsen und Zinseszinsen berechtigt.
1. Der Kläger hat das Begehren auf Zahlung von 2 % Zinsen pro Monat (!) mit der Begründung geltend gemacht, dass er einen solchen Gewinn aus einer näher beschriebenen alternativen Veranlagung in einem Goldinvestment erzielt hätte. Nun entspricht es gesicherter Rechtsprechung, dass der Geschädigte Verzugsschäden als Folgewirkung des Primärschadens schon dann geltend machen kann, wenn der Ersatzpflichtige infolge leichter Fahrlässigkeit des Schädigers für den positiven Schaden einzustehen hat. Es liegt dann an ihm, zu behaupten und zu beweisen, dass in seinem Vermögen ein die gesetzlichen Zinsen übersteigender Vermögensnachteil als positiver Schaden eingetreten sei. Der infolge Zahlungsverzugs entgangene Geldanlagegewinn ist positiver Schaden, soweit der Geschädigte als Folge des Zahlungsverzugs eine Gewinnchance, die er wahrgenommen hätte und deren Realisierung bei typischen Marktverhältnissen praktisch gewiss gewesen wäre, verlor (RIS Justiz RS0109502; 1 Ob 173/03b JBl 2004, 793), wenn somit eine objektiv gegebene Erwerbschance vorlag, die im Verkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als solche angenommen wird (RIS Justiz RS0030452; RS0032927; RS0030447; vgl auch
Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1333 ABGB Rz 30; Größ in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 1333 ABGB Rz 19). Als rechtlich gesicherte Position, den Gewinn zu erzielen, wird in der Rechtsprechung etwa die Möglichkeit angesehen, mit dem bei rechtzeitiger Erfüllung vertraglicher Pflichten zu Gebote stehenden Geldbetrag die marktübliche Verzinsung von Bankkrediten zu erzielen (1 Ob 173/03b mwN JBl 2004, 793) oder mit dem sonst zur Verfügung stehenden Geldbetrag die marktübliche Verzinsung fest verzinslicher Wertpapiere erreichen zu können (RIS Justiz RS0109502).
2. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass die hier fraglichen, nicht festverzinslichen Wertpapiere als spekulative Geldanlage zu werten sind, ist doch die Realisierung eines Gewinns von 2 % pro Monat bei typischen Marktverhältnissen gerade nicht praktisch gewiss, weshalb keine rechtlich gesicherte Position des Klägers vorlag. Dies gilt besonders deshalb, weil bei der Beurteilung der Natur eines Anlageobjekts entgegen der ex-post-Betrachtungsweise des Erstgerichts auf den Zeitpunkt des (möglichen) Investitionsentschlusses abzustellen ist. Nur wenn auch in diesem Zeitpunkt eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmende Gewinnmöglichkeit bestand, kann positiver Schaden angenommen werden (1 Ob 173/03b JBl 2004, 793).
3. Da das Regelbeweismaß der ZPO die hohe, nicht aber eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist (RIS Justiz RS0110701), den Ausführungen des Erstgerichts kein solcherart gesteigertes Beweismaß zu entnehmen ist und dieses überdies nur eine ex-post-Betrachtung vornahm, hat das Berufungsgericht ausgehend vom Zeitpunkt des (möglichen) Investitionsentschlusses mit Recht angenommen, dass die vom Kläger begehrten Zinsen nicht als positiver Schaden gewertet werden können, wird doch nach dann oben genannten Kriterien objektiv, ex ante und bei typischen Marktverhältnissen ein Veranlagungsgewinn von 2 % pro Monat gerade nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen. Diese Ansicht des Berufungsgerichts begründet weder eine Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung noch einen Mangel des Berufungsverfahrens, sondern ist Ergebnis einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung.
5. Zur Ersatzfähigkeit unter dem Gesichtspunkt eines entgangenen Gewinns hat das Berufungsgericht eine grobe Fahrlässigkeit des Erstbeklagten verneint (vgl dazu RIS Justiz RS0030480; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1333 ABGB Rz 30). Dieser Beurteilung ist der Kläger in seiner Revision nicht erkennbar entgegengetreten. Im Ergebnis hat das Berufungsgericht daher zutreffend das Begehren auf eine Verzinsung von 2 % Zinsen pro Monat abgewiesen.
6. Der Kläger rügt letztlich noch und dies mit Recht, dass das Berufungsgericht ihm nicht zumindest die gesetzlichen Verzugszinsen von 4 % sowie 4 % Zinseszinsen daraus seit Klagszustellung zugesprochen hat. Das Begehren des verschuldeten Verzögerungsschadens begreift nämlich als minus das Begehren auf gesetzliche Verzugszinsen in sich und ist letzteres entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein aliud (5 Ob 724/79 HS 10.655; 3 Ob 223/97h). Insoweit steht dem auch nicht die Rechtskraft des Ersturteils entgegen, weil dieses nur das über die von ihm zuerkannten 2 % Zinsen pro Monat hinausgehende Zinsenmehrbegehren entschieden hat, sodass ein Zinsenbegehren in Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen jedenfalls weiter streitverfangen war. Nur in diesem Punkt der gesetzlichen (Zinses )Zinsen erweist sich somit die Revision des Klägers als berechtigt. Im Ergebnis war daher der Erstbeklagte zusätzlich zur Zahlung der gesetzlichen Zinsen und vom Tag der Streitanhängigkeit an auch zur Zahlung der Verzugszinsen zu verpflichten (§ 1000 Abs 1 und 2 ABGB).
III. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat den Beklagten die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen, weil sein ausschließlich die gesetzlichen (Zinses )Zinsen (Nebengebühren) betreffender Verfahrenserfolg nicht kostenwirksam ist; deshalb hatte auch die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts unverändert aufrecht zu bleiben.