JudikaturOGH

19Ob1/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Hofer Zeni Rennhofer und die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Hahnkamper als weitere Richter in der Eintragungssache des *****, im Verfahren über die Berufung des ***** gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer, Abteilung 1, vom 5. März 2015, AZ R15 012, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 5. März 2015 hat der Ausschuss der Tiroler Rechtsanwaltskammer, Abteilung 1, den Antrag des Erstantragstellers Rechtsanwalt *****, und des Zweitantragstellers ***** vom 19. Jänner 2015 auf Eintragung von ***** in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Tiroler Rechtsanwaltskammer und Ausstellung einer Legitimationsurkunde gemäß § 30 Abs 3 RAO wegen Vertrauensunwürdigkeit des Zweitantragstellers abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde dem Zweit-antragsteller laut Rückschein durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am Donnerstag, 23. April 2015 zugestellt (der Zweitantragsteller selbst gibt in seinem Rechtsmittel das Zustelldatum mit Mittwoch, 22. April 2015 an).

Am Donnerstag, 21. Mai 2015 langte beim Obersten Gerichtshof eine am Mittwoch, 20. Mai 2015 zur Post gegebene, an den Obersten Gerichtshof gerichtete Berufungsschrift des Zweitantragstellers ein. Die Berufungsschrift wurde am 22. Mai 2015 an die Tiroler Rechtsanwaltskammer weitergeleitet, wo sie am Dienstag, 26. Mai 2015 einlangte.

Der Ausschuss der Tiroler Rechtsanwaltskammer legte am 14. September 2015 die Akten dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Zum Wirkungskreis des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer gehört gemäß § 28 Abs 1 lit b RAO die Führung der Liste der Rechtsanwaltsanwärter sowie die Ausfertigung der Legitimation(en).

2. Gegen die Verweigerung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter steht den Beteiligten das Recht der Berufung an den Obersten Gerichtshof zu. § 30 Abs 4 RAO verweist insoweit auf den Siebenten Abschnitt des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (§§ 59 66 DSt) zu; § 5a Abs 1 letzter Satz und Abs 2 RAO sind anzuwenden.

3. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Zweitantragsteller sein Rechtsmittel explizit als Berufung behandelt wissen will, führt er doch aus, dass seines Erachtens eine Vorstellung „an die belangte Behörde“ nicht vorgesehen sei.

3.1. Der angefochtene Bescheid wurde von der Abteilung 1 des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer für diesen erlassen. Gegen den von einer Abteilung für den Ausschuss gefassten Beschluss „kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung an den Ausschuss erhoben werden“ (§ 26 Abs 5 RAO).

3.2. Die Möglichkeit, dass ein Ausschussbeschluss unter bestimmten Voraussetzungen in einer Abteilung gefasst werden kann und dass gegen einen solchen Beschluss die Vorstellung an den Ausschuss offensteht, stammt aus der Siebenten Gerichtsentlassungsnovelle, BGBl 1932/6. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 223 BlgNR 4. GP 12) wurde mit der Schaffung von Abteilungen einem Wunsch der Wiener Rechtsanwaltskammer Rechnung getragen; die Maßregel sei für ein gedeihliches Arbeiten in den Ausschüssen großer Kammern dringend geboten.

Mit der Änderung der Rechtsanwaltsordnung durch das Bundesgesetz BGBl 1976/673 wurde die Frist für die Vorstellung von acht auf vierzehn Tage erhöht. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 322 BlgNR 14. GP 3) wurde damit eine „Angleichung an die allgemeinen Rechtsmittelfristen“ angestrebt.

3.3. Aus dem unter 3.1. zitierten Gesetzeswortlaut des § 26 Abs 5 RAO („kann binnen 14 Tagen nach Zustellung des [von einer Abteilung des Ausschusses gefassten] Beschlusses Vorstellung an den Ausschuss erhoben werden“) könnte der Schluss gezogen werden, dass die Erhebung einer Vorstellung nur fakultativ neben die Möglichkeit der Berufung tritt.

Indes wird das Wort „kann“ in einem ähnlichen Zusammenhang auch bei der Vorstellung nach § 57 Abs 2 AVG verwendet („kann ... binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden“). Dazu wird in Lehre ( Hengstschläger/Leeb , AVG § 57 Rz 19) und Rechtsprechung (VwGH 88/11/0152 ua) vertreten, dass keine Wahlmöglichkeit zwischen Vorstellung und Berufung besteht; allein die Vorstellung kommt als Rechtsmittel in Betracht.

Auch der Zweck des § 26 Abs 5 RAO entspricht diesem Verständnis: Die Abteilung des Ausschusses handelt für diesen; die Vorstellung an das Plenum des Ausschusses ermöglicht eine nochmalige Prüfung der Angelegenheit innerhalb des Standes ( Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 [2014] § 26 RAO Rz 6).

4.4. Da dem Zweitantragsteller somit nur die binnen 14 Tagen einzubringende Vorstellung zur Verfügung stand, ist die Erhebung einer Berufung unzulässig, weshalb das Rechtsmittel schon aus diesem Grund zurückzuweisen ist.

5. Selbst wenn eine Berufung zulässig wäre, wäre diese verspätet und auch aus diesem Grund zurückzuweisen.

5.1. Nach § 5a Abs 1 letzter Satz RAO beträgt die Berufungsfrist vier Wochen.

5.2. § 5a Abs 2 RAO definiert, welche Vorschriften im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof anzuwenden sind. Nach Z 3 sind die §§ 49 52, 54, 55, 57 und 58 DSt sowie subsidiär die Vorschriften des AußStrG sinngemäß anzuwenden, soweit deren Anwendung mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Eintragungsverfahrens vereinbar ist.

5.3. In den genannten Bestimmungen des DSt, auf die verwiesen wird, ist die Frage, wo die Berufung einzubringen ist, nicht geklärt (siehe § 48 DSt). Nach § 47 Abs 1 AußStrG ist der Rekurs durch Überreichung eines Schriftsatzes beim Gericht erster Instanz zu erheben.

5.4. Daraus kann für das Rechtsmittelverfahren gegen die Verweigerung der Eintragung geschlossen werden, dass das Rechtsmittel bei der in erster Instanz entscheidenden Behörde einzubringen ist (so auch OBDK Bkv 3/13, AnwBl 2014/8378, 258 [ Hahnkamper ]).

5.5. Der Zweitantragsteller hat seine am 20. Mai 2015 zur Post gegebene Berufung unmittelbar an den Obersten Gerichtshof gerichtet.

5.6. Wird ein Rechtsmittel (unrichtigerweise) beim Rechtsmittelgericht überreicht oder dorthin adressiert zur Post gegeben, ist es zwar ehestens der ersten Instanz zu übermitteln (RIS Justiz RS0041584 [T12]); fristwahrend ist die Eingabe aber nur, wenn sie noch innerhalb der offenstehenden Frist bei der ersten Instanz einlangt (RIS Justiz RS0041584 [T13]).

5.7. Im vorliegenden Fall ist die Berufung erst am 26. Mai 2015 und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim Ausschuss der Tiroler Rechtsanwaltskammer, der den angefochtenen Bescheid erlassen hat, eingelangt, weshalb die Berufung jedenfalls verspätet wäre.

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