7Nc9/15f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. B***** B*****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer und Mag. Stefan Lichtenegger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei E***** B*****, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g EO, infolge Vorlage des Akts AZ 247 Nc 28/15i des Bezirksgerichts Graz Ost zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt mit dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien nach § 47 JN den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Zur Fortführung des Verfahrens ist das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. 5. 2015, GZ 98 C 7/15a 7, wird aufgehoben.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsteller stellte mit am 23. 4. 2015 beim Bezirksgericht Mattersburg eingelangten Schriftsatz den Antrag, mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382g EO gegen die Antragsgegnerin seine frühere Ehefrau diverse Verbote zu erlassen. Das Bezirksgericht Mattersburg erklärte sich mit Beschluss vom 24. 4. 2015 gemäß § 387 Abs 4 EO aufgrund des allgemeinen Gerichtsstands des Antragstellers für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 44 JN an das örtlich zuständige Bezirksgericht Graz Ost. Dieser Beschluss wurde den Parteien zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Das Bezirksgericht Graz Ost stellte den Provisorialantrag zunächst der Antragsgegnerin zu. In weiterer Folge beantragten die Streitteile übereinstimmend die Übertragung der Rechtssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Mit Beschluss vom 11. 5. 2015 delegierte das Bezirksgericht Graz Ost antragsgemäß die Rechtssache gemäß § 31a JN an dieses Bezirksgericht. Dieser Beschluss wurde den Parteien am 13. 5. 2015 zugestellt und ist rechtskräftig.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erklärte sich daraufhin mit Beschluss vom 18. 5. 2015 für unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Graz Ost zurück, weil in diesem Verfahren § 31a JN „nicht anwendbar“ sei. Dieser Beschluss wurde den Parteien nach vorangegangener Rückstellung des Akts durch den Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 17. 6. 2015, 7 Nc 9/15f am 10. 7. 2015 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Nunmehr legt das Bezirksgericht Graz Ost neuerlich den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN vor.
1. Im vorliegenden Fall haben das Bezirksgericht Mattersburg, das Bezirksgericht Graz Ost und das Bezirksgericht Innere Stadt Wien jeweils ihre Zuständigkeit verneint. Allerdings besteht ein negativer Kompetenzkonflikt und damit ein Streit über die Zuständigkeit im Sinn des § 47 Abs 1 JN nur zwischen dem Bezirksgericht Graz Ost und dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien.
2. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt voraus, dass die beiden konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über ihre Unzuständigkeit zur Entscheidung über die (gleiche) Rechtssache abgesprochen und diese verneint haben (vgl RIS Justiz RS0046299 [T1, T9]; RS0118692 [T2, T3]). Diese Voraussetzung liegt nunmehr vor.
3. Bei der Entscheidung über negative Kompetenzkonflikte ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses Bedacht zu nehmen. Die Vorschriften über die Bindung an rechtskräftige Entscheidungen über die Zuständigkeit und an Überweisungsbeschlüsse haben den Zweck, Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Dabei nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls auch ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (RIS Justiz RS0046391). An den rechtskräftigen Übertragsbeschluss nach § 31a JN ist das Gericht, an das überwiesen wurde, gebunden (RIS Justiz RS0046141).
4. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Gericht, an das überweisen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RIS Justiz RS0046391 [T6]; vgl RS0081664 [T1]). Bei der Entscheidung nach § 47 JN ist auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn wie hier der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RIS Justiz RS0046391 [T8]).
5. Der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. 5. 2015, GZ 98 C 7/15a 7, verletzte demgemäß die Bindungswirkung des vorangegangenen Delegationsbeschlusses gemäß § 31a JN des Bezirksgerichts Graz Ost und ist daher ohne auf die Frage nach dessen Richtigkeit einzugehen (RIS Justiz RS0046391 [T10]) aufzuheben.