JudikaturOGH

12Os72/15b – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Armin G***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. März 2015, GZ 26 Hv 131/14i 44, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Armin G***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. September 2014 in B***** Julia L***** dadurch, dass er sie an den Haaren erfasste, zu Boden drückte, ihr mehrere Schläge ins Gesicht sowie Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte, schließlich mit zwei Fingern in ihren Mundwinkel einhakte und mit erheblicher Gewalt die Finger wieder aus dem Mund zog, sodass der Mundwinkel einriss, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich zahlreiche Schwellungen im Bereich der Augenbrauen, am Nasenrücken und im Nackenbereich, Weichteileinblutungen an der Innenseite der rechten Brustdrüse sowie an den Ober- und Unterarmen, Rötungen am Haaransatz und einen tiefen Einriss des Mundwinkels von ca 2,5 cm, bei dem alle Schichten, nämlich Haut, Unterhautfettgewebe, Muskulatur und Mundschleimhaut zerrissen wurden, absichtlich zufügte wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 Z 2 StGB), nämlich eine kosmetisch störende Narbe mit Einschränkungen der Beweglichkeit des Mundwinkels, nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Vorauszuschicken ist, dass die Erfüllung des Tatbestands des § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) betreffend die Zufügung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) sowie (zumindest) Fahrlässigkeit (§ 7 Abs 2 StGB) in Bezug auf die schwere Dauerfolge (§ 85 StGB) erfordert (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 87 Rz 15; Burgstaller/Fabrizy in WK 2 StGB § 87 Rz 6, 10).

Davon ausgehend macht die die Tatbestandselemente der schweren Körperverletzung und der schweren Dauerfolge vermengende Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) nicht deutlich, weshalb die genau im dargelegten Sinn getroffenen Urteilsannahmen (US 8, 9, 15, 16) zueinander im Widerspruch stehen sollen.

Soweit der Beschwerdeführer in den Angaben der Julia L*****, wonach der Angeklagte seine Hand „reflexartig“ aus ihrem Mund gerissen habe (ON 43 S 13 f), einen „Widerspruch“ zur Annahme absichtlichen Handelns erblickt (nominell Z 5 dritter Fall), und dieser Aussage auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen einen Bedeutungsinhalt in Richtung der Einschätzung dieser Zeugin über die subjektive Ausrichtung des Angeklagten zuschreibt, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Das Vorbringen, auch der Sachverständige Univ. Prof. Dr. R***** sei insoweit von einem Reflex ausgegangen, ist aktenwidrig, weil der Genannte eine solche Sachverhaltsvariante (bloß) als „untypisch“ bezeichnete (vgl ON 43 S 22 f).

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, die die Annahme absichtlichen Handelns mit den Hinweisen auf das erwähnte Aussagedetail der Julia L***** (betreffend ein reflexartiges Herausreißen der Hand aus ihrem Mund), die erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten sowie das Fehlen weitergehender Gewalteinwirkung (in Form von Würgen und Fußtritten ins Gesicht) kritisiert.

Die (nominell verfehlt auf Z 9 lit a gestützte) Subsumtionsrüge (Z 10) erklärt nicht, weshalb die festgestellte „Verknüpfung zwischen dem vorsätzlichen Verletzungshandeln und der fahrlässig herbeigeführten schweren Dauerfolge“ den vorliegenden Schuldspruch wegen § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB nicht zu tragen vermag. Im Übrigen genügt der Hinweis auf das eingangs der Erledigung der Mängelrüge Gesagte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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