JudikaturOGH

29Os2/14g – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 24. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Hajek und Dr. Kölly als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 30. Juni 2014, AZ D 4/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger und des Kammeranwalts Mag. Heindl zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird keine Folge gegeben.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird Folge gegeben und über Mag. ***** unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 14. November 2011, D 6/07, D 6/08 und D 2/10, eine Zusatzgeldbuße von 1.000 Euro verhängt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 30. Juni 2014, AZ D 4/13, wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße in der Höhe von 1.000 Euro sowie zum Kostenersatz verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Disziplinarbeschuldigte (zu ergänzen: am 21. April 2011) „wahrheitswidrig sowie nicht durch entsprechende Information seines Klienten gedeckt, wissentlich die unrichtige Behauptung aufgestellt, dass hinsichtlich der geltend gemachten Forderung im Fall der Nichtzahlung eine Rechtsschutzversicherung bestünde und bereits Klagsgenehmigung erteilt worden sei“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und Strafe.

Dem der Sache nach aus § 281 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt erhobenen Einwand fehlender Unparteilichkeit des Disziplinarrats zuwider begründet die mangelnde Präzision bei der Protokollierung einzelner, in der Disziplinarverhandlung getätigter Äußerungen bzw des Verfahrensverlaufs ebenso wenig die Befangenheit des Disziplinarrats wie die nicht unverzüglich dem Disziplinarbeschuldigten eingeräumte Möglichkeit zu einem Schlusswort sowie der Umstand der Verfassung eines bereits die Höhe der später verhängten Geldbuße ausweisenden Entscheidungsentwurfs bzw einer entsprechenden Notiz (vgl Lässig , WK-StPO § 43 Rz 12).

Im Übrigen fehlt es an der zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes gebotenen sofortigen Rüge der nach Ansicht des Berufungswerbers Befangenheit begründenden Umstände in der Verhandlung des Disziplinarrats.

Auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, § 77 Abs 3 DSt) ist unberechtigt. Der Berufungswerber vermag nämlich nicht methodisch einwandfrei aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb es dem Rechtsanwalt lediglich im Rahmen eines Zivilprozesses untersagt sein soll, wahrheitswidrige Behauptungen aufzustellen.

§ 9 Abs 1 RAO verpflichtet den Rechtsanwalt vielmehr dazu, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seines Mandanten für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, und seine Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.

Wahrheitswidrige Behauptungen die wie im vorliegenden Fall zur Durchsetzung von Ansprüchen des Klienten des Disziplinarbeschuldigten gegenüber der Gegenpartei erhoben werden verletzen die Berufspflicht und mindern zudem das Ansehen des Standes (vgl AnwBl 2013/8356; AnwBl 2003/7882; Feil/Wennig Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Anm 8).

Die weitere Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO, § 77 Abs 3 DSt) reklamiert ein Vorgehen nach § 3 DSt. Danach ist ein Disziplinarvergehen vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn das Verschulden des Rechtsanwalts geringfügig ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

Zwar ist ein Vorgehen nach § 3 DSt bei keiner Berufspflichtverletzung ausgeschlossen ( Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 3 DSt 883). Eine in diesem Sinn mangelnde Strafwürdigkeit liegt im konkreten Fall allerdings schon deshalb nicht vor, weil das inkriminierte Verhalten ein Verschulden zum Ausdruck bringt, dessen Gewicht im Vergleich zu den Durchschnittsfällen vom Disziplinarvergehen (die in ihrer Gesamtheit als Vergleichsparameter heranzuziehen sind; zur annähernd vergleichbaren Ausgangslage zu § 191 StPO bei mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen siehe Schroll , WK StPO § 191 Rz 56) gerade nicht deutlich reduziert ist.

Das als Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu wertende pauschale Vorbringen eines „mangelhaft und nicht objektiv geführten Verfahrens“ vermag keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher keine Folge zu geben.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt im Ergebnis Berechtigung zu:

Gemäß § 39 DSt kann im Fall eines Schuldspruches von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Falls und nach der Persönlichkeit des Beschuldigten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen werde, den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten. Ein derartiges als außergewöhnlich zu beurteilendes singuläres Bagatellverhalten, das auch mit Blick auf die Persönlichkeit des Disziplinarbeschuldigten ein Vorgehen nach § 39 DSt rechtfertigen würde, liegt unter Berücksichtigung der den Schuldvorwurf erheblich steigernden mehrfachen Disziplinarvorstrafen nicht vor.

Sonstige die Strafbemessung betreffende Kritikpunkte wurden in der Berufung nicht vorgebracht. Doch war zu berücksichtigen, dass die nunmehr abgeurteilte Tat vor der letzten Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten durch den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 14. November 2011, D 6/07, D 6/08 und D 2/10, rechtskräftig am 15. April 2013 (8 Bkd 1/12), gesetzt wurde. Demnach liegen insoweit die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt vor. Auf diese, eine Geldbuße von 12.000 Euro festsetzende Vorstrafe war daher Bedacht zu nehmen. Entgegen der Ansicht im angefochtenen Erkenntnis liegen aber außer dem Bedachtnahmeerkenntnis noch weitere vier nicht getilgte Vorverurteilungen des Mag. ***** vor, sodass sich selbst unter Berücksichtigung der mit Erkenntnis vom 14. November 2011, D 6/07, D 6/08 und D 2/10, des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Burgenland verhängten Strafe eine zusätzliche Geldbuße von 1.000 Euro als dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des mehrfach wegen Disziplinarvergehen vorbelasteten Disziplinarbeschuldigten angemessen erweist.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher Folge zu geben und über Mag. ***** unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 14. November 2011, D 6/07, D 6/08 und D 2/10, gemäß §§ 31, 40 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt eine Zusatzgeldbuße von 1.000 Euro zu verhängen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

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