JudikaturOGH

27Os1/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 24. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Mag. Vas und Dr. Hausmann als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Dr. P***** S*****, Rechtsanwaltsanwärter in Wien, über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Juni 2013, D 134/12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird keine Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit E Mail vom 16. Dezember 2011 teilte Heinrich G***** der Rechtsanwaltskammer Wien mit, er sei im Zuge eines kostenlosen Beratungsgesprächs der Rechtsanwaltskammer Wien am 15. Dezember 2011 vom Disziplinarbeschuldigten nicht beraten worden, vielmehr hätte dieser ihm eine Visitenkarte der Kanzlei Mag. Dr. M***** B***** übergeben, eine genaue Wegbeschreibung geliefert was Heinrich G***** nur als „vornehme Kundenkeilerei“ ohne Beratungsservice empfunden habe.

Am 12. Juni 2013 fasste der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien hinsichtlich der angezeigten Vorwürfe, der Disziplinarbeschuldigten habe am 15. Dezember 2011 im Zuge einer kostenlosen Rechtsberatung der Rechtsanwaltskammer Wien keine Auskunft oder Information erteilt sondern Heinrich G***** an eine bestimmte Kanzlei verwiesen, einen Einstellungsbeschluss nach § 28 Abs 3 DSt.

Der Disziplinarrat ging dabei davon aus, dass der Anzeiger anlässlich des Beratungsgesprächs, (für welches pro Klient eine Zeit von zehn bis fünfzehn Minuten vorgesehen war) eine detaillierte Beratung über eine von ihm vorgebrachte Ruf und Kreditschädigung begehrt habe. Der Disziplinarbeschuldigte habe ihn daraufhin informiert, dass auf Grund des für eine kostenlose Auskunft zur Verfügung stehenden engen Zeitrahmens eine ausführliche Beratung nur in einer Rechtsanwaltskanzlei, wie ua der Kanzlei seiner Ausbildungsanwältin Mag. Dr. M***** B***** erfolgen könnte. Im Zuge des weiteren Gesprächs habe der Disziplinarbeschuldigte eine Wegbeschreibung zur Kanzlei von Mag. Dr. M***** B***** geliefert. Dass der Disziplinarbeschuldigte dem Anzeiger die Adresse der Kanzlei ohne Aufforderung aufgedrängt habe, sei weder aus der Vernehmung der Ausbildungsanwältin Mag. Dr. M***** B***** noch aus jener des Dr. P***** S***** oder des Anzeigers nachvollziehbar. Aus der Aussage des Heinrich G***** schloss der Disziplinarrat, dass dessen zur Anzeige führende Unmut darauf zurückzuführen sei, dass der Disziplinarbeschuldigte keine inhaltliche Auskunft über die von ihm vorgebrachte Angelegenheit gab. Heinrich G***** habe auch nicht behauptet, dass der Disziplinarbeschuldigte ihn als Klienten akquiriert hätte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des Kammeranwalts, der Berechtigung nicht zukommt.

Mit einem Einstellungsbeschluss darf der Disziplinarrat in nichtöffentlicher Sitzung nur dann vorgehen, wenn nicht einmal der Verdacht eines standeswidrigen Verhaltens des angezeigten Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärters vorliegt ( Feil/Wennig Anwaltsrecht 8 § 28 DSt 931 f mwN). Vom Fehlen eines solchen Verdachts ist mit Blick auf § 212 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt dann auszugehen, wenn auf der Basis des eruierten Tatsachensubstrats weder Dringlichkeit noch Gewicht des sich daraus ergebenden Tatverdachts ausreichen, um bei lebensnaher Betrachtungsweise eine Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten auch nur für möglich zu halten und weitere Ermittlungen eine Intensivierung dieses Verdachts nicht erwarten lassen (vgl Birklbauer/Mayrhofer , WK StPO § 212 Rz 13; Fabrizy StPO 12 § 212 Rz 4).

Der im vorliegenden Fall zu prüfende Verstoß gegen eine (trotz freiwilliger Übernahme dieser Beratungsfunktion für eine von der Rechtsanwaltskammer angebotenen Serviceleistung sich ergebende) Berufspflicht könnte in der Verweigerung einer die Sache betreffenden Auskunftserteilung sowie in einer Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes durch Ausnutzung der freiwillig übernommenen unentgeltlichen ersten anwaltlichen Auskunft zur Akquisition eines Mandanten für die Kanzlei der Ausbildungsanwältin des Disziplinarbeschuldigten liegen.

Trägt der Auskunftsuchende allerdings einen komplexen Sachverhalt vor, dessen Analyse in einer zeitlich sehr beschränkten ersten anwaltlichen Beratung kein Eingehen auf eine sich dabei ergebende Rechtsproblematik möglich macht, kann ein Ratschlag in der Regel lediglich darin bestehen, der anfragenden Person eine Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt nahe zu legen.

Im gegenständlichen Fall gingen die Entscheidungsträger im Einstellungsbeschluss davon aus, dass Heinrich G***** eine detaillierte Beratung über eine von ihm vorgebrachte Ruf und Kreditschädigung begehrt hatte. Weshalb bei dieser Ausgangslage innerhalb der für derartige Beratungen zur Verfügung stehenden Zeit von zehn bis fünfzehn Minuten eine der Sachlage gerecht werdende oder an einer Lösung des damit allenfalls verbundenen Rechtsproblems orientierte Auskunft möglich sein sollte, deren Verweigerung eine Berufspflichtenverletzung nach sich ziehen könnte, wird in der Beschwerde nicht dargetan.

Kann eine solche sach und lösungsorientierte Beratung nicht erbracht werden, kann es aber entgegen den beweiswürdigenden (eine Lösung der Beweisfrage in einer Disziplinarverhandlung anstrebenden) Ausführungen des Beschwerdeführers dahin gestellt bleiben, ob der Disziplinarbeschuldigte von sich aus Heinrich G***** eine Visitenkarte der Kanzlei Mag. Dr. M***** B***** übergeben oder diese erst auf Verlangen des Anzeigers diesem ausgefolgt hatte. Solcherart kann in der Nennung der Kanzlei der Ausbildungsanwältin des Disziplinarbeschuldigten auch keine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes durch Ausnutzung der unentgeltlichen ersten anwaltlichen Auskunft für die Akquisition eines Mandanten erblickt werden.

Der Beschwerde war daher keine Folge zu geben.

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