JudikaturOGH

15Os111/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Auslieferungssache des Mahsuni B*****, AZ 28 HR 70/15g des Landesgerichts Salzburg, über den Antrag der betroffenen Person auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Auslieferungssache des türkischen Staatsangehörigen Mahsuni B***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juni 2015 (ON 35) die Auslieferung der betroffenen Person an die Türkei zur Strafverfolgung aufgrund des Auslieferungsersuchens des 11. Schwurgerichts zu Izmir vom 28. November 2014 (wegen des qualifizierten Versuchs des Raubes nach Art 149 Abs 1 lit a bis c und Art 35 des türkischen Strafgesetzbuchs Nr 5237 [ON 7 S 49]) für zulässig erklärt.

Der gegen die Zulässigerklärung der Auslieferung erhobenen Beschwerde des Mahsuni B***** (ON 41) gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 23. Juli 2015, AZ 9 Bs 211/15s (ON 48) nicht Folge. Dabei ging es in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass gegen den in den Auslieferungsunterlagen der türkischen Strafverfolgungsbehörden geschilderten Verdacht keine erheblichen Bedenken bestehen (vgl § 33 Abs 2 ARHG). Das dort beschriebene Verhalten sei nach österreichischem Recht dem Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zu subsumieren.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der als „Grundrechtsbeschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf des Mahsuni B*****.

Dazu ist festzuhalten, dass sich die bekämpfte Beschwerdeentscheidung ausschließlich mit der Zulässigkeit der Auslieferung zur Strafverfolgung an die Türkei, nicht hingegen mit der Auslieferungshaft befasst und solcherart deren Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde mangels funktioneller Grundrechtsrelevanz nicht zulässig ist (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS Justiz RS0116089). Angesichts der Behauptung einer Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten (Art 3, 6 und 8 MRK) ist das sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts wendende Vorbringen jedoch der Sache nach als Antrag auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a Abs 1 StPO per analogiam zu werten (RIS Justiz RS0116089 [T3, T4]). Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu.

Unter Bezweiflung seiner Sicherheit im Gefängnis bzw allgemein in der Türkei und der Angemessenheit der Strafdrohung hinsichtlich des in Rede stehenden Tatvorwurfs „aus dem Jahr 2001“ ortet der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art 3 MRK.

Zwar kann eine Auslieferung für den Aufenthaltsstaat eine Konventionsverletzung bedeuten, wenn die betroffene Person im Zielstaat einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird, welche die Schwelle zur unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung erreicht und daher mit Art 3 MRK unvereinbar ist (vgl Göth Flemmich in WK 2 ARHG § 19 Rz 7).

Der Beschwerdeführer hat aber die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften (gewichtigen) Gefahr schlüssig nachzuweisen, wobei der Nachweis hinreichend konkret sein muss. Die bloße Möglichkeit drohender Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung reicht nicht aus. Vielmehr muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein reales, anhand stichhaltiger Gründe belegbares Risiko bestehen, die betroffene Person würde im Empfangsstaat der tatsächlichen Gefahr einer Art 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein (RIS Justiz RS0123229; Göth-Flemmich in WK 2 ARHG § 19 Rz 8 ff).

Indem der Erneuerungswerber auf das „hohe Sicherheitsrisiko“ aufgrund von Anschlägen in der Türkei in letzter Zeit und auf die Haftbedingungen in diesem Staat hinweist sowie ohne konkrete Anhaltspunkte für eine zu erwartende, den Konventionsgarantien widersprechende Behandlung darauf verweist, dass er „als Kurde eine Strafe in einem türkischen Gefängnis verbüßen soll“, ohne sich aber mit den entsprechenden Ausführungen des Beschwerdegerichts (BS 5) auseinanderzusetzen, wird er den oben dargestellten Anforderungen nicht gerecht und zeigt auch keine Fehlbeurteilung im bekämpften Beschluss auf.

Nichts anderes gilt für die unsubstanziierte Behauptung, Angst vor dem Opfer bzw dessen angeblichem Einfluss auf die Strafverfolgungsbehörden in der Türkei zu haben.

Bezüglich der Strafdrohung ist auszuführen, dass Fragen des geeigneten Strafmaßes grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs der Konvention liegen und angesichts der hier aktuellen Strafdrohung von bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (mit der Möglichkeit der Herabsetzung um ein Viertel bis drei Viertel; ON 7 S 91) die Befürchtung einer Unverhältnismäßigkeit nicht gegeben ist (vgl 14 Os 41/12d).

Das Auslieferungsverfahren selbst unterliegt nicht den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK (RIS Justiz RS0123200 [T2]), weshalb der darauf gestützte Einwand wegen des Unterlassens von Beweisaufnahmen im Beschwerdeverfahren keiner Erwiderung bedarf.

Die Behauptung, aus der Auslieferung könnte eine Verletzung des Art 8 EMRK resultieren, setzt sich nicht mit den gegenteiligen, begründeten Konstatierungen des Beschwerdegerichts auseinander (BS 5). Persönliche oder familiäre Bindungen des Antragstellers in Österreich von (unter diesem Aspekt) beachtlicher Intensität (vgl RIS Justiz RS0123230; Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 22 Rz 66 f) sind dem Antrag nicht zu entnehmen.

Der Erneuerungsantrag war daher als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

Rückverweise