12Os91/15x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Janos S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Patrik O***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 7. April 2015, GZ 50 Hv 4/14p 132, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Patrik O***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten Janos S***** enthält, wurde Patrik O***** neuerlich trotz Urteilsaufhebung lediglich in der rechtlichen Unterstellung der ihm zur Last liegenden Tat auch unter § 143 dritter Fall StGB rechtlich verfehlt, aber ohne Nachteil, durch Fällung eines deckungsgleichen Schuldspruchs wie im ersten Rechtsgang (vgl Lendl , WK StPO § 260 Rz 33; RIS Justiz RS0098685) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 15. September 2013 in S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Janos S***** und dem bereits rechtskräftig Verurteilten Domenico M***** als Mittäter (§ 12 StGB) Peter H***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und andere Wertsachen, mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, durch deren Zueignung sich und Dritte unrechtmäßig zu bereichern, indem sie maskiert in dessen Haus eindrangen, ihn mit den Worten „Money, money, I kill you, I kill you“ bedrohten, Domenico M***** auf Peter H***** losging, mit ihm raufte und anschließend an der Flucht mit Gewalt zu hindern versuchte, nachdem Peter H***** in Panik aus einer Höhe von rund 2,5 m aus einem Fenster gesprungen war, und ihm mit einer Taschenlampe mehrere Schläge gegen den Kopf versetzte, wobei das Opfer eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich einen zweigradig offenen Unterarmbruch links, eine Kopfprellung mit zahlreichen Rissquetschwunden im äußeren Augenwinkel rechts, im Stirn-Scheitel- sowie im Stirn-Schläfenbereich links und im Scheitelbereich links, eine oberflächliche Hautabschürfung am rechten Unterschenkel, eine Prellung mit Blutblasenbildung und Hautablederung am rechten Großzehenendgelenk und eine Hautabschürfung an der linken Knieinnenseite, erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StGB gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Patrik O*****, der keine Berechtigung zukommt.
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Annahme eines auf den Eintritt einer schweren Verletzung gerichteten bei einer Erfolgsqualifikation gemäß § 7 Abs 2 StGB im Übrigen gar nicht erforderlichen bedingten Vorsatzes sämtlicher Angeklagter (US 13) im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nur aus dem geplanten Tatgeschehen, sondern auch daraus abgeleitet, dass diese schon aufgrund ihrer Lebenserfahrung angesichts der intendierten Gewaltanwendung durch maskierte Täter und des dadurch zu erwartenden nicht bloß unerheblichen Widerstands des Opfers den Eintritt einer schweren Verletzung in Erwägung gezogen haben (US 22).
Soweit die Rüge im Wege eigenständiger Beweiswertüberlegungen die Vorhersehbarkeit des Eintritts einer schweren Verletzung durch einen Sprung aus dem Fenster (vgl US 13, 22) bestreitet und eine atypische situationsbedingte Eskalation behauptet, mit der die Täter nach ihrem geplanten Tatgeschehen jedenfalls nicht zu rechnen hatten, kritisiert sie einerseits die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung und vernachlässigt andererseits die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz , WK StPO § 281 Rz 394), indem sie insbesondere die Feststellung übergeht, wonach der unkontrollierte Sturz des Peter H***** aus dem Fenster gerade durch die Gewaltanwendung des bereits rechtskräftig verurteilten Domenico M***** verursacht wurde (US 7 f).
Eben diese Konstatierung negiert auch die die Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB bestreitende Subsumtionsrüge (Z 10), soweit sie den Risikozusammenhang angesichts der angeblich „atypischen situationsbedingten Eskalation“ bestreitet und verfehlt damit den (auf der Sachverhaltsebene)
gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810 Ratz ; WK StPO § 281 Rz 581).
Schließlich legt die Beschwerde nicht methodisch vertretbar begründet dar, weshalb konkrete Feststellungen zur Frage erforderlich gewesen sein sollten, warum der Zweitangeklagte es ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass das Opfer überhaupt fliehen bzw sich durch einen Sprung aus dem Fenster verletzen könnte. Im Übrigen lässt das Gesetz die fahrlässige Herbeiführung einer schweren Verletzungsfolge genügen (§ 7 Abs 2 iVm § 143 dritter Fall StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.