12Os79/15g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dominic C***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Satz StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Engin A***** sowie über die Berufungen der Angeklagten Dominic C*****, Kagan Ö*****, Adis N*****, Enes S***** und Ibragim D***** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 12. Februar 2015, GZ 51 Hv 71/14a 365, sowie über die Beschwerden der Angeklagten Dominic C*****, Kagan Ö***** und Enes S***** gegen unter einem gefasste Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die vom Angeklagten Dominic C***** angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen aller Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe sowie über die Berufung des Angeklagten Engin A***** wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche und die Beschwerden der Angeklagten Dominic C*****, Kagal Ö***** und Enes S***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten Dominic C***** und Engin A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurde Engin A***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./V./2./3./, VIII./ und X./1./ und 2./), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Satz StGB (A./IX./), des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (B./II./) und des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.
Danach hat er
A./ mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, wobei durch die zu IX./ ausgeübte Gewalt ein anderer schwer verletzt wurde (§ 84 Abs 1 StGB), und zwar
...
V./ am 25. Jänner 2014 in B*****
...
2./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ibragim D***** als Mittäter Noah R***** ein Mobiltelefon im Wert von ca 500 Euro, indem sie ihm Schläge androhten, wenn er ihnen das Handy nicht freiwillig überlassen würde, ihn in weiterer Folge gegen eine Hauswand drängten, seine Arme von hinten festhielten und das Mobiltelefon aus seiner Hosentasche nahmen;
3./ Dario W***** 50 Euro, indem er versuchte, diesem einen 50 Euro Schein aus der Hand zu reißen und, als ihm dies nicht gelang, diesem gegenüber äußerte, dass er ihn abstechen werde, wenn er den Geldschein nicht loslasse, woraufhin dieser ihm den Geldschein überließ;
...
VIII./ am 2. Februar 2014 in B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Kagan Ali Ö***** und Ibragim D***** als Mittäter Dario W***** ein Taschenmesser indem Kagan Ö***** diesen mit beiden Händen an der Jacke im Brustbereich packte, ihn abtastete, ihm das Messer aus der vorderen Hosentasche zog und an den neben ihm zur Absicherung bereit stehenden Engin A***** übergab, von welchem es der ebenfalls eingriffsbereite Ibragim D***** unmittelbar danach übernahm;
IX./ am 1. Juni 2014 in D***** Christian E***** eine Geldtasche mit ca 20 Euro, indem er ihn von hinten zu Boden stieß, wodurch dieser nach vorne stürzte und mit der linken Körperseite auf dem Asphaltboden aufschlug, woraufhin er dem benommen am Boden liegenden Opfer die Geldtasche mit dem Bargeld aus der rechten hinteren Hosentasche zog und damit flüchtete, wobei Christian E***** durch die Tat eine Rissquetschwunde am Kopf sowie einen Bruch der Kniescheibe und des Schlüsselbeins, somit eine an sich schwere Körperverletzung, erlitt;
X./ am 29. September 2014 in D***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Kagan Ö***** als Mittäter
1./ Rene B***** eine Geldtasche mit Bargeld in Höhe von 30 Euro;
2./ Philipp Br***** eine geringe Menge an Münzgeld und Cannabiskraut,
indem Engin A***** Rene B***** eine Ohrfeige versetzte und ihm danach die Geldtasche wegnahm, Kagan Ö***** den Philipp Br***** mit beiden Armen festhielt, während er ihm mit Anlauf einen Fußstoß gegen den Oberkörper versetzte, ihn durch mehrere Faustschläge zu Boden brachte und schließlich beide Angeklagten auf ihn eintraten und schlugen, wobei er ihm seine Geldtasche aus der Hosentasche zog und das darin befindliche Münzgeld an sich nahm und Kagan Ö***** ihn aufforderte, ihnen das mitgeführte Cannabiskraut zu überlassen, was dieser schließlich auch tat;
B./ gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert einem anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar
...
II./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Kagan Ö***** und Ibragim D***** als Mittäter am 1. Februar 2014 in D***** Elias Re***** ein Mobiltelefon im Wert von 650 Euro;
...
