12Os118/15t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Mario F***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Juli 2015, GZ 10 Hv 41/15f 34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Mario F***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat er am 14. März 2015 in V***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruhte, nämlich einer wahnhaften Störung mit paranoiden und halluzinanten Komponenten (ICD 10: F 22.0) sowie einer Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch (ICD 10: F 19.1), Beamte durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung gehindert, nämlich die einschreitenden Polizeibeamten Mario Fu*****, Marcel K*****, Alexander Ko***** und Reinhard T***** durch Zustürmen mit einer Hacke und Aufforderung „Schleichts euch!“ an der ersten allgemeinen Hilfeleistung zur Gefahrenabwehr im Sinn der §§ 19 Abs 1, 39 und 50 SPG und an der Durchführung seiner Unterbringung nach dem UbG, somit eine Tat begangen, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB zuzurechnen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Betroffenen inhaltlich undifferenziert auf „§ 281 Z 5 in eventu 5a sowie § 281 Abs 1 Z 11 (9a bzw 9b) StPO“ gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Tatrichter stellten betreffend die Anlasstat fest, dass, nachdem die Polizisten ihn mehrmals zum Öffnen seiner Eingangstür aufgefordert und die Öffnung mittels Ramme versucht hatten, Mario F***** auf die einschreitenden Beamten, welche er als Polizeibeamte erkannte, mit einer Axt in der Hand zustürmte, wodurch er diese mit dem Tod bedrohte, was ihm auch bewusst war und womit er sich abfand. Ebenso wollte er dadurch die Beamten an einer Amtshandlung, nämlich an der ersten allgemeinen Hilfeleistung zur Gefahrenabwehr, nachdem sein Vater telefonisch Anzeige wegen gefährlicher Drohung unter Verwendung eines Messers gegen ihn erstattet hatte, und an seiner Unterbringung nach dem UbG hindern (US 3 f).
Der Betroffene wendet sich gegen die erstgerichtliche Konstatierung, er habe die Beamten als Polizisten erkannt und führt aus, das Erstgericht hätte dafür keine „Grundlage“ gehabt (inhaltlich Z 5 vierter Fall). Mit diesem Vorbringen übergeht der Nichtigkeitswerber jedoch, dass die Tatrichter die bekämpfte Feststellung erkennbar auf den Umstand stützten, dass der Polizeibeamte Marcel K*****, als er an die Eingangstür des Betroffenen klopfte, äußerte „Polizei, öffnen Sie die Tür!“ und in der Folge den Betroffenen „lautstark immer wieder unter dem Hinweis, dass die Polizei da sei, zum Öffnen der Türe aufforderte“ (US 3 f). Der Rechtsmittelwerber lässt bei seinen Ausführungen außerdem die Aussage des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Reinhard T***** außer Acht, wonach der Betroffene während des Einsatzes wiederholt betont habe, er wolle mit der „Polizei H*****“ nichts zu tun haben (US 8). Die Mängelrüge ist aber nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS Justiz RS0119370).
Indem die Nichtigkeitsbeschwerde darauf hinweist, dass laut Zeugenaussage des letztgenannten Polizeibeamten der Betroffene „die Tür zu keinem Zeitpunkt geöffnet“ hätte, und folgert, dass ein visueller Kontakt wegen im Außenbereich bereits herrschender Dunkelheit bei Beleuchtung des Innenraums „durch Fensterscheiben nach außen faktisch erst bei nahem Herantreten an die Scheibe“ möglich wäre, bekämpft der Betroffene nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Das gilt auch für das Beschwerdevorbringen, „die Behauptung, jemand wäre die Polizei [sei] wohl noch kein hinreichender Grund für jemanden ein Eindringen in das grundrechtlich geschützte Hausrecht zu tolerieren und zu rechtfertigen“, und der Betroffene wäre „nach den übereinstimmenden Aussagen sämtlicher Zeugen“ (vgl zur Bezeichnungsobliegenheit RIS Justiz RS0124172 [T4]) mit einer Axt in der Hand zur Tür geeilt und hätte erst danach die uniformierten Beamten wahrnehmen können und wäre dann jedoch von der Tür zurückgetreten.
Das Vorbringen, „die entscheidungswesentlichen Feststellungen des Erkennens eines behördlichen Einsatzes, welcher zudem für den Betroffenen als gerechtfertigt erkennbar war, wurden nicht bzw unspezifisch getroffen und wurden zudem Routineabläufe als Nötigungshandlungen missdeutet, obwohl ein derartiger Konnex nicht herzustellen ist“, bleibt unverständlich und lässt sich keinem Nichtigkeitsgrund zuordnen.
Warum Konstatierungen zur Erkennbarkeit der Berechtigung des behördlichen Eingreifens für den Betroffenen bzw einen normgerechten Bürger erforderlich sein sollten (inhaltlich Z 9 lit a), legt der Rechtsmittelwerber nicht dar (vgl RIS-Justiz RS0089660, RS0095890 [T6]; Danek in WK² StGB § 269 Rz 67).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, den Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810). Indem der Rechtsmittelwerber schlicht behauptet, „die etwas dramatisierten Feststellungen“ der Tatrichter stellten keine Widerstandshandlung dar (inhaltlich Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO), wird er dem nicht gerecht.
Warum es angesichts der konstatierten Drohung zusätzlich erforderlich sein sollte, dass der Betroffene Gewalt angewendet hat, bleibt im Hinblick auf den alternativen Mischtatbestand des § 269 Abs 1 StGB unverständlich.
Indem der Nichtigkeitswerber weiters ausführt, die Äußerungen „was wollt´s und schleichts euch“ stellten keinesfalls eine strafbare Handlung dar, nimmt er nicht Maß an den vom Schöffengericht getroffenen Konstatierungen in ihrer Gesamtheit. Dasselbe gilt für den Hinweis, das Mitführen einer Axt bei Annäherung an die Tür möge sozial inadäquat sein, aber jedenfalls nicht strafrechtlich relevant.
Indem der Beschwerdeführer behauptet, er hätte lediglich sein Hausrecht verteidigen wollen, reklamiert er inhaltlich für sich § 8 StGB iVm § 3 Abs 1 StGB (irrtümliche Annahme einer Notwehrsituation; inhaltlich § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) verabsäumt es jedoch, wie zur Ausführung eines Feststellungsmangels erforderlich, auf ein in diese Richtung deutendes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat zu verweisen (RIS Justiz RS0118580).
Soweit sich der Betroffene auf den Rechtfertigungsgrund nach § 269 Abs 4 StGB beruft (inhaltlich Z 9 lit b) und behauptet, ein Irrtum über die Berechtigung des Eingriffs ließe die Strafbarkeit entfallen (inhaltlich § 8 StGB), bleibt er methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz schuldig und vernachlässigt den Wortlaut der angesprochenen Bestimmung, wonach der Täter dann nicht nach Abs 1 des § 269 StGB zu bestrafen ist, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt (vgl Danek in WK 2 StGB § 269 RZ 68 ff; RIS Justiz RS0116565).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).