JudikaturOGH

15Os120/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Köppl als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Mahsuni B*****, AZ 28 HR 70/15g des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde der betroffenen Person gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 20. Juli 2015, AZ 9 Bs 198/15d (ON 44 des HR Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Mahsuni B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juni 2015 (ON 34) wurde die über Mahsuni B***** am 18. März 2015 aufgrund des Auslieferungsersuchens des 11. Schwurgerichts zu Izmir vom 28. November 2014 (wegen des Tatvorwurfs eines qualifizierten Versuchs des Raubes nach Art 149 Abs 1 lit a bis c und Art 35 des türkischen Strafgesetzbuches Nr 5237) und des Haftbefehls dieses Gerichts vom selben Tag, AZ 2009/204, verhängte Auslieferungshaft (ON 12) neuerlich fortgesetzt.

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mahsuni B***** (ON 38) gab das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 20. Juli 2015, AZ 9 Bs 198/15d (ON 44), nicht Folge und setzte die Auslieferungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO iVm § 29 Abs 1 ARHG fort.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Grundrechtsbeschwerde des Mahsuni B*****, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Das Auslieferungsverfahren wird der kontinental europäischen Rechtstradition entsprechend vom formellen Prüfungsprinzip beherrscht, das heißt, die Behörden im ersuchten Staat haben grundsätzlich vom Sachverhalt auszugehen, wie er im Ersuchen um Auslieferung dargestellt wird (RIS Justiz RS0125233). Eine Überprüfung dieses Sachverhalts findet nur bei dagegen bestehenden erheblichen Bedenken statt (§ 33 Abs 2 ARHG). Der für das Auslieferungsverfahren und für die Verhängung der Auslieferungshaft hinreichende Tatverdacht wird bei schlüssigen Auslieferungsunterlagen vermutet (RIS Justiz RS0087119; Göth Flemmich in WK 2 ARHG § 29 Rz 27). Weshalb aus dem im angefochtenen Beschluss referierten Auslieferungsersuchen (ON 7) ein hinreichender Verdacht der Begehung eines nach österreichischem Recht §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB subsumierbaren Verhaltens nicht schlüssig ableitbar wäre, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen. Der Umstand allein, dass er den Tatablauf bestreitet (vgl aber ON 18 S 4), bietet keine Basis für eine Überprüfung des Sachverhalts aus dem im § 33 Abs 2 ARHG bezeichneten Grund.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS Justiz RS0118185 [T2]).

Dem daraus resultierenden Begründungserfordernis wurden die Beschwerderichter gerecht, indem sie die Annahme von Fluchtgefahr darauf gründeten, dass trotz des mehrjährigen Aufenthalts in Österreich wegen der nun allenfalls erfolgenden Auslieferung an die Türkei und der im Fall einer Verurteilung in diesem Land drohenden Haftstrafe die Gefahr bestehe, Mahsuni B***** werde sich auf freien Fuß dem Auslieferungsverfahren entziehen, zumal gefestigte soziale, familiäre oder berufliche Bindungen in Österreich nicht zu erkennen seien. Er lebe von seiner österreichischen Ehefrau seit Jahren getrennt und habe keinen festen Wohnsitz (BS 4). Aufgrund seiner Vorstrafen in Österreich sei ein Einreiseverbot erlassen (§ 53 Abs 1 FPG) und es sei eine Abschiebung in die Türkei nicht für unzulässig erklärt worden (§ 52 Abs 1 FPG).

Damit wurden jene bestimmten Tatsachen angeführt, aus denen das Oberlandesgericht die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 Z 1 StPO genannten Gefahr willkürfrei ableiten konnte.

Mit dem bloßen Hinweis, er habe als gelinderes Mittel auch eine Kaution angeboten und sich mit „jedweder möglichen Weisung bereit erklärt“, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, worin dem Oberlandesgericht, das die Substituierbarkeit der Haft begründet verneinte (BS 4), ein Beurteilungsfehler unterlaufen wäre (RIS Justiz RS0116422 [T1]).

Mahsuni B***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, die Grundrechtsbeschwerde war demnach ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Rückverweise