C./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ibragim D***** am 25. Jänner 2014 in B***** im Anschluss an die zu A./V./2./ beschriebene Tat Noah R***** mit Gewalt, nämlich durch Fußtritte gegen dessen Körper sowie durch Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich damit, das zuvor geraubte Mobiltelefon zu zerstören, zur Zahlung eines „Lösegeldbetrags“ von 10 Euro, somit zu einer Handlung genötigt, die diesen im angeführten Betrag am Vermögen schädigte, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Engin A*****, der keine Berechtigung zukommt.
Soweit der Nichtigkeitswerber ohne konkretes Vorbringen zu den Schuldspruchpunkten A./V./2./ und 3./, VIII./ und X./1./ und 2./, B./II./ und C./ die Aufhebung des (gesamten) angefochtenen Urteils beantragt, war seine Beschwerde bereits mangels Substantiierung zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Das Erstgericht stützte sich zu A./IX./ vor allem auf die Angaben des Christian E*****, der sowohl vor der Polizei als auch in der Hauptverhandlung angab, von hinten gestoßen worden zu sein, nachdem er seine Notdurft verrichtet hatte (US 57). Demgegenüber schenkte es der im Übrigen zusammengefasst wiedergegebenen, mit der Aussage des Tatopfers der Rüge zuwider keineswegs übereinstimmenden Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe Christian E***** aus Ekel weggestoßen, zumal sich dieser zu ihm umgedreht habe, keinen Glauben. Von offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) kann daher ebenso wenig die Rede sein wie von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), ist doch das Schöffengericht, d em Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen gemäß §
270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend, im Übrigen nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt der Verantwortung des Angeklagten in concreto seine Behauptung in der Hauptverhandlung, er habe Christian E***** weggeschoben, „damit er ihn nicht anpisst“ (ON 354 S 33) wiederzugeben und in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen zu untersuchen (RIS Justiz RS0098778, RS0106295, RS0106642). Schließlich haben die Tatrichter auch die Alkoholisierung des Raubopfers sehr wohl berücksichtigt (US 56 f).
§ 281 Abs 1 Z 5a StPO will als
Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Sachverhalte, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Beweiswerterwägungen des Erstgerichts) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Mit dem Hinweis darauf, dass auch Christian E***** angab, bereits mit Engin A***** gesprochen zu haben, während er noch urinierte (ON 354 S 110), werden von der Beschwerde beim Obersten Gerichtshof qualifizierte Bedenken im oben aufgezeigten Sinn nicht erweckt. Im Übrigen unternimmt der Beschwerdeführer lediglich den Versuch, seiner vom Erstgericht verworfenen Einlassung zum Durchbruch zu verhelfen, und kritisiert solcherart, im kollegialgerichtlichen Verfahren jedoch unzulässig, die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Das Erstgericht nahm bei sämtlichen zur Faktengruppe A./ angeführten Angeklagten, also entgegen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) auch bei Engin A***** als erwiesen an, dass es ihnen darauf ankam, mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben den Opfern fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen (US 63), und konstatierte wenngleich disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung überdies, dass der Nichtigkeitswerber von vornherein die Absicht hatte, dem offensichtlich alkoholisierten Tatopfer Geld und/oder Handy wegzunehmen (US 58). Der behauptete Rechtsfehler mangels Feststellungen liegt daher nicht vor.
Eben diese Konstatierungen lässt auch die Subsumtionsrüge (Z 10) außer Acht, die überdies nicht einmal jenen gerichtlichen Straftatbestand bezeichnet, dem der Urteilssachverhalt hätte unterstellt werden sollen (RIS-Justiz RS0099938).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die angemeldete (ON 366) und nicht zurückgezogene (vgl ON 430) im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige (RIS Justiz RS0098904; Fabrizy StPO 12 § 464 Rz 21) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der dazu erstatteten Gegenäußerung des Angeklagten Engin A***** bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen aller Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe (die von Enes S***** bloß angemeldet wurde) sowie über die Berufung des Angeklagten Engin A***** wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche und über die (zum Teil implizit erhobenen) Beschwerden der Angeklagten Dominic C***** , Kagan Ö***** und Enes S***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.