25Os6/15t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Dr. F***** P*****, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 21. Juli 2014, GZ D 9/13 73, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Vertreters der Kammeranwaltschaft Dr. Tautschnig, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.
Die Berufung wegen Strafe wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen auch einen rechtskräftigen Freispruch vom weiteren Vorwurf, als Hausherr und Finanzier des Nachtclubunternehmens „La C*****“ tätig gewesen zu sein, enthaltenden Erkenntnis wurde Dr. F***** P***** vom Vorwurf freigesprochen, er habe unter Verletzung seiner Berufspflichten und unter Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (zu ergänzen zwischen 11. November 2005 und 21. Juli 2014 in Klagenfurt) Jochen K***** und der „La C*****“ Gaststättenbetriebs GesmbH gemäß Vereinbarung vom 11. November 2005 sowie Jochen K*****, der „La C*****“ Gaststättenbetriebs GesmbH und der K***** Verwaltungs GesmbH auf Basis der Vereinbarung vom 30. Juni 2011 jeweils Kredit gewährt und entsprechend der Zusatzvereinbarung vom 29. August 2008 eine Treuhandschaft betreffend die Geschäftsanteile der K***** Verwaltungs GesmbH treuhändig für Jochen K***** übernommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Kammeranwalts wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen s RIS Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe; sie schlägt fehl.
Die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 erster und dritter Fall StPO) behauptet einen inneren Widerspruch, „zumindest aber“ Undeutlichkeit der Begründung der vom Disziplinarrat getroffenen negativen Feststellungen betreffend eine Tätigkeit des Beschuldigten als Treuhänder für Geschäftsanteile der K***** Verwaltungs GmbH.
Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge anfechtbar, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 entscheidend sind (RIS Justiz RS0117499). Solche entscheidenden Tatsachen spricht die Verstöße gegen die Treuhandbestimmungen des § 10a RAO reklamierende Berufung jedoch nicht an. Denn ihr zuwider regelt Abs 1 leg cit lediglich Treuhandmandate über hinterlegte Geldbeträge. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Gesetzgeber mit dem durch das Berufsrechtsänderungsgesetz 2010 (BGBI I 2009/141) neu eingeführten § 10a RAO keinen „Pflichtenkatalog“ des Rechtsanwalts schaffen wollte, der über die zuvor in § 9b RL BA 1977 geregelten Anforderungen, denen die Treuhandeinrichtungen der einzelnen Rechtsanwaltskammern zu entsprechen hatten, hinausging (vgl EBRV 483 BlgNR 24. GP 8 f). Jene Richtlinienbestimmung hatte aber ausdrücklich nur „vertraglich übernommene Treuhandschaften, in deren Rahmen der Rechtsanwalt den Auftrag zur Verwahrung und späteren Ausfolgung eines bei ihm hinterlegten Geldbetrags ... übernimmt und durchführt“ zum Gegenstand. Zum anderen regelt auch Abs 2 des § 10a RAO unter dem allgemeinen Begriff „Treuhandschaft“ erkennbar nur Geldtreuhandschaften, sodass für ein weitergehendes Begriffsverständnis in Abs 1 leg cit kein Raum besteht.
Im Übrigen besteht kein Widerspruch zwischen der Annahme, wonach die Geschäftsanteile der K***** Verwaltungs GmbH treuhändig von Robert S***** gehalten wurden und der Beschuldigte berechtigt war, dieses Treuhandverhältnis aus wichtigem Grund aufzukündigen, einerseits und der Negativfeststellung in Ansehung der Treuhändereigenschaft des Beschuldigten andererseits (ES 4 f). Ebenso wenig besteht zwischen der Ablehnung von Feststellungen zu einer Treuhändereigenschaft des Beschuldigten und der Konstatierung, dass der von ihm Jochen K***** gewährte Kredit mit Vermögenswerten des Kreditschuldners besichert wurde (ES 4), ein diametraler Gegensatz.
Soweit die Berufung unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 7 StPO eine „Nichterledigung der Anklage“ reklamiert, weil der Kammeranwalt mit „Ergänzungsantrag“ vom 8. August 2013 eine Ausweitung der Verfolgung des Beschuldigten hinsichtlich weiterer Vorwürfe beantragt habe, worüber der Disziplinarrat nicht abgesprochen habe, scheitert sie schon daran, dass dem Kammeranwalt nicht dieselbe Stellung wie einem Ankläger im Strafprozess zukommt (RIS Justiz RS0056705, RS0114239). Er darf lediglich einen Antrag auf Bestellung eines Untersuchungskommissärs stellen (§ 22 Abs 3 DSt), worauf der Disziplinarrat das Verfahren von Amts wegen führt (§ 20 Abs 2 DSt) und nach Fassung eines Einleitungsbeschlusses (§ 28 Abs 2 DSt) über dessen Gegenstand in mündlicher Verhandlung (§ 32 ff DSt) mit Erkenntnis entscheidet (§ 37 ff DSt). An den Einleitungsantrag des Kammeranwalts ist der Disziplinarrat inhaltlich nicht gebunden, wird doch mit diesem nur das Verfahren zur Durchführung von Untersuchungshandlungen für die Stoffsammlung formell eingeleitet, um dem Disziplinarrat später die Entscheidung zu ermöglichen, ob ein Einleitungsbeschluss zu fassen ist (RIS Justiz RS0056978 [T12]). Daraus folgt, dass eine unvollständige Erledigung von Verfolgungsanträgen des Kammeranwalts nach § 22 Abs 3 DSt keine Nichterledigung der Anklage im Sinn der Z 7 begründet.
Im Übrigen stellen die im genannten Antrag des Kammeranwalts erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit behaupteter Treuhandschaft und Kreditgewährung des Beschuldigten im Vergleich zu dem vom freisprechenden Erkenntnis umfassten Sachverhalt keine eigenständigen Taten dar, sondern betrafen bloß Details desselben, sodass sie vom Freispruch miterfasst waren.
Die im Rahmen der Schuldberufung mit dem Ziel der Feststellung eines Treuhandmandats erhobene Kritik vermag die Beweiswürdigung zu der eine Treuhändereigenschaft des Beschuldigten verneinenden Feststellung nicht zu erschüttern. Warum die Zusatzvereinbarung vom 29. August 2008 eine solche „zwingend nahe“ legen soll, lässt die Berufung offen. Diese von Jochen K***** alleine unterfertigte Erklärung beurkundet nur die festgestellte Eingriffsmöglichkeit des Beschuldigten auf die jeweilige treuhändige Anteilshaltung durch deren „Aufkündigung“. Weder die ausweichenden Antworten des Beschuldigten auf Fragen, die sich auf die Abtretung von Gesellschaftsanteilen an ihn bezogen, noch der Umstand, dass er einem Auftrag des Disziplinarrats, sämtliche Urkunden zur Treuhandvereinbarung vorzulegen, nicht nachkam, vermögen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats in Frage zu stellen.
Der Berufung wegen Schuld war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ein Erfolg zu versagen.
Die Strafberufung erweist sich mangels eines den Ausspruch über die Strafe nach § 38 Abs 2 zweiter Satz DSt voraussetzenden Schuldspruchs (§ 295 Abs 1 erster Satz zweiter Satzteil StPO) als unzulässig und war sohin mangels Berufungsrechts des Kammeranwalts in der in Anspruch genommenen Richtung (§ 470 Z 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0100572).