3Ob75/15y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Roch und Mag. Wurzer und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj N*****, in Pflege und Erziehung bei der Mutter E*****, die Minderjährige vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Niederösterreich als besonderer Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten, über den Revisionsrekurs des Vaters H*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Hannes Huber, Rechtsanwalt in Melk, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 4. März 2015, GZ 23 R 63/15k, 23 R 64/15g 135, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 12. Jänner 2015, GZ 22 Pu 19/14y 125, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Vater wurde zuletzt mit Beschluss vom 4. November 2011 zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 235 EUR verpflichtet. Am 21. Jänner 2013 beantragte die Minderjährige die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge ab 1. Jänner 2013 auf 300 EUR, am 15. März 2013 beantragte der Vater die Herabsetzung auf monatlich 162 EUR.
Das Erstgericht entschied über diese Anträge mit Beschluss vom 18. Oktober 2013, indem es die Unterhaltsbeiträge für einen bestimmten Zeitraum auf 195 EUR und laufend auf 215 EUR herabsetzte. Das Mehrbegehren des Vaters (weitere Unterhaltsherabsetzung) wies das Erstgericht ebenso wie den Erhöhungsantrag ab. Dieser Beschluss wurde dem Bruder des Vaters als ausgewiesenem Vertreter am 22. Oktober 2013 durch Hinterlegung zugestellt. Innerhalb der Rechtsmittelfrist beantragte der Vater Verfahrenshilfe, die das Erstgericht unter Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligte. Dem von der Rechtsanwaltskammer nominierten Verfahrenshelfer wurde in der Folge der Beschluss zugestellt, Rekurs erhob der Vater aber nicht.
Am 27. August 2014 wurde für den Vater ein Rechtsanwalt als Sachwalter für die Vertretung in Verfahren vor Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt. Das Erstgericht verfügte daraufhin eine Zustellung des erstgerichtlichen Unterhaltsbeschlusses vom 18. Oktober 2013 samt weiterer Kopien von Eingaben, Beschlüssen und Verfahrensergebnissen an den Sachwalter mit dem Auftrag, mitzuteilen ob dem Herabsetzungsantrag des Vaters beigetreten werde, sowie zur Stellungnahme zum Erhöhungsbegehren.
Die Zustellung erfolgte mit Rückschein am 10. Jänner 2015.
Zwischen der vom Erstgericht getroffenen Verfügung und der tatsächlichen Zustellung beantragte der Sachwalter am 7. Jänner 2015 die Zustellung des Beschlusses vom 18. Oktober 2013 an ihn. Die ursprüngliche Zustellung sei wegen schon damals gegebener Prozessunfähigkeit des Vaters nicht wirksam geworden. Der Vater, vertreten durch den nunmehr bestellten Sachwalter, wende sich gegen die ihm zum Nachteil gereichende Teilrechtskraft des nicht wirksam zugestellten Beschlusses vom 18. Oktober 2013.
Das Erstgericht wies den Zustellantrag ab. Es verwies auf die seiner Ansicht nach bestehende Teilrechtskraft des Beschlusses infolge Zustellung desselben an den Verfahrenshelfer.
Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach nach Abänderungsantrag des Sachwalters für den Vater aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs (doch) zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine nach der Intention des Gerichts nicht zur Einräumung einer Rechtsmittelmöglichkeit, sondern als Bestandteil eines Konvoluts von Unterlagen mit gleichzeitigen Aufträgen erfolgte Zustellung eines Beschlusses tatsächlich als auslösend für eine Rechtsmittelfrist anzusehen sei.
Bei den den erstgerichtlichen Unterhaltsbeschluss betreffenden Zustellvorgängen sei die Prozessunfähigkeit des Vaters unerkannt geblieben, Zweifel an der Prozessfähigkeit seien erst nach den Zustellvorgängen aufgetaucht. Damit sei aber die formelle Rechtskraft des Beschlusses vom 18. Oktober 2013 eingetreten. Deren Beseitigung wäre nur mit Abänderungsantrag nach § 73 Abs 1 Z 2 AußStrG möglich gewesen. Dessen Frist sei aber mittlerweile abgelaufen. Jedenfalls sei aber die begehrte Zustellung zwar nicht als Reaktion auf den Antrag des Vaters nach seinem Antrag tatsächlich erfolgt. Dass es sich nicht bloß um die informelle Übermittlung von Unterlagen zur Kenntnisnahme gehandelt habe, sondern tatsächlich um eine Zustellung, ergebe sich schon daraus, dass die Zustellung mit Rückschein vorgenommen worden sei. Dies sei nur dann notwendig, wenn mit dem Zustellvorgang eine Fristauslösung verbunden sei.
Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er seinen Zustellantrag weiter verfolgt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Zustellung ist der an eine gesetzliche Form geknüpfte Vorgang, durch den dem als Empfänger des Schriftstücks bezeichneten Adressaten Gelegenheit geboten wird, von einem im Auftrag des Gerichts an ihn gerichteten Schriftstück Kenntnis zu nehmen (RIS Justiz RS0106442, RS0121448). Dass der Sachwalter in der seinerzeitigen Zustellverfügung als Empfänger des Beschlusses vom 18. Oktober 2013 bezeichnet wurde und die Zustellung entsprechend den Vorschriften des Zustellgesetzes an ihn erfolgte, bestreitet der Revisionsrekurswerber nicht. Das behauptete Fehlen des inneren Zustellwillens im Sinn der (neuerlichen) Eröffnung der Rechtsmittelmöglichkeit gegen den zugestellten Beschluss ist dagegen ohne Belang. Das Gericht kann seine Entscheidungen oder Verfügungen nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zum Ausdruck bringen. Demgegenüber tritt der Wille der Organe des Gerichts in den Hintergrund (RIS Justiz RS0014586).
Da dem Zustellantrag vom 7. Jänner 2015 durch die Zustellung am 10. Jänner 2015 tatsächlich entsprochen worden war, erweist sich die Antragsabweisung am 12. Jänner 2015 sowie die bestätigende Rekursentscheidung (zur Anfechtbarkeit der Entscheidung, womit ein Antrag auf Zustellung einer Beschlussausfertigung abgewiesen wurde siehe RIS Justiz RS0102243) jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Die vom Revisionsrekurswerber aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der allenfalls eingetretenen formellen Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses infolge Zustellung an den seinerzeitigen Verfahrenshelfer und die Möglichkeit/Notwendigkeit ihrer Beseitigung durch einen Abänderungsantrag sind daher ohne Relevanz.
Da der Revisionsrekurswerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeichnen vermochte, war sein Revisionsrekurs zurückzuweisen.