15Os104/15f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto E***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 11. Februar 2015, GZ 10 Hv 65/14i 57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto E***** mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I/1 bis I/4) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (II/1 bis II/4) schuldig erkannt.
Danach hat er
I) Mitarbeitern der L***** GmbH durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1) am 27. August 2013 in T*****, indem er die im Verkaufsraum anwesenden Angestellten Jasmin Er***** und Daniela P***** aufforderte, mit ihm ins Büro zu gehen, dieser und der dort anwesenden Angestellten Elisabeth B***** eine Pistole vorhielt, die beiden Erstgenannten anwies, sich auf den Boden zu legen, sie an den Händen mit Kabelbindern am Rücken fesselte und anschließend Elisabeth B***** zur Ausfolgung von 10.116,17 Euro Bargeld nötigte;
2) am 28. September 2013 in S*****, indem er die Angestellten Fatima M***** und Florin N***** unter Vorhalt einer Pistole nötigte, sich ins Büro zu begeben, dort die Genannten und Sonja H***** zur Ausfolgung von 17.526,43 Euro Bargeld nötigte und die drei Angestellten in weiterer Folge an den Händen am Rücken und an den Füßen fesselte;
3) am 29. Jänner 2014 in A*****, indem er die Angestellten Silke V***** und Susanne L***** unter Vorhalt einer Pistole nötigte, sich ins Büro zu begeben, sie dort mit Kabelbindern an den Händen am Rücken und an den Beinen fesselte und die Angestellte Johanna Z***** unter Vorhalt der Pistole zur Ausfolgung von zirka 9.800 Euro Bargeld nötigte bzw diese selbst an sich nahm;
4) am 11. August 2014 in F*****, indem er die Angestellten Hatice G*****, Gabriele R***** und Manuela H*****r unter Vorhalt einer Gaspistole (US 8: Walther P88-9 Compact) nötigte, in das Büro zu gehen, Hatice G***** und Manuela H*****r anwies, sich auf den Boden zu legen, wo er sie mit Kabelbindern an Hand- und Fußgelenken fesselte und Gabriele R***** unter Vorhalt der Pistole zur Ausfolgung von 4.045 Euro Bargeld nötigte;
II) Andere dadurch geschädigt, dass er fremde bewegliche Sachen aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und zwar
1) am 27. August 2013 in T***** Gewahrsamsträgern der L***** GmbH ein Schnurlostelefon und einen Schlüsselbund,
2) am 28. September 2013 in S***** Gewahrsamsträgern der L***** GmbH ein Firmentelefon,
3) am 29. Jänner 2014 in A***** Gewahrsamsträgern der L***** GmbH ein tragbares Festnetztelefon,
4) am 11. August 2014 in F***** Gewahrsamsträgern der L***** GmbH ein Schnurlostelefon und Gabriele R***** ein iPhone5.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit den unmittelbar nach den Raubüberfällen in T*****, S***** und A***** von den betroffenen Angestellten abgegebenen Täterbeschreibungen (insbesondere den Angaben zu Alter und Sprachfärbung) ausreichend auseinandergesetzt (US 18). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung von Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend waren sie darüber hinaus nicht gehalten, die Angaben dieser Personen über die zur jeweiligen Tatzeit gezeigte „Gemütslage“ des beschriebenen Täters im Detail zu erörtern.
Dass sich der Angeklagte bei früheren Raubüberfällen in Deutschland anders als der Täter der hier inkriminierten Taten nicht als Kunde präsentiert hatte, haben die Tatrichter miterwogen, für ihre Einschätzung einer aufgrund sonst im Kern übereinstimmender besonderer Merkmale der Tatverübung gerade für den Angeklagten charakteristischen Vorgangsweise jedoch als nicht maßgeblich erachtet (US 5, 16 f, 19). Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) kann ein innerer Widerspruch der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119089) daraus nicht abgeleitet werden.
Ebensowenig vermag die Beschwerde einen solchen mit eigenen Erwägungen zur Beweiskraft der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zu den Fakten T*****, S***** und A***** aufzuzeigen, die sie den Urteilserwägungen (US 14) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegenüberstellt.
Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS Justiz RS0099413).
Der Beschwerdekritik zuwider leitete das Schöffengericht die entscheidende Tatsache der Täterschaft des Angeklagten (auch) zu den Fakten T*****, S***** und A***** unter Darlegung seiner Erwägungen zu dessen Aussageverhalten (Geständnis nur zum Fall F***** nach Betretung mit der Raubbeute und der Tatwaffe) mängelfrei aus einer Gesamtschau von Indizien ab (Vorgehen des Angeklagten bei früheren Raubüberfällen in Deutschland; modus operandi in F***** und an den weiteren Tatorten in Österreich; österreichweit ausschließlich vier [die hier inkriminierten] Raubüberfälle auf Filialen der L***** GmbH seit der Enthaftung des Angeklagten in Deutschland; Täterbeschreibungen der Opfer gegenüber der Polizei), die nach seiner Ansicht für das Einschreiten des Angeklagten sprachen (US 13 bis 19). Ebensowenig begründet der Umstand, dass es dem nach monatelanger Untersuchungshaft behaupteten Alibi zum Faktum S***** mangels Objektivierbarkeit keinen Glauben schenkte (US 14 f), den angesprochenen (Z 5 vierter Fall) Urteilsmangel.
Ihre Annahmen zum Einsatz einer funktionstüchtigen Pistole (und nicht bloß einer Waffenattrappe oder Spielzeugpistole) bei den Raubüberfällen I/1, I/2 und I/3 haben die Tatrichter willkürfrei auf den aus ihrer Sicht charakteristischen Einsatz entsprechender Waffen durch den Angeklagten auch in F***** (US 8: Pistole Walther P88-9 Compact) und bei in Deutschland verübten Raubüberfällen (US 5) gestützt (US 19). Auch in diesem Zusammenhang geht somit der Vorwurf einer Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere.
Die Kritik (nominell Z 5 vierter Fall) an Erwägungen des Erstgerichts zum Aussageverhalten des Angeklagten vor dem erkennenden Gericht und in der Vergangenheit (US 14 iVm ON 34 und ON 36) erschöpft sich abermals in nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorgetragener Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter.
Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz an mehreren Stellen des Rechtsmittels wird keine Nichtigkeit aufgezeigt (RIS-Justiz RS0117561, RS0102162, RS0099756).
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780).
Weder das Fehlen von objektiven Tatortspuren noch gewisse (schon in der Mängelrüge angesprochene) Abweichungen in der subjektiven Einschätzung der Tatopfer vor der Polizei in Bezug auf Alter, Sprachfärbung und Gemütslage des Täters vermögen beim Obersten Gerichtshof derartige Bedenken hervorzurufen.
Der unter dem Aspekt der „Außerachtlassung der Pflicht zu amtswegiger Erforschung der Wahrheit“ (nominell Z 5a) erhobene Vorwurf mangelnder Sachverhaltsaufklärung lässt nicht erkennen, welche Beweisaufnahmen das Erstgericht unterlassen haben soll und wodurch der Beschwerdeführer an geeigneter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823). Die in der vorangehenden Beschwerdepassage angesprochenen Täterbeschreibungen sind jedenfalls in der Hauptverhandlung durch einverständlichen gerichtlichen Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) vorgekommen (ON 56 S 57). Sollte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen bloß (abermals) vermeintliche Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe ansprechen wollen, ist er auf die entsprechenden Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu verweisen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.