JudikaturOGH

11Os93/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrzej S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 28 Hv 20/15g des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Andrzej S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 26. Juni 2015, AZ 11 Bs 164/15b (ON 393 der Hv Akten) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Andrzej S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Der polnische Staatsangehörige Andrzej S***** wurde mit nicht rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Mai 2015 (ON 345) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (A/1-19), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B/1 8) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (C/) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck einer Beschwerde des Andrzej S***** (ON 380 samt Ergänzung ON 382) gegen den vom Landesgericht Innsbruck am 11. Juni 2015 nach Durchführung einer Haftverhandlung gefassten Beschluss (ON 376), dass die (derzeit) durch den gemäß § 173 Abs 4 StPO durchgeführten Vollzug der Reststrafe zu AZ 37 Hv 42/09t des Landesgerichts Salzburg sistierte Untersuchungshaft nicht aufgehoben werde, nicht Folge. Es sprach (im Hinblick auf den Wortlaut des § 173 Abs 4 StPO überschießend) aus, dass die wegen des (am 20. Mai 2015 in Gang gesetzten) Zwischenvollzugs derzeit nicht aufrechte Untersuchungshaft nach Ende desselben (voraussichtlich am 14. März 2016) aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, b und c StPO fortzudauern habe.

Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts verwies das Beschwerdegericht auf die am 19. Mai 2015 erfolgte wenn auch zufolge Anmeldung von Rechtsmitteln durch den Angeklagten nicht rechtskräftige erstinstanzliche Verurteilung wegen des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen (ON 345; siehe auch 11 Os 80/15x).

Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2015 (ON 393; zu dessen Grundrechtsrelevanz trotz aktueller Strafhaft vgl Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 10) richtet sich die vom Angeklagten selbst verfasste, nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens gemäß § 3 Abs 2 GRBG von seinem Verfahrenshilfeverteidiger unterfertigte Grundrechtsbeschwerde (ON 411, 421, 422, 439).

Die Dringlichkeit des Tatverdachts ist ab Fällung des Urteils in erster Instanz im Grundrechts-beschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen. Die Beurteilung, ob dieses Urteil mit formellen oder materiellen Mängeln behaftet ist und inwieweit Einwände dagegen berechtigt sind, bleibt wie vom Beschwerdegericht richtig dargelegt dem Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten, weshalb sich die Einwände gegen den dringenden Tatverdacht einer Erörterung im Grundrechts-beschwerdeverfahren entziehen (RIS-Justiz RS0108486, RS0061107).

Soweit sich die Grundrechtsbeschwerde (neuerlich) gegen den Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft und dem angefochtenen Beschluss (11 Bs 164/15b des Oberlandesgerichts Innsbruck) vorangegangene Entscheidungen über deren Fortsetzung wendet, ist sie überdies verfristet.

Zum abermals erhobenen Einwand der Unzuständigkeit des Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Verhängung der Untersuchungshaft und deren Fortsetzung ist auf (zuletzt) 11 Os 80/15x zu verweisen.

Im Rahmen des Grundrechts-beschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der im § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS Justiz RS0117806).

Seine Einschätzung, der Angeklagte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weiterhin strafbare Handlungen (jedenfalls mit nicht bloß leichten Folgen) gegen fremdes Eigentum begehen, hat das Oberlandesgericht vor allem auf das getrübte Vorleben des bereits mehrfach und massiv einschlägig (wegen Diebstahls und auch Einbruchsdiebstahls; BS 3 f iVm ON 59, 233, 239) vorbestraften Angeklagten, den überaus raschen und massiven Rückfall nach der Haftentlassung am 10. April 2014 und die hohe Frequenz der mutmaßlich über mehrere Monate hindurch gewerbsmäßig, überregional und professionell begangenen Taten (Einbruchsdiebstähle) gestützt, darüber hinaus auch auf die primär zur Begründung der Fluchtgefahr dargelegten, aus Angaben des Angeklagten abgeleiteten „fehlenden geordneten Verhältnisse“. Unabhängig von der Frage des Vorhandenseins „geordneter Verhältnisse“ wurden schon mit den davor angeführten Umständen zur Prognoseentscheidung bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Tatbegehungsgefahr (jedenfalls) gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO zu tragen.

Da bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt sich, im Rahmen der Behandlung der Grundrechtsbeschwerde auf das weitere Vorbringen zu den Haftgründen einzugehen (RIS Justiz RS0061196).

Der Beschwerdeführer wendet ein, das Oberlandesgericht Innsbruck habe bei der Beurteilung seines Vorbringens zur Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots durch das Erstgericht „seinen Protokollberichtigungsantrag über [die] Haftverhandlung vom 11. Juni 2015“ (gemeint offenbar ON 389) und seine „Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck auf Abweisung des Antrags auf Vertagung der Hauptverhandlung [richtig: Haftverhandlung] zur Aufnahme von Beweisen“ (gemeint offenbar ON 390) „in Verletzung gegen das Recht auf rechtliches Gehör“ nicht einmal erwähnt oder gar berücksichtigt. Dieser Vorwurf, geht von vornherein ins Leere, weil die genannten Schriftstücke erst am 25. Juni 2015 in der Justizanstalt abgegeben wurden und am späten Vormittag des 26. Juni 2015 beim Erstgericht einlangten (ON 389, 390, 406), dem Beschwerdegericht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Haftbeschwerde (laut VJ am frühen Vormittag desselben Tages) somit gar nicht bekannt sein konnten.

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

